Arbeitnehmerüberwachung durch Detektiv keine Hilfe bei fristloser, verhaltensbedingter Kündigung

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Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat am 20. Juli 2016 darüber entschieden, dass die Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv unzulässig war. Die fristlose, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung war infolgedessen unwirksam. Die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers konnte trotz Überwachung durch den Detektiv nicht bewiesen werden, weil die Ergebnisse des Detektivs im Kündigungsschutzprozess nicht verwertet werden durften.

Der Ausgangsfall

Der Arbeitnehmer (Kläger) war seit 37 Jahren beim Arbeitgeber tätig. Er war bereits längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld. Dem Arbeitgeber kam zu Ohren, dass der Arbeitnehmer trotz seiner Arbeitsunfähigkeit im Betrieb des Sohnes arbeitete. Dieser hatte ein Unternehmen, welches im selben Fachbereich Leistungen anbot (Konkurrenzunternehmen). Der Arbeitgeber befürchtete wettbewerbswidrige Konkurrenztätigkeiten des Klägers und ein Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit. Er beauftragte einen Detektiv mit der Überwachung des Arbeitnehmers. Dieser erwischte den Kläger dabei, wie er trotz Arbeitsunfähigkeit im Konkurrenzunternehmen arbeitete. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt fristlos, hilfsweise ordentlich und verlangte den Ersatz der Detektiv kosten. Der Kläger gewann jedoch die Kündigungsschutzklage, weil der Arbeitgeber mit den durch den Detektiv gewonnenen Beweisen die Wirksamkeit der Kündigung nicht beweisen konnte/durfte.

Gewonnene Beweise unterliegen dem Verwertungsverbot

Das Landesarbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers/Klägers statt. Die Kündigung war unwirksam. Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber die Vertragspflichtverletzung des Klägers (Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, Arbeit im Konkurrenzunternehmen), welche die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen sollte, nicht bewiesen habe. Die Ergebnisse, die der Detektiv ermittelt hatte, verwertete das Landesarbeitsgericht nicht (es berücksichtigte sie nicht). Dies mit der Begründung, dass die Beobachtung durch den Detektiv einen rechtswidrigen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre des Arbeitsnehmers darstelle. Der Einsatz des Detektivs wäre gem. § 32 ABS 1 Satz 2 BSDG (Bundesdatenschutzgesetz) nur dann zulässig gewesen, wenn der Verdacht einer Straftat bestanden hätte.

Keine Straftat, da Krankengeldbezug

Da der Kläger bereits Krankengeld bezog, konnte ein Betrugsvorwurf ihm gegenüber nicht erhoben werden – er bezog ja keinen Arbeitslohn mehr. Selbst die Tatsache, dass er im Konkurrenzunternehmen arbeitete, rechtfertigte laut der Richter des Landesarbeitsgerichts nicht die Überwachung durch den Detektiv. Es handelte sich hierbei nach Auffassung der Richter zwar um schwere Vertragsverletzungen, nicht aber um Straftaten. Ein Detektiv dürfe den Arbeitnehmer nur beim Verdacht von Straftaten überwachen. Die durch den Detektiv gewonnen Ergebnisse konnten daher nicht zu Beweiszwecken herangezogen werden.

Wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass die Kündigung durch verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigungsgründe gerechtfertigt/wirksam ist. Wenn er diese Beweise – hier in Form der durch den Detektiv ermittelten Pflichtverletzungen –, die eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt hätten, nicht erbringen kann, ist die Kündigung unwirksam.

Fazit

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hat zur Folge, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zukünftig nur noch dann durch einen Detektiv überwachen lassen und die Ergebnisse der Überwachung zum Beweis der Wirksamkeit der Kündigung verwerten darf, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum steht. Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers genügen nicht, die Beauftragung eines Detektivs zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss sich daher gut überlegen, ob er einen Detektiv beauftragt, weil es durchaus sein kann, dass er die Ergebnisse nicht verwerten darf, somit die Kündigung mit den gewonnenen Beweisen nicht begründen kann und auch die Kosten des Detektivs selbst tragen muss.

Die Entscheidung ist allerdings nicht rechtskräftig, sie liegt dem Bundesarbeitsgericht zur Überprüfung vor. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht sich der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg anschließt.

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LAG Baden-Württemberg vom 20. Juli 2016, Az.: 4 Sa 61/15


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