Abgasskandal – Chancen auf Schadenersatz nach BGH-Urteilen besser denn je

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Der Bundesgerichtshof ist im Abgasskandal erwartungsgemäß der Rechtsprechung des EuGH gefolgt und hat die Hürden für Schadenersatzansprüche mit Urteilen vom 26. Juni 2023 erheblich gesenkt (Az.: VIa ZR 335/21 / VIa ZR 533/21 / VIa ZR 1031/22). Schadenersatzansprüche bestehen demnach schon bei fahrlässigen Handeln des Autoherstellers. Das gilt auch für das von zahlreichen Autoherstellern verwendete Thermofenster bei der Abgasreinigung, das laut EuGH grundsätzlich zu den unzulässigen Abschalteinrichtungen zählt.

„Zahlreiche Dieselfahrer haben nun die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche im Abgasskandal durchzusetzen. Das gilt nicht nur bei Fahrzeugen von Mercedes oder der VW­-Konzerns, sondern auch bei Opel, BMW, Fiat und vielen anderen. Gerade Thermofenster bei der Abgasreinigung wurden von vielen Autobauern verwendet“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Kläger das Auto behalten und erhält Schadenersatz in Höhe zwischen 5 und 15 Prozent des gezahlten Kaufpreises.

Bislang war der BGH davon ausgegangen, dass Schadenersatzansprüche nicht schon dann bestehen, weil der Autohersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat. Er musste auch vorsätzlich gehandelt haben. Genau dieser Vorsatz muss nun aber nicht wieder mehr nachgewiesen werden. Der EuGH hatte schon am 21. März 2023 entschieden, dass schon Fahrlässigkeit des Autoherstellers Schadenersatzansprüche begründet (Az.: C-100/21). Dieser Rechtsprechung hat sich der BGH nun angeschlossen.

Dabei stellten die Karlsruher Richter klar, dass die Käufer beim Erwerb eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung immer auch einen Schaden erlitten haben. Denn es liege auf der Hand, dass sie ein Auto, dem wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen der Verlust der Zulassung droht, nicht zum vereinbarten Kaufpreis erworben hätten. Vielmehr dürfen sie erwarten, dass ein Fahrzeug beim Kauf auch die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt.

Bei der Berechnung des Schadenersatzes geht der BGH neue Wege: Die Höhe richte sich nach dem sog. Differenzhypothesenvertrauensschadensersatz. Gemeint ist die Differenz aus dem gezahlten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs. Dieser Schadenersatz müsse zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises liegen. Rechtsanwalt Dr. Gasser: „Je nach Fahrzeug dürfte der Schadenersatz mehrere tausend Euro betragen.“

Der BGH hatte über drei Schadenersatzklagen zu entscheiden. Eine Klage war von einem Käufer eines Mercedes 220 Diesel. Er hatte das Fahrzeug 2017 mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 gekauft. Er machte Schadenersatzansprüche geltend, weil Mercedes unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut habe, u.a. ein Thermofenster und eine sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (Az. VIa ZR 1031/22).

Im Verfahrenen zum Aktenzeichen VIa ZR 335/21 hatte der Kläger 2017 einen VW Passat als Gebrauchtwagen mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 und der Abgasnorm Euro 6 gekauft. Da in dem Motor unzulässige Abschalteinrichtungen, u.a. in Form eines Thermofensters zum Einsatz kämen, mache er Schadenersatzansprüche geltend.

Im dritten Fall hatte der Käufer eines Audi SQ5 3.0 TDI mit der Abgasnorm Euro 6 und einem 3-Liter-Dieselmotor auf Schadenersatz geklagt. Für dieses Modell hatte das Kraftfahrt-Bundesamt schon Ende 2017 einen Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt der sog. Aufheizstrategie angeordnet. Der Haken: Der Kläger hatte das Fahrzeug erst im Mai 2018 gekauft (Az. VIa ZR 533/21).

Die Schadenersatzklagen hatten bislang keine Erfolg, weil die Gerichte keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Autohersteller sehen. Der BGH hat die Urteile nun gekippt und an die zuständigen Gerichte zurückverwiesen. Diese müssen nun prüfen, ob die Autohersteller bei der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtungen zumindest fahrlässig gehandelt und sich dadurch schadenersatzpflichtig gemacht haben.

„Die Klagen haben nun gute Erfolgsaussichten. Nach den aktuellen BGH-Urteilen sind die Chancen auf Schadenersatz im Abgasskandal besser denn je“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser.

Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/abgasskandal/





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