Coaching-Vertrag über 60.000 EUR - Gericht stellt Sittenwidrigkeit fest

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Hochpreisverträge im Coaching-Segment gelten als High-End-Produkte und sind unter bestimmten Bedingungen legitim. Das Landgericht Stuttgart stufte jedoch einen solchen Vertrag mit einer monatlichen Zahlung von 5.000 € und einer Laufzeit von 12 Monaten als sittenwidrig ein, da er dem Coachee keinen messbaren Nutzen brachte und ihn finanziell ruinierte. Das Gericht kritisierte unter anderem den Verkauf am Telefon, manipulative Verkaufsstrategien, die Vorleistungspflicht des Coachees und eine intransparente Preisbildung. Gründe für die Sittenwidrigkeit waren kein messbarer Nutzen, ruinöser Preis, Verkauf am Telefon, manipulative Verkaufsstrategie, Vorleistungspflicht und keine nachvollziehbare Preisbildung. Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit seriöser Beratungspraktiken im Coaching und erweitert die Möglichkeiten, gegen unseriöse Hochpreis-Verträge vorzugehen. Wer unzufrieden mit seiner Leistung aus einem teuren Coaching-Vertrag ist, kann Rechtsbeistand suchen.


1. Was ist ein Hochpreis-Vertrag

Das Landgericht Stuttgart hatte über einen Vertrag zu entscheiden, den der Coachee mit einem monatlichen Betrag von 5.000 €, also 5.950,00 € zu vergüten hatte. Die Laufzeit betrug 12 Monate. Der Coachee sollte folgende Leistungen erhalten: 

  •  Zugang zu Live-Zoom-Meetings, 
  • Zugang zu einer Telegram-Gruppe mit den anderen Teilnehmern des Programms, 
  • Zugang zu einer Datenbank mit Schulungsvideos, 
  • Quartalsweise ein Zielsystem - eine Art Erfolgskontrollkonzept -, 
  • drei Tickets für das als Präsenzveranstaltung stattfindende Seminar „Vertriebsoffensive“ und 
  • 2 Tickets für Folgeseminare

Es handelte sich um ein Angebot für Unternehmer mit dem Ziel, diesen Strategien zu Umsatzsteigerungen und Verkauf näher zu bringen sowie die Netzwerkbildung mit anderen Teilnehmern zu ermöglichen. 

Ob die Leistungen diesen exorbitanten Preis rechtfertigen oder nicht, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Grundsätzlich gibt es kein Verbot, entsprechende hochpreisige Verträge an den Mann oder die Frau zu bringen. Allerdings sollte man dabei ein paar Regeln beachten bzw. sollte man manche Dinge nicht tun. 

2. Sittenwidrigkeit des Coaching-Vertrages

Im Ergebnis hat das Landgericht Stuttgart den Vertrag als sittenwidrig eingestuft und festgestellt, dass der Coachee aus dem Vertrag dem Coach keine Leistungen schuldet. 

Voranstellend ist anzumerken, dass das Landgericht Stuttgart seine Entscheidung im Rahmen einer Einzelfall-Abwägung auf verschiedene Aspekte gestützt hat. Allein würden die nachfolgenden Punkte nicht zu einer Sittenwidrigkeit führen. In der Gesamtschau allerdings sah das LG Stuttgart hier die Voraussetzungen als gegeben an. 

a) Ausgangspunkt - keine Umsatzsteigerung und finanzielle Überforderung des Coachees

Ausgangspunkt des LG Stuttgart war die Feststellung, dass das Coaching selbst beim Coachee zu keiner Umsatzsteigerung geführt hatte. Wörtlich heißt es: 

"Das „xxx“ hat keinerlei messbaren Effekt auf Umsatz oder Geschäftstätigkeit des Betriebes. Es hat keinerlei Nutzen für den Beklagten."

Die Besonderheit bestand darin, dass der Coachee bereits beim Verkaufsgespräch - was telefonisch stattfand und aufgezeichnet wurde - darauf hin gewiesen hatte, dass dieser monatliche Betrag ihn ruinieren würde. Dies hatte den Coach aber irgendwie nicht gestört. 

Ich kenne leider beides: Oft haben die Coachings keinen messbaren Erfolg und manchmal wird (leider) auch der Einwand nicht akzeptiert, dass man sich das Coaching eigentlich nicht leisten könnte. In solchen Fällen wird dann z.B. argumentiert, dass man "investieren" müsse und dann würden sich die Sales schon von selbst einstellen. 

Praxistipp: Investieren Sie 

niemals

mehr in einen Coaching-Vertrag, als es ihr Umsatz her gibt. Weisen Sie den Coach auf diesen Punkt hin. Ein guter Coach wird Ihnen immer nur ein Paket anbieten, was Sie sich auch leisten können, ohne sich selbst zu ruinieren. 

b) Die Gründe im Einzelnen

Nach den Feststellungen des Landgerichtes wusste der Coach, dass der Preis für den Vertrag den Coachee ruinieren würde. 

"Die Klägerin und ihr Abschlussvertreter (§ 166 Abs. 1 BGB) wussten, dass die Zahlung von 60.000 Euro für den Beklagten den wirtschaftlichen Ruin bedeuten würde. Das brachte sie nicht vom Vertragsschluss ab."

Ein weiterer Punkt zur Sittenwidrigkeit war der Verkauf am Telefon. Dies hielt das LG Stuttgart für problematisch, da es sich bei einem solchen Vertrag um ein sehr komplexes Produkt handelt, welches nicht einfach so am Telefon verkauft werden kann. 

"Die Klägerin wählte zum Abschluss eines äußerst komplexen Beratervertrags zum Preis von mehreren Zahntausenden Euro den Vertragsschluss am Telefon, obwohl diese Form des Vertragsschlusses spezifische technisch-strukturelle Risiken birgt und insbesondere Informationsasymetrien zu besorgen sind ......."

Da das Verkaufsgespräch aufgezeichnet worden war. ließ sich das Verkaufsgespräch nachvollziehen. Im konkreten Fall ging das Landgericht von einer manipulativen Verkaufsstrategie aus. Das Gespräch wurde so geführt, dass der Coachee im Grunde immer nur "ja" sagen musste. 

"Die Klägerin verwendete im Verkaufsgespräch eine manipulative Gesprächsstrategie in Form einer „Ja-Straße."

Der nächste Aspekt war, dass die monatlichen Raten im Vorauerbracht werden mussten, unabhängig davon, ob der Coach überhaupt geleistet hatte. 

"Die Klägerin vereinbarte mit den Beklagten einen Pauschalpreis mit Ratenzahlung, so dass ihre Vergütung unabhängig davon fällig würde, ob sie selbst auch eine Leistung erbracht hat (vgl. § 614 BGB)."

Schließlich hat das Landgericht Stuttgart in seine Wertung mit einbezogen, dass es keine nachvollziehbare Preisbildung gibt. 

"Gewichtiges Indiz für eine verwerfliche Gesinnung ist auch der nach Vertragsschluss angebotene Kulanznachlass von einem Drittel der Vertragssumme, denn er offenbart, dass der verlangte Preis in keinem Zusammenhang mit den Kosten der Klägerin steht. Der Ansatz von Preisbildungsfaktoren, von denen anzunehmen ist, dass auf ihrer Grundlage kalkulierte Preise bei wirksamem Wettbewerb auf dem Markt nicht durchgesetzt werden könnten, kann ein Indiz für einen missbräuchlich überhöhten Preis sein ....... ."

Im dortigen Fall waren diese Punkte unstreitig, da der Coach sie nicht bestritten hatte. Ungeachtet dessen lassen sich aber folgende Einzelaspekte festhalten, die in der Gesamtschau nach Auffassung des Gerichtes für eine Sittenwidrigkeit sprechen: 

  • kein messbarer Nutzen für den Coachee 
  • ruinöser Preis für den Coachee
  • Verkauf am Telefon 
  • manipulative Verkaufsstrategie
  • monatlich Vorleistungspflicht des Coachees
  • keine nachvollziehbare Preisbildung

In der Gesamtschau lassen sich sicher noch weiter Aspekte finden. Ein wesentlicher Punkt kann dabei z.B. sein, dass sich der Coach bei einem Vertrag über 24 Monate und 2.500 EUR netto monatlich in den AGB vorbehält, im Falle eines Zahlungsverzuges mit mehr als 2 Raten den gesamten Betrag fällig zu stellen. Solche Regelungen sind zwar bei Fitnessstudio-Verträgen und Unterrichtsverträgen zulässig, aber die laufen auch keine 24 Monate und kosten mehrere tausend EUR pro Monat im Voraus. 

3. Wie ist diese Urteil einzuordnen? 

Dieses Urteil darf nicht überbewertet werden. Es ist sicherlich ein Stück weit dem dortigen Vortrag geschuldet. Allerdings sind diese Aspekte - entweder einzeln oder zusammen - auch selbst schon im Zusammenhang mit Hochpreis-Verträgen vorgekommen. Daher lohnt sich eine Überprüfung der konkreten Aspekte zu dem jeweiligen Vertrag. 

Dieses Urteil erweitert den "Werkzeugkasten" im Vorgehen gegen Coaching-Verträge im Hochpreis-Segment. Grundsätzlich ist gegen diese nichts einzuwenden, aber der Coachee muss davon auch was haben. Das ist dann nicht der Fall, wenn er sich dadurch ruiniert und man ihm suggeriert, dass man selbst höhere Ausgaben als Einnahmen zu generieren, um bei sich selbst einen "Verkaufsdruck" zu erzeugen. Das hat mit seriöser Beratung jedenfalls nach meiner Einschätzung nichts zu tun. 

Wenn Sie wissen möchten, was Sie in Ihrem Vertrag tun können, wenn Sie mit der Leistung trotz einer Gegenleistung von mehreren tausend EUR im Moment unzufrieden sind, so können Sie mich gern im Rahmen einer kostenlosen Erstbewertung ansprechen. Sie können mich über das unten stehende Kontaktformular anschreiben, Sie können mich anrufen oder Sie schreiben eine mail an marc.gericke@gericke-recht.de

#Coaching #Hochpreiscoaching 

Foto(s): Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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