Abgasskandal – BGH macht Weg für Schadenersatz frei

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Der Bundesgerichtshof hat den Weg für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal besonders auch im Hinblick auf Thermofenster geebnet. Wie erwartet, folgte er mit Urteilen vom 26. Juni 2023 der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der Schadenersatzansprüche auch schon dann bestehen, wenn die Autohersteller unzulässige Abschalteinrichtungen nur fahrlässig also nicht mit Vorsatz verwendet haben (Az.: VIa ZR 335/21 / VIa ZR 533/21 / VIa ZR 1031/22). Der BGH machte deutlich, dass Käufer beim Erwerb eines Fahrzeugs mit einer erteilten Typengenehmigung erwarten dürfen, dass es auch die gesetzlichen Vorschriften einhält.

„Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung muss den Autoherstellern nach den Urteilen des BGH nicht mehr nachgewiesen werden. Dadurch sind die Hürden für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal erheblich gesenkt worden“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

Denn bislang war der BGH davon ausgegangen, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal nur bestehen, wenn der Autohersteller mit Vorsatz gehandelt und die Autokäufer sittenwidrig geschädigt hat. Der EuGH hat hingegen mit Urteil vom 21. März 2023 klar gemacht, dass es auf den Vorsatz nicht ankommt und Schadenersatzansprüche schon bei Fahrlässigkeit bestehen (Az. C-100/21).

Dass sich der BGH der Rechtsprechung des EuGH anschließen wird, hatte er schon bei den Verhandlungen am 8. Mai 2023 angekündigt. Offen blieb aber vor allem die Frage, wie der Schadenersatz für die von Abgasmanipulationen betroffenen Autokäufer aussehen wird. Hier haben die Karlsruher Richter nun deutlich gemacht, dass ein Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs stets einen Schaden erlitten hat, weil eine Betriebsbeschränkung oder der Verlust der Zulassung für das Fahrzeug droht. Daher sei davon auszugehen, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zum vereinbarten Preis gekauft hätte. Somit habe er Anspruch auf einen sog. Differenzhypothesenvertrauensschadensersatz.

Rechtsanwalt Gisevius: „Im Klartext heißt das, dass der Kaufvertrag nicht rückgewickelt wird, sondern der Käufer das Auto behalten kann und dann den ,Vertrauensschaden‘ ersetzt bekommt, also die Differenz aus dem gezahlten Kaufpreis und den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs. Der Schadenersatz soll dabei mindestens 5 und höchstens 15 Prozent des gezahlten Kaufpreises ausmachen. In der Regel dürfte er mehrere tausend Euro ausmachen.“

Vor dem BGH ging es konkret um Schadenersatzansprüche bei einem

  • Mercedes C 220 d (Az.: VIa ZR 1031/22)
  • VW Passat mit Dieselmotor des Typs EA 288 (Az.: VIa ZR 335/21)
  • Audi SQ5 3.0 TDI (Az.: VIa ZR 533/21)

Der Käufer des Mercedes und des VW Passat hatten Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen, u.a. wegen eines Thermofensters bei der Abgasreinigung, geltend gemacht. Der EuGH hatte bereits deutlich gemacht, dass auch solche Thermofenster grundsätzlich zu den unzulässigen Abschalteinrichtungen zählen. Das gelte insbesondere dann, wenn sie die Abgasrückführung schon bei in Europa üblichen Temperaturen reduzieren. Folge ist, dass der Stickoxid-Ausstoß steigt.

Bei der Schadenersatzklage des Audi-Käufers war die Ausgangslage etwas anders. Er hatte den Audi SQ5 im Mai 2018 gekauft. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte für das Modell bereits im Dezember 2017 einen Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt der sog. Aufheizstrategie angeordnet.

In allen drei Fällen hatten die Gerichte die Schadenersatzklage abgewiesen. Der BGH hat die Urteile nun aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverweisen. Diese müssen nun entscheiden, ob die Autohersteller fahrlässig gehandelt und sich schadenersatzpflichtig gemacht haben.

Die Entscheidung des BGH zu Schadenersatzansprüchen wurde mit Spannung erwartet. Viele Gerichte haben auf das Urteil gewartet und tausende Klagen auf Eis gelegt. Nun dürften die Verfahren wieder aufgenommen und die Autokäufer gute Chancen auf Schadenersatz haben. „Auch wer vom Abgasskandal betroffen ist und noch nicht geklagt hat, kann seine Ansprüche jetzt geltend machen – nicht nur gegen Mercedes, VW oder Audi. Gerade die Thermofenster bei der Abgasreinigung wurden von vielen Autoherstellern verwendet“, so Rechtsanwalt Gisevius.

Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.

Mehr Informationen: https://bruellmann.de/abgasskandal




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