Auslegung und Anfechtung einer wechselbezüglichen Schlusserbeinsetzung in Berliner Testament

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Das Oberlandesgericht Bamberg hat mit Beschluss vom 6.11.2015, Az.: 4 W 105/15 entschieden:

  1. Bei einem Berliner Testament in der typischen Konstellation, dass die Ehegatten als Schlusserben jeweils ihre gemeinsamen Kinder und zu gleichen Teilen berufen haben, ist in der Frage der Wechselbezüglichkeit der Schlusserbenbestimmungen die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB zugleich Ausdruck des Erfahrungssatzes, wonach jeder Ehegatte die gemeinsamen Kinder für den Fall seines eigenen Vorversterbens ausschließlich deshalb enterbt, weil er darauf vertraut, dass infolge der Schlusserbeneinsetzung des anderen Teils das gemeinsame Vermögen eines Tages auf die Kinder übergehen wird.
  2. Die Prüfung der auslegungserheblichen Umstände spitzt sich daher auf die Frage zu, ob sich darin – innerhalb oder außerhalb des Testaments – eine Willensbekundung der Ehegatten objektiviert hat, die trotz dieses zuverlässigen Erfahrungshintergrunds mit der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht in Einklang steht.
  3. Bei der Auslegung nachfolgender Willensbekundungen des überlebenden Ehegatten hat – gegebenenfalls – entsprechend § 157 BGB zugleich eine Beurteilung aus der objektiven Sicht (Empfängerhorizont) des anderen Ehegatten stattzufinden (vgl. BGH NJW 1993, 256). Dieser objektive Verständnishorizont des anderen Teiles wird sich bei der vorliegenden Fallgestaltung in der Regel weitgehend mit dem dargelegten Erfahrungssatz decken, auf dem die Vermutung des § BGB aufbaut.
  4. Ein (Rechtsfolgen-)Irrtum der testierenden Ehegatten über die mit dem Tod des vorversterbenden Teiles eintretende Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen stellt grundsätzlich keinen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum und somit auch keinen in der Frage der Wechselbezüglichkeit beurteilungserheblichen Umstand dar (Anschluss an OLG München NJW-RR 2011, 1020).
  5. Die Bestimmung, dass der überlebende Ehegatte „die Verfügungsgewalt über das gemeinsame Vermögen haben“ soll, genügt nicht den Anforderungen an eine sog. Freistellungsklausel.

Vorliegend musste sich das Gericht mit der Frage der Anforderungen an das sog. Berliner Testament auseinandersetzen. Die Besonderheit lag in diesem Fall darin, dass der Erblasser mehrmals Verfügungen in Form eines Testaments errichtete und diese später wiederum ergänzte.

Dies hat zur Folge, dass sich das Gericht im Erbscheinsverfahren mit der Auslegung des Testierwillens auseinanderzusetzen hat.

Die vorliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg zeigt somit eindringlich, dass neben dem Inhalt des Testaments auch die (nicht sehr hohen) Formanforderungen an ein Testament nach Maßgabe von § 2247 Abs. 1 BGB erfüllt sein müssen. Um dabei zu vermeiden, dass Gerichte sich später mit der Auslegung des Testaments befassen, ist eine Rechtsberatung bzw. die individuelle und vorausschauende Gestaltung von Nachfolgeregelungen unvermeidlich. Ihr Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist Rechtsanwalt Sebastian Obermeier


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