Anrechnung von Steuervorteilen bei der Rückabwicklung von Kapitalanlagen

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In Schadensersatzstreitigkeiten stellt sich oft die Frage, ob und inwieweit sich der Geschädigte erlangte Steuervorteile auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss.

Das Schadensersatzrecht geht grundsätzlich davon aus, dass dem Geschädigten der erlittene Schaden ersetzt werden soll, er aber nicht besser gestellt werden kann, als er ohne das Schadensereignis stehen würde. Deshalb müssen Vorteile, die durch das Schadensereignis entstanden sind, grundsätzlich berücksichtigt werden.

Kapitalanlagen werden in aller Regel „steueroptimiert“ vertrieben. Der steuerpflichtige Anleger kann dann bei seinen Einkünften die sich daraus ergebenden Vorteile steuermindernd geltend machen, sei es als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder negative Einkünfte (sogenannte Verlustzuweisungen).

Die Haftungsschuldner argumentieren, dass der geschädigte Anleger sich diese Steuervorteile auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch bei der Rückabwicklung der Kapitalanlage anrechnen lassen muss.

Der Bundesgerichtshof (BGH) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Vorteilsanrechnung ausscheidet, wenn die entsprechende Schadensersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterliegt, es sei denn, dem Geschädigten verbleiben trotz der Versteuerung der Schadensersatzleistung noch immer außergewöhnlich hohe Steuervorteile (BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – VII ZR 215/06, MDR 2008, 1098; Urteil vom 22. April 2010 – III ZR 318/08, MDR 2010, 742; Urteil vom 15. Juli 2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205; Podewils, Zur Behandlung erzielter Steuervorteile im Rahmen der Vorteilsanrechnung, DStR 2009, 752).

In zwei aktuellen Entscheidungen vom 28. Januar 2014 (XI ZR 495/12, NJW 2014, 994) und vom 11. Februar 2014 (II ZR 276/12, DB 2014, 476) hat der BGH seine Rechtsprechung zur Anrechnung von Steuervorteilen weiter konkretisiert:

BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 (XI ZR 495/12):

Der Kläger nahm die beklagte Bank auf Rückabwicklung seiner Beteiligung an einem Filmfonds in Anspruch. Zwischen den Parteien stand nur noch im Streit, ob sich der Kläger auf den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch steuerliche Vorteile anrechnen lassen muss.

Der Kläger zeichnete am 16. Mai 2002 nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten eine Beteiligung im Nennwert von Euro 50.000 zuzüglich eines Agios in Höhe von Euro 1.500. Hiervon zahlte er entsprechend dem Fondskonzept nur 55 % der Nominaleinlage, d.h. Euro 27.500, und das Agio ein. Der Rest der Einlage sollte nach § 4 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrags „aus erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft nach näherer Bestimmung durch die Komplementärin geleistet werden, wobei sich der auf die Kommanditeinlage zu leistende Betrag nach dem jeweiligen Kommanditisten gemäß § 15 Ziffer 1 zuzuweisenden Gewinn abzüglich der hierauf entfallenden persönlichen Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag“ bestimmen sollte.

In den folgenden Jahren wurden der Einkommensbesteuerung des Klägers in Bezug auf die Beteiligung für die Jahre 2002 und 2003 anteilige Verluste in Höhe von Euro 46.005 und Euro 605 sowie für die Jahre 2004 bis 2010 anteilige Gewinne in Höhe von insgesamt Euro 20.290 zugrunde gelegt.

Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage in Höhe anzurechnender Steuervorteile von Euro 4.452,76 abgewiesen. Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgericht (OLG) aufgehoben und entschieden, dass sich der Kläger die Steuervorteile nach § 16 Absatz 4 EStG ebenfalls nicht anrechnen lassen müsse.

§ 16 Absatz 4 EStG sieht bei einer Veräußerung des Betriebs ab Erreichen einer bestimmten Altersgrenze und im Falle der Berufsunfähigkeit eine Steuervergünstigung vor. Der Freibetrag des § 16 Absatz 4 EStG bezweckt, Gewinne aus der Veräußerung kleinerer Betriebe aus sozialen Gründen steuerlich zu entlasten (BR-Drucks. 303/83, S. 25; BFH, BStBl II 1976, 360, 362; …). Diese Steuervergünstigung wird dem Steuerpflichtigen daher aus besonderen persönlichen Gründen gewährt, was dem Schädiger nicht zugutekommen kann. Zudem wird diese Steuervergünstigung dem Berechtigten nur einmalig eingeräumt. Dem Vorteil aus dem Freibetrag stünde daher der Nachteil aus dem Verlust dieser Steuervergünstigung für andere in Zukunft gegebenenfalls anfallende Veräußerungs- oder Aufgabegewinne gegenüber. Eine Obliegenheit des Geschädigten, diesen Vorteil zugunsten des Schädigers endgültig aufzugeben, besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 52 zu § 34 Absatz 3 EStG). Dagegen spricht auch die Wertung des § 249 Absatz 1 BGB. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution hat der Geschädigte Anspruch auf Herstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dem geschädigten Anleger muss daher die Möglichkeit, von § 16 Absatz 4 EStG Gebrauch zu machen, erhalten bleiben.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 (II ZR 276/12):

Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Er beteiligte sich im Jahr 1997 mit DM 100.000 DM nebst 5 % Agio über einen Treuhandkommanditisten an einem geschlossenen Immobilienfonds. Unter Berufung auf verschiedene Prospektmängel begehrt er von den Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass sich der Kläger die im Jahr 1997 erzielten Steuervorteile grundsätzlich nur hinsichtlich eines Teilbetrages von Euro 6.082,12, der auf die Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) entfalle, schadensmindernd anrechnen lassen müsse. Die Finanzverwaltung könne weder die Sonderabschreibungen nach § 4 FördG gemäß § 175 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO rückgängig machen noch die Schadensersatzleistung insoweit als Zufluss negativer Werbungskosten berücksichtigen. Das folge schon aus dem Wortlaut des § 1 Absatz 1 Satz 2 FördG, der insoweit eine Sperrwirkung entfalte. Damit müsse der Kläger die Schadensersatzleistung nicht versteuern, weshalb ihm die Steuervorteile verblieben und eine Vorteilsanrechnung deshalb vorzunehmen sei.

Dem ist der BGH nicht gefolgt:

Mit der Möglichkeit von Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, die steuerlichen Bedingungen im Beitrittsgebiet zu verbessern und eine auf die Erleichterung und Beschleunigung des dort notwendigen Anpassungsprozesses zielende Regelung zu schaffen (BFH, BFHE 197, 503, juris Rn. 12; BFHE 206, 444, juris Rn. 18). Dabei hat er, um ein einheitliches Ausüben des Wahlrechts über die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung für alle beteiligten Steuerpflichtigen auf der Ebene der Gesellschaft sicherzustellen, in § 1 Absatz 1 Satz 2 FördG bestimmt, dass die Gesellschaft bei Personengesellschaften an die Stelle des Steuerpflichtigen tritt. Insoweit entfaltet diese Bestimmung eine Sperrwirkung (BFH, BFHE 197, 503, juris Rn. 9; NV 2007, 2097, juris Rn. 13 f.). Die Sonderabschreibung kann danach dem Grunde und der Höhe nach nur einheitlich in Anspruch genommen werden. Diese Bestimmung verdrängt den § 7a Absatz 7 Satz 1 EStG, wonach erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen bei mehreren Beteiligten anteilig vorzunehmen sind, wenn die Voraussetzungen nur bei einzelnen Beteiligten erfüllt sind.

Das bedeutet aber nicht, dass auch bei einer Rückabwicklung des Gesellschaftsbeitritts in Form eines großen Schadensersatzanspruchs dem betroffenen Gesellschafter die ihm wirtschaftlich zugeflossenen Sonderabschreibungen verblieben, dass also die Ersatzleistung im Umfang der Sonderabschreibungen nicht steuerbar wäre. Auch im Rahmen des § 1 Absatz 1 Satz 2 FördG bleibt es entgegen der Auffassung der Revision dabei, dass steuerpflichtig allein die Gesellschafter sind. Auf der Ebene der Gesellschaft werden nur im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung die Einkünfte der Gesamtheit aller Gesellschafter ermittelt und den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet (§ 39 Absatz 2 Nr. 2, §§ 179 ff. AO). Bei der Rückabwicklung der Gesellschaftsbeteiligung im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs kann damit durchaus der Teil der Schadensersatzleistung, der dem zugerechneten Teil der Sonderabschreibungen entspricht, besteuert werden.

Dr. Michael Kirchhoff

Rechtsanwalt - Steuerberater

Fachanwalt für Steuerrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht


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