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Abstandsflächen bei Neubau zu gering – Baugenehmigung rechtmäßig?

  • 2 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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In der heutigen Zeit ist Baugrund teuer und oftmals nicht sehr groß. Aus diesem Grund wird das Baurecht häufig bis auf den letzten Zentimeter ausgereizt. Einen solchen Fall musste jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entscheiden.

Baugenehmigung für Haus mit Garage

Ein Bauherr wollte auf einem bisher unbebauten Grundstück ein Einfamilienhaus mit Garage errichten. Für dieses Vorhaben reichte er ordnungsgemäß einen Bauantrag ein und erhielt von der zuständigen Baubehörde die Baugenehmigung für das Bauvorhaben. Mit der Baugenehmigung wurde auch ein Terrassendach genehmigt, das bis auf ungefähr 2 Meter an die Grundstückgrenze reichen sollte.

Beschwerde wegen Baugenehmigung

Wegen dieser erteilten Baugenehmigung wandte sich schließlich der Nachbar – ein Hofeigentümer – an die Baubehörde und rügte, dass durch die Erteilung der Baugenehmigung gegen die baurechtlichen Vorschriften zu Abstandsflächen verstoßen werde und dadurch nachbarrechtliche Schutzvorschriften verletzt werden. Die zuständige Baubehörde hielt die Baugenehmigung jedoch für rechtmäßig. Sie wies darauf hin, dass auf seinem eigenen Grundstück direkt an der Grenze, an der sich später einmal das Terrassendach befinden würde, ein Baumhaus stehe und zusätzlich eine Mauer, die früher einmal die Rückwand einer Stallung war. Dadurch halte er selbst die Abstandsflächen bzw. die Abstandfläche nicht ein und könne das im Gegenzug nicht von seinem neuen Nachbarn verlangen.

Beschwerde eingereicht

Damit war der Hofeigentümer aber nicht einverstanden und erhob Beschwerde, allerdings ohne Erfolg. Sowohl das Verwaltungsgericht (VG) Potsdam als auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg wiesen die Beschwerde ab.
Die Richter stellten zunächst fest, dass das Bauvorhaben des Nachbarn tatsächlich rechtswidrig sei, weil das Terrassendach näher als vom Gesetz erlaubt an die Grundstücksgrenze heranrücke. Allerdings könne sich der Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die baurechtlichen Abstandsflächenvorschriften berufen, wenn auf seinem eigenen Grundstück Bauten gegen genau diese Vorschriften verstoßen.

Nach allgemein anerkannter Rechtsprechung kann sich ein Nachbar nach Treu und Glauben gem. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegenüber einer Baugenehmigung nicht auf eine nachbarschützende Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht den Anforderungen der Abstandsvorschriften entspricht und die beiderseitigen Abweichungen gleichwertig sind. Dadurch, dass sich auf der Grenze seines Grundstücks sowohl ein Baumhaus als auch eine Mauer, die früher einmal eine Rückwand einer Stallung war, befindet, greift seine Beschwerde nicht durch. Dies gilt sogar dann, wenn die beiden Bauten nach früheren baurechtlichen Bestimmungen rechtmäßig waren. Nach den heutigen Vorschriften zu den Abstandsflächen sind sie jedenfalls rechtswidrig. Zusätzlich sind die beiden Verstöße nach Meinung der Richter gleichwertig und daher gegeneinander aufzuwiegen.

Weiterhin war für die Richter die Beschwerde des Mannes weder wegen der Beeinträchtigung brandschutzrechtlicher Vorschriften noch wegen unzumutbaren Lärms bei der Einfahrt in die Nachbargarage oder unzumutbarer Einsichtsmöglichkeiten in seine Wohn- und Schlafräume nachvollziehbar.

Folglich konnte der Mann gegen die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus mit Garage und Terrassendach seines Nachbarn nichts mehr ausrichten und muss die tatsächlichen Gegebenheiten jetzt dulden.

Fazit: Verstößt man selbst gegen nachbarrechtliche Vorschriften, so muss man sich die Verstöße zurechnen lassen und kann die Vorschriften nicht für sich selbst einfordern.

(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 08.09.2015, Az.: 2 S 25/15)

(WEI)

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