Anwalt bei Vorladung, Anklage oder Strafbefehl mit dem Vorwurf Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

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Der Straßenverkehr ist mit zahlreichen Gefahren verbunden. Allein die Fortbewegung im Straßenverkehr mittels eines Kraftfahrzeugs bringt einige Gefahren und das Potential erheblicher Schäden (sowohl Sach- als auch Personenschäden) mit sich. Daher gelten besondere Pflichten im Straßenverkehr und Fehlverhalten im Straßenverkehr ist nicht immer nur als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bewehrt, sondern kann unter Umständen sogar eine Straftat darstellen mit der Folge, dass eine Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe drohen kann.

Ein solches Straßenverkehrsdelikt ist zum Beispiel der Gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b des Strafgesetzbuches (StGB).

Welche Strafe droht für einen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr?

Für einen vorsätzlichen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr droht grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe (§ 315b Abs.1 StGB). In bestimmten Konstellationen droht eine höhere Strafe.

Bei nur fahrlässigem (statt vorsätzlichem, also wissentlichem und willentlichen) Verursachen der (konkreten) Gefahr im Rahmen des § 315b Abs.1 StGB steht eine etwas geringere Strafe im Raum. Hier ordnet § 315b Abs.4 StGB einen Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe an.

Wird nicht nur die Gefahr fahrlässig verursacht, sondern auch noch fahrlässig die strafbare Handlung vorgenommen, so droht gem. § 315b Abs.5 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Was ist ein strafbarer gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr?

Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zeichnet sich in einem ersten Schritt dadurch aus, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs durch eine bestimmte – gesetzlich normierte – Handlung beeinträchtigt wird. Dieses Verhalten ist generell dazu geeignet, Schäden im Straßenverkehr hervorzurufen (vgl. BGH, Beschluss v. 30.08.2022 – 4 StR 215/22).

Ein solche mögliche Tathandlung ist das …

  • Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen,
  • Bereiten von Hindernissen (z.B. durch das Abschneiden des Weges eines Verkehrsteilnehmers im fließenden Verkehr, damit dieser Verkehrsteilnehmer nicht mehr weiterfahren kann, vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 31.01.2017 – 4 RVs  159/16 in openJur 2019, 16224 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH),
  • Vornehmen eines „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs“

(§ 315b Abs.1 StGB)


Nicht nur der Fahrer des Fahrzeugs, sondern auch der Beifahrer, kann sich wegen eines Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar machen. Die Strafbarkeit ist also nicht an den Fahrer persönlich gebunden. Vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 31.01.2017 – 4 RVs  159/16 in openJur 2019, 16224.


Wichtig ist dabei, dass dies im öffentlichen Straßenverkehr geschehen muss. Geschehnisse auf Privatgrundstücken außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs werden nicht erfasst. Hierin kommt zum Ausdruck, dass nicht nur Individualinteressen durch die Strafbewehrung des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr geschützt werden sollen, sondern insbesondere die Allgemeinheit (durch die Sicherheit des Straßenverkehrs, vgl. BGH, Beschluss v. 05.10.2011 – 4 StR 401/11).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt es sich um öffentlichen Straßenverkehr, wenn der Verkehrsraum  „entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird“ (BGH, Beschluss v. 01.12.2020 – 4 StR 519/19 unter Verweis auf weitere BGH Rechtsprechung).

Ist das Zufahren auf eine Person ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr?

Auch das Zufahren auf eine Person kann einen strafbaren gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstellen. Das ist zunächst eigentlich ungewöhnlich. Das Gesetz trennt grundsätzlich zwischen Gefährdungen innerhalb des Straßenverkehrs (das ist dann kein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB, sondern eine Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB) und solchen von außen in den Straßenverkehr hinein (das ist dann der gerade in Frage stehende Gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB).


Das Zufahren auf eine Person mit einem PKW ist eine Tätigkeit innerhalb des Straßenverkehrs, sodass grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) eröffnet wäre. Grundsätzlich ist diese Unterteilung auch abschließend, sodass § 315c StGB eine Art Sperrwirkung entfaltet, mit der Folge dass weitere Eingriffe innerhalb des Straßenverkehrs nicht nach § 315b StGB strafbar wären.

Das Zufahren auf eine Person mit Schädigungsabsicht ist nicht von § 315c StGB erfasst.

Grundsätzlich müsste man nun also sagen, dass dies nicht nach den Straßenverkehrsdelikten des Strafgesetzbuches strafbar wäre.

Ist es aber trotzdem.

Die Rechtsprechung fasst ein solches Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen unter die Vornahme eines „anderen, ebenso gefährlichen Eingriffs“ im Sinne des § 315b Abs.1 Nr.3 StGB. Wie auch sonst ist erforderlich, dass hierdurch der Straßenverkehr beeinträchtigt wird und eine konkrete Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder eine einem anderen gehörende wertvolle Sache verursacht wird.

Wann ist das Zufahren auf eine andere Person ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr?

Damit stellt sich in der Folge die Frage, wann denn genau das Zufahren auf eine andere Person mit einem Kfz einen „anderen, ebenso gefährlichen Eingriff“ im Sinne des § 315b Abs.1 Nr.3 StGB darstellt.

Dies ist grob gesagt dann der Fall, wenn der Täter sich derart missbräuchlich verhält, dass er im Grunde nicht mehr als Teilnehmer am Straßenverkehr eingestuft werden kann.

Voraussetzung ist daher das bewusst zweckwidrige Einsetzen des Fahrzeugs als Waffe mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz (Eine Schädigung durch das Verhalten muss also zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen werden). Der Verkehrsvorgang wird so zu einem Eingriff im Sinne des § 315b Abs.1 Nr.3 StGB „pervertiert“ (vgl. BGH, Beschluss v. 11.11.2021 – 4 StR 134/21).

Es genügt also nicht jedes Verhalten entgegen der im Straßenverkehr geltenden Vorschriften. Ansonsten würde die Bedeutung des § 315c StGB missachtet.

Aus dieser Gefährdung des Straßenverkehrs muss eine konkrete Gefahr erwachsen

Wichtig ist, dass diese abstrakte Gefahr (die durch die Vornahme einer der genannten Handlungen entstanden ist) in (quasi in einem zweiten Schritt) eine konkrete Gefahr umschlagen muss. Es muss eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit oder für eine einem anderen gehörende (fremde) Sache von bedeutendem Wert (hier wird die Grenze grundsätzlich bei 750 Euro gezogen, vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 28.09.2010 – 4 StR 245/10) aufgrund der Vornahme der genannten Handlung entstehen. Diese Gefahr muss kausal auf dem Eingriff (also einer der genannten Handlungen) beruhen und konkret sein (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 11.11.2021 – 4 StR 134/21).

Eine konkrete Gefahr ist dabei im Grunde ein „Beinaheunfall“. Sie entsteht demnach bei einer Situation, in der es nur noch vom Zufall abhängt, ob ein Schaden eintritt oder nicht. Es handelt sich demnach – vereinfacht ausgedrückt – um eine Konstellation, in der „gerade noch so, alles gut gegangen ist“. Vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 05.11.2013 – 4 StR 454/13.   


Im Hinblick auf die Gefährdung einer wertvollen Sache („fremde Sache von bedeutendem Wert“, § 315b Abs.1 StGB) ist anzumerken, dass nicht auf den Wert der Sache als solcher abzustellen ist, sondern auf die Höhe des drohenden Schadens durch das Verhalten des Beschuldigten (vgl. BGH, Beschluss v. 05.12.2018 – 4 StR 505/18).


Wichtig ist, dass diese konkrete Gefahr gerade verkehrsspezifisch ist, also typisch auf Vorgängen im Straßenverkehr beruht (vgl. BGH, Beschluss v. 30.08.2022 – 4 StR 215/22).

Wann droht eine höhere Strafe für einen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr?

In bestimmten Konstellationen droht eine höhere Strafe für den Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (grundsätzlich Freiheitsstrafe zwischen einem und 10 Jahren, § 315b Abs.3 StGB). Dies nämlich dann, wenn der Täter den Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begeht in der Absicht der Herbeiführung eines Unglücksfalls oder in der Absicht der Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat (§§ 315b Abs.3, 315 Abs.3 Nr.1 StGB).


Im Hinblick auf den Unglücksfall ist zu bemerken, dass dieser auch bei der Herbeiführung lediglich eines Sachschadens gegeben sein kann. Erforderlich ist in jedem Fall, dass der Täter beabsichtigt, dass sich gerade die von ihm gesetzte verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht. Vgl. BGH, Urteil v. 09.12.2021 – 4 StR 167/21.


Eine solch höhere Strafe droht auch, wenn der Täter durch den Gefährlichen Eingriff „eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung bei einer großen Zahl von Menschen verursacht“ (§§ 315b Abs.3, 315 Abs.3 Nr.2 StGB).

Ist ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr auch strafbar, wenn ich keine Gefahr verursachen wollte?

Eine Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr setzt nicht zwingend voraus, dass es dem Täter darauf ankam, eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen oder für fremde wertvolle Sachen zu verursachen.

Das fahrlässige Verursachen einer solchen Gefahr, also unter Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, genügt hierfür.

In diesem Fall ist die Strafandrohung etwas geringer als im Falle der vorsätzlichen Gefährdung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, § 315b Abs.4 StGB).

Sogar die Konstellation, dass man aufgrund Fahrlässigkeit (also nicht vorsätzlich) die strafbare Tathandlung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vornimmt und zusätzlich fahrlässig eine solche Gefahr verursacht (also eine Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeit-Kombination) ist strafbar. Auch hier sinkt aber die angedrohte Strafe (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, § 315b Abs.5 StGB).

Verliere ich im Falle einer Verurteilung wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr meinen Führerschein?

Das ist möglich. Ein Strafverfahren kann auch den Verlust des Führerscheins oder sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich ziehen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins drohen insbesondere (aber nicht nur), wenn sich der Vorwurf auf ein Straßenverkehrsdelikt bezieht (wozu auch der Gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr gehört).

Gerade für Betroffene, die beruflich auf ihren Führerschein angewiesen sind, kann diese Folge schwer wiegen.

Wenden Sie sich in einem solchen Fall daher am Besten an einen auf das Verkehrsstrafrecht spezialisierten Strafverteidiger. Dieser wird nach Einsicht in die Ermittlungsakten eine für Ihren Fall geeignete Verteidigungsstrategie erarbeiten.

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