BGH ändert Anforderungen an formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung

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Das Urteil, das der BGH am 20.01.2016 verkündet hat, dürfte viele Mieter aber auch Mietrechtler verwundert haben. Einige sind sogar der Ansicht, dass der BGH diese mieterunfreundliche Rechtsprechung korrigieren wird.

Dem Rechtsstreit lag der Sachverhalt über eine Nachzahlungsverpflichtung aus einer Nebenkostenabrechnung zugrunde. Die Vermieter und Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnanlage, die aus mehreren Gebäuden besteht.

Beklagte ist die Mieterin, gegen die sich die Nachzahlungsverpflichtung aus einer Nebenkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2011 richtete. Diese hatte sich gegen die Zahlungsverpflichtung gewehrt, da aus der Nebenkostenabrechnung nicht hervorgehe, wie die Vermieterin zu dem abrechnenden Betrag für die Positionen Wasser, Abwasser und Müllabfuhr gekommen war.

Für die gesamte Wohnanlage bestand nur ein Müllplatz und in zwei Häusern je eine Heizstation mit Warmwasseraufbereitung, die die übrigen Gebäude versorgten.

Die beklagte Mieterin hatte sich bereits in den ersten beiden Instanzen vor dem Amtsgericht und Landgericht Bochum erfolgreich gegen die Nachzahlungsverpflichtung wehren können.

Die klagende Vermieterin legte gegen das Berufungsurteil Revision ein und bekam nun vom BGH recht.

Dieses Urteil führt zu einer Änderung der Rechtsprechung des BGH zu der Frage, wann eine Nebenkostenabrechnung formell ordnungsgemäß ist.

Bei der Nebenkostenabrechnung ist zwischen den formellen und der materiellen Anforderungen zu unterscheiden.

Formell ordnungsgemäß ist eine Abrechnung nach den Voraussetzungen des § 259 BGB dann, wenn folgende Angaben enthalten sind:

- Zusammenstellung der Gesamtkosten
- Angaben und Erläuterungen zum Verteilerschlüssel
- Berechnung des Anteils des Mieters
- Abzug der Vorauszahlungen

Diese Anforderungen wurden über die Jahre immer wieder durch die Rechtsprechung geprägt (BGH, Urteil vom 06.05.2015, Az.: VIII ZR 194/14).

Hinsichtlich der Gesamtkosten vertrat der BGH in der Vergangenheit die Ansicht, dass nicht umlagefähige Positionen herauszurechnen und die in der Abrechnung offen darzulegen waren, „bereinigte“ Gesamtkosten (BGH, Urteil vom 09.10.2013, Az.: VIII ZR 22/13).

Die Berechnung des Anteils des Mieters muss schlüssig und nachvollziehbar sein. Es sind Kostengruppen zu bilden, die in sich plausibel erscheinen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH war für die einzelnen Abrechnungspositionen die Gesamtberechnung unter Zugrundelegung einzelner Rechenschritte anzugeben.

Dies sollte gerade die Mieter von Wohnungen in einer Mehrgebäude-Anlage die Möglichkeit geben, die auf ihr Gebäude anfallenden Kosten und die für sie berechneten Kosten nachzuvollziehen.

Diese Rechtsprechung hinsichtlich des offenen Abzugs nicht umlagefähiger Positionen und der einzelnen nachvollziehbaren Rechenschritte hat der BGH in seiner aktuellen Entscheidung vom 20.01.2016, Az.: VII ZR 93/15 aufgegeben.

Nach den neuen Grundsätzen des BGH zu der Frage der „bereinigten“ Gesamtkosten und der Berechnung des Anteils des Mieters hat der BGH wie folgt ausgeführt:

„Die vorstehend dargestellte Senatsrechtsprechung zu den „bereinigten“ Gesamtkosten in der beschriebenen Sonderfällen fügt sich nicht mehr in die vom Senat inzwischen weiterentwickelten rechtlichen Maßstäbe zur Bestimmung der Mindestanforderungen einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung ein, die der Vermieter innerhalb der Jahresfrist erfüllen muss, um nicht mit einer etwaigen Nachforderung ausgeschlossen zu sein.

Der Senat hat zwischenzeitlich mehrfach betont, dass an die Abrechnungen von Nebenkosten in formeller Hinsicht keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Aus diesem Grundgedanken hat er in mehreren Entscheidungen Einschränkungen der eingangs beschriebenen Mindestanforderungen abgebildet. So hat er bei den Voraussetzungen jeden Fehler (zu hoch oder zu niedrig angesetzte Vorauszahlungen) als lediglich materiellen Fehler eingestuft, der nicht zur Unwirksamkeit der Abrechnung aus formellen Gründen führt […]

Ebenso gehört es nach der Rechtsprechung des Senats nicht zu den Voraussetzungen einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung, diejenigen Zwischenschritte offen zu legen, mit denen der Vermieter aus kalenderjahresübergreifenden Abrechnungen eines Versorgers die auf das abzurechnende Kalenderjahr entfallenden Betriebskosten ermittelt.

Ohnehin kann der Mieter aus der Abrechnung regelmäßig nicht alle Rechenschritte ablesen, die zu ihrer Erstellung erforderlich waren, denn auch die Einzelbeträge einer Kostenposition (etwa die Einzelbeträge mehrerer in den Abrechnungszeitraum fallenden Rechnungen, die der Vermieter vom Versorger oder sonstigen Dritten seinerseits erhalten hat), müssen nicht angegeben werden, sondern nur der jeweilige Gesamtbetrag einer Kostenposition.“

Diese neue Auffassung des BGH vermag eine erhebliche Benachteiligung für Mieter zu bedeuten. Zwar hat dieser ein Recht auf Einsicht in die entsprechenden Unterlagen, allerdings war nach den bisherigen formellen Anforderungen an die Betriebskostenabrechnung es zumindest grundsätzlich möglich, die Abrechnung auch ohne Einsicht in Belege nachzuvollziehen.

Dies dürfte nach den erneuerten Anforderungen nicht mehr gegeben sein.

Ob der BGH diese offene Auslegung der formellen Anforderungen an eine Betriebskostenabrechnung aufrechterhalten wird, bleibt insoweit fraglich, als dass dem Sinn und Zweck der Abrechnung nicht mehr gewährleistet sein dürfte.

Der BGH hat selbst den Sinn und Zweck der Abrechnung aufgeführt, indem es heißt, dass es dem Mieter typischerweise vor allem darum gehe, dass die entstandenen Kosten in übersichtlicher Weise (also getrennt nach unterschiedlichen Kostenarten) zusammengestellt sind und er darüber informiert wird, auf welche Weise (mit welchem Umlageschlüssel) der auf ihn entfallende Kostenanteil ermittelt worden ist und welche Beträge im Abrechnungsjahr auf ihn entfallen.

Mit diesen Informationen kann er überprüfen, ob die ihm in Rechnung gestellten Kosten dem Grunde nach umlagefähig sind, ob der richtige Umlageschlüssel verwendet wurde und die für die Abrechnungseinheit angesetzten Gesamtkosten der Höhe nach für ihn plausibel sind oder er Anlass sieht, die Richtigkeit der angesetzten Kosten durch eine Einsicht in die Belege zu überprüfen.

Ohne entsprechende Rechenschritte wird er jedoch nicht mehr zweifelsfrei die Plausibilität überprüfen können. Zumindest wird dafür die Einsicht in Beleg zwingend werden. Ob es dem Mieter zugemutet werden kann, selbst durch Vorlage der Beleg eigene rechnerische Nachprüfungen dahingehend durchzuführen, dass er Zwischenschritte selbst auszurechnen hat, wird direkt von dem BGH nicht beantwortet.

Eine zweifelsfreie Nachvollziehung dürfte zumindest dann nicht mehr gegeben sein, wenn Gesamtbeträge der Abrechnung des Mieters und der Abrechnung Dritter, z.B. Kostenbescheide für Müllentsorgung oder Heizkosten, nicht übereinstimmen. So war es in dem zu entscheidenden Fall, sodass diesbezüglich der Ansicht entgegenzutreten ist.

BGH, Urteil vom 20.01.2016, Az.: VIII ZR 93/15


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