Wann haften Banken bei der Anlageberatung und wer trägt die Beweislast?

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1. Welche Hinweise müssen Banken Anlegern erteilen?

a) Unerfahrene Kunden

Unerfahrene Geldanleger und Geldanleger mit wenig Vermögen sind von Banken besonders intensiv über die Risiken aufzuklären. Dies gilt insbesondere, wenn der Kunde risikobehaftete Papiere erwerben möchte. Aktienkauf auf Kredit bei unerfahrenen Kunden (BGH, XI ZR 22/96).

b) Erfahrene Kunden

Erfahrene Anleger bedürfen keine ausgiebige Risikoaufklärung, es sei denn, sie wollen besonders spekulative Anlagen tätigen. Dies ist das Grundprinzip der von der Rechtsprechung geforderten  „anleger- und anlagegerechten Beratung" (BGH, XI ZR 12/93).  

2. Was passiert wenn der Kunde eine sichere Geldanlage wünscht und dann voll ausfällt?

Der BGH, XI ZR 159/99 hat entschieden, dass Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung gestellt werden können, wenn Anleger nach einer sicheren Geldanlage gefragt hatten und die Bank ihnen Fokker-Anleihen empfohlen hat. Im Einzelfall kommt es dabei auf das Wissen des Geldanlegers an.

3. Aufklärungspflichten der Banken und wozu dienen Erfassungsbögen?

Bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht  kommt eine Haftung der Bank in Betracht. Banken setzen heute Erfassungsbögen ein, in denen die Daten des Anlegers erfasst sind. Banken versuchen dadurch nachzuweisen, dass sie den Kunden über die möglichen Risiken und seinen Kenntnissen entsprechend aufgeklärt haben. Der Anleger soll diesen Bogen unterschreiben. Damit wollen Banken Schadenersatzansprüche abwehren können. Aber auch hier kommen Ansprüche in Betracht, wenn z.B. unerfahrenen Anlegern hoch spekulative Internet- oder Biotech-Werte des Neuen Marktes empfohlen wurden.

4. Beweislast

In dem zugrunde liegenden Fall nahm die Klägerin nach erheblichen Kursverlusten die beklagte Bank wegen eines angeblichen Beratungsverschuldens bei der Umschichtung eines Wertpapierdepots auf Schadensersatz in Anspruch. Sie behauptete, ein Angestellter der beklagten Bank habe ihr trotz konservativen Anlageverhaltens die Umschichtung des Depots in Anteile an hochspekulativen Multimedia-, Biotechnologie-, Software- und Internetfonds empfohlen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil die Klägerin den Beweis für eine fehlerhafte Anlageberatung nicht erbracht habe. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat die Klägerin u.a. geltend gemacht, zu ihren Gunsten griffen eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen ein, weil die beklagte Bank die Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten nicht schriftlich dokumentiert hat.

Der XI. Zivilsenat (BGH. Urteil vom 24. Januar 2006  XI ZR 320/04) hat die Revision zurückgewiesen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes trägt, auch im Bereich der Anlageberatung, derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die Beweislast. Zum Ausgleich der mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten muss die auf Schadensersatz in Anspruch genommene Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen, wie im einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Gegendarstellung nicht zutrifft.

Diese Beweislastverteilung gilt unabhängig davon, ob der Beratungs- und Aufklärungspflichtige die Erfüllung seiner Pflichten schriftlich dokumentiert hat. Eine Obliegenheit oder Pflicht zur Dokumentation besteht nicht. Sie ergibt sich weder aus dem Beratungsvertrag noch aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die in § 34 Abs. 1 WpHG aufgeführten gesetzlichen Aufzeichnungspflichten beziehen sich nur auf den Geschäftsabschluss und setzen damit erst nach der (unterlassenen) Aufklärung bzw. Beratung ein. Eine Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 2 WpHG zur Begründung weiterer Aufzeichnungspflichten ist bislang nicht erlassen worden. Auch die so genannten Wohlverhaltensregeln der §§ 31 und 32 WpHG sowie die zu ihrer Konkretisierung erlassene Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 WpHG sehen eine Aufzeichnung des Aufklärungs- bzw. Beratungsgespräches nicht vor.

5. Schlußbemerkung

Vor dem Kauf von Anlageprodukten ist eine umfassende Aufklärung durch qualifizierte Anlageberater erforderlich. Eine persönliche und vertrauensvolle Betreuung ist doch viel mehr wert als aufwendige Roadshows von fliegenden Anlageberatern. Produkte, die man nicht versteht, sollten auch nicht gekauft werden. Warum für 2 Prozent mehr Rendite- 100 Prozent mehr Risiko eingehen?

Wir stehen Ihnen für rechtliche Fragen gerne zur Verfügung.

Hermann Kulzer

Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels-und Gesellschaftsrecht, IS Bank- und Kapitalmarktrecht


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