Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Angriff auf Vorgesetzte: Kündigung trotz Arbeitsunfähigkeit

  • 3 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Wer krank ist, darf nicht gekündigt werden? Ein immer noch verbreiteter Irrtum. Richtig ist, dass Arbeitsunfähigkeit allein selten als Kündigungsgrund ausreicht. Lässt sich der Arbeitnehmer aber während seiner Krankschreibung noch etwas zuschulden kommen, besteht kein besonderer Kündigungsschutz.

So kostete der tätliche Angriff auf einen Vorgesetzten einen Schichtarbeiter nun den Job. Seit rund 13 Jahren war der im Unternehmen beschäftigt. Dann traf sein Abteilungsleiter ihn zufällig an einer öffentlichen Autowaschanlage. Dort reinigte er zusammen mit seinem Vater ein Fahrzeug und soll unter anderem Fußmatten schwungvoll an einem Metallgitter ausgeklopft haben.

Dabei war er zu diesem Zeitpunkt von einem Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auch in der Vergangenheit gab es bereits erhebliche Fehlzeiten, laut Arbeitgeber unter anderem wegen einer Schultererkrankung. Der Betroffene bestreitet das und verweist im Prozess stattdessen auf psychische Ursachen.

Verdacht auf vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit?

Der Vorgesetzte machte mit seiner Handykamera an der Waschanlage zwei Fotos vom Kläger, um seine Beobachtung zu dokumentieren. Daraufhin kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, deren Einzelheiten streitig blieben. Nach den Feststellungen des Gerichtes versuchte der Vater den Abteilungsleiter am Aufheben des inzwischen am Boden liegenden Handys zu hindern, wobei ihm sein Sohn zu Hilfe kam. Ob der seinen Vorgesetzten dabei in den Schwitzkasten genommen, gewürgt und zu Boden gerissen oder nur an der Schulter gepackt und zu Boden gedrückt hatte, konnten die Richter nicht aufklären.

Letztlich wurden die Streithähne von einem Passanten getrennt, der im Anschluss auch die Polizei rief. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise auch fristgemäß. Das Arbeitsgericht hielt zumindest die ordentliche Kündigung für gerechtfertigt. Nachdem nur der Kläger gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt hatte, war die fristlose Kündigung vom Tisch. Die ordentliche Kündigung blieb aber auch nach der Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz wirksam.

Fotografieren des krankgeschriebenen Arbeitnehmers zulässig

Körperliche Gewalt gegen Kollegen oder Vorgesetzte kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, eine ordentliche Kündigung erst recht. Eine vorherige Abmahnung ist bei solchen Tätlichkeiten regelmäßig nicht erforderlich. Jedem Beschäftigten muss auch ohne Abmahnung klar sein, dass ein Arbeitgeber solches Verhalten nicht hinnehmen kann. Insoweit ist auch unerheblich, dass die Auseinandersetzung nicht im Betrieb und während der Arbeitszeit stattfand, sondern außerhalb im öffentlichen Raum.

Für das Gericht stand fest, dass der Schichtarbeiter den Abteilungsleiter jedenfalls mit seinem Körper so zu Boden gedrückt hatte, dass der schließlich hingefallen sei. Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf Notstand oder Nothilfe berufen, auch wenn er nach eigenen Angaben nur seinem Vater helfen wollte. Voraussetzung wäre ein vorheriger rechtswidriger Angriff des Vorgesetzten auf ihn oder seinen Vater gewesen. Den gab es hier nach keiner der Schilderungen. Auch einen rechtlich relevanten Irrtum des Betroffenen über eine derartige Rechtfertigung schloss das Gericht aus.

Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht unantastbar

Stattdessen war der Abteilungsleiter in dieser Situation berechtigt, Beweisfotos vom Arbeitnehmer anzufertigen. Aus seiner Sicht bestand ein begründeter Verdacht, dass der Beschäftigte seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hatte. Bezogen auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wäre das ein möglicher Betrug. Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann durchaus mittels anderer Tatsachen infrage gestellt werden.

Das Knipsen von Fotos stellt zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Der ist aber in diesem Fall wenig schwerwiegend und daher hinzunehmen. Schließlich fand das Geschehen an dem öffentlichen Ort statt und wurde von dem Vorgesetzten selbst beobachtet. Der würde insoweit auch als Zeuge zur Verfügung stehen.

Inwieweit tatsächlich Arbeitsunfähigkeit bestand oder nur vorgetäuscht war und ob das ohne die körperliche Auseinandersetzung gegebenenfalls für eine Kündigung ausgereicht hätte, musste das LAG nicht klären.

(LAG Mainz, Urteil v. 30.01.2014, Az.: 5 Sa 433/13)

(ADS)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: