Anscheinsbeweis beim Auffahren auf ein in eine Grundstückseinfahrt linksabbiegendes Fahrzeug

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Der sogenannte Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) lässt bei Auffahrunfällen darauf schließen, dass der Verkehrsunfall von dem Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs verschuldet wurde. Um diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, muss der Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs einen atypischen Unfallhergang nachweisen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein PKW nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegen wollte und verkehrsbedingt bremsen musste, als ein nachfolgendes Fahrzeug auffuhr. Für den Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs gestaltete sich die Verkehrssituation auch deshalb als anspruchsvoll, weil sich der vor ihm befindliche PKW auf einem Linksabbiege-Streifen einer mehrspurigen innerstädtischen Straße befand, nur wenige Meter vor einer großen Kreuzung. Der Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs war also davon ausgegangen, dass der sich vor ihm befindliche PKW erst an der Kreuzung abbiegen werde und sich deshalb auf der Linksabbiegespur eingeordnet habe. Vor Gericht hatte der Anwalt des Halters des auffahrenden Fahrzeugs reklamiert, dass der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden hier nicht greife, weil der Führer des abbiegenden PKW wegen des Abbiegevorgangs in eine Grundstückseinfahrt eine gesteigerte Sorgfaltspflicht zu beachten hatte (die sich aus § 9 Abs. 5 StVO ergebe).

Das OLG Düsseldorf bestätigte zwar, dass den Fahrer des in eine Einfahrt abbiegenden PKW eine gesteigerte Sorgfaltspflicht treffe. Dennoch führe das nicht dazu, dass nach der Lebenserfahrung von einer Pflichtverletzung des Abbiegenden ausgegangen werden könne. Die Möglichkeiten eines Abbiegers, auf den rückwärtigen Verkehr zu reagieren, seien tatsächlich sehr begrenzt. Demgegenüber treffe den Führer des auffahrenden Fahrzeugs das Verschulden am Zustandekommen des Unfalls. Der Anscheinsbeweis spreche auch in dieser Situation gegen den Auffahrenden. Es sei nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass für den Verkehrsunfall ein zu geringer Abstand oder eine unangepasste Geschwindigkeit des auffahrenden Fahrzeugs verantwortlich gewesen sei, oder Unaufmerksamkeit des Fahrzeugführers. Selbst, wenn das vorausfahrende Fahrzeug unerwartet und stark bremsen müsse, greife der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ein (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2015, Az.: 1 U 107/14).


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