Ausschlussfristen-Heisse Kisten

  • 8 Minuten Lesezeit

1. Überblick

Ausschlussfristen sind Fristen, nach deren Ablauf ein nicht ausgeübtes Recht erlischt. Diese können durch Gesetz, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einen Arbeitsvertrag geregelt sein. Wie wohl kein anderes Rechtsgebiet, ist das Arbeitsrecht aus dem Interesse der  Beteiligten, möglichst rasch Rechtsklarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen zu schaffen, von einer Vielzahl von Ausschlussfristen geprägt.

a. Auf Gesetzesebene finden sich diese in vielen Vorschriften des materiellen und Prozessrechts, so z. B.:

Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 oder Abs.2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) müssen innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, soweit in einem Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist. Gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) muss eine Klage auf Entschädigung gem. § 15 Abs. 1 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

Gemäß § 111 Abs,2 S.3 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) muss Klage innerhalb von zwei Wochen nach ergangenem Spruch der Schiedsstelle Klage zum zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden, wenn für Ausbildungsverhältnisse eine Schiedsstelle nach § 111 Abs.2 ArbGG besteht, der dortige Ausschuss einen Spruch gefällt hat und dieser nicht innerhalb von zwei Wochen von beiden Parteien anerkannt worden ist.

Gemäß § 59 S.1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) ist gegen Versäumnisurteile (anders als im allgemeinen Zivilprozess) innerhalb einer Woche Einspruch einzulegen.

Gemäß der §§ 4,7,13 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) muss die Unwirksamkeit einer Kündigung innerhalb einer Frist von drei Wochen durch Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden (Ausnahme Ausbildungsverhältnisse, falls Schiedsstelle vorhanden, s. o.)

Gemäß § 17 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) muss die Unwirksamkeit einer Befristung innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags klageweise bei dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

Eine Vielzahl von Ausschlussfristen finden sich ferner im BetrVG (Betriebsverfassungs-gesetz). Die wohl wichtigste arbeitsrechtliche Ausschlussfrist aus dem BGB ist § 626 Abs. 2 BGB. Danach ist eine außerordentliche Kündigung nur wirksam, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung vom wichtigen Grund dem zu Kündigenden erklärt wird, d. h. zugeht.

b. Neben den gesetzlichen Ausschlussfristen haben Ausschlussfristen, die auf Tarifvertrag (häufig), Betriebsvereinbarung (selten) oder Einzelvertrag (häufig) beruhen, besondere Bedeutung. Wenngleich das Bestreben, in möglichst kurzer Zeit Klarheit über das Bestehen gegenseitiger Ansprüche zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrages zu erzielen, durchaus legitim ist, führen kurz bemessene Ausschlussfristen doch zu einer Anspruchseinschränkung in zeitlicher Hinsicht, die  deutlich kürzer ist als die regelmäßig im Arbeitsrecht geltende dreijährige Verjährungsfrist.

Ausschlussklauseln sind deshalb brandgefährlich und können, falls nicht beachtet, aber inhaltlich wirksam, zu bösen Überraschungen im Prozess führen. Dies insbesondere auch deshalb, weil sie  vom Gericht „von Amts wegen" zu beachten sind, also ohne ausdrückliche Berufung darauf Wirkung entfalten. Ebenso kommt es auf nicht auf deren Kenntnis an.

Man unterscheidet hierbei „einstufige Ausschlussfristen" und „zweistufige Ausschlussfristen". Im Falle der zweistufigen Ausschlussfrist kommt zu der ersten Stufe der zumeist schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs innerhalb einer bestimmten Frist noch die Verpflichtung der Klageerhebung nach Ablehnung bzw. Ablauf einer bestimmten Frist nach Geltendmachung hinzu.

Tarifvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen haben Bedeutung nicht nur unmittelbar zwischen den Tarifvertragsparteien, sondern finden Eingang über eine Allgemeinverbindlich-Erklärung bzw. einzelvertraglich vereinbarte Einbeziehung bzw. Bezugnahme in die Einzelarbeitsverhältnisse.

Zur Verdeutlichung: § 22 RTV Gebäudereinigung (ab 01. Januar 2012); kurze zweistufige Ausschlussfrist eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages:

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt eine Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach Beendigung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Ausschlussfristen sind grundsätzlich auch in Betriebsvereinbarungen denkbar, jedoch selten, da eine Betriebsvereinbarung den Tarifvorrang nach § 77 Abs.3 BetrVG beachten muss, sodass sich Ausschlussfristen in einer Betriebsvereinbarung nicht auf tarifliche Ansprüche erstrecken dürfen und deshalb wenig Regelungszuständig verbleibt.

Dem gegenüber ist die Vereinbarung von Ausschlussfristen in einem Arbeitsvertrag weit verbreitet. Häufig wird generell auf einen Tarifvertrag und damit auch auf dessen Ausschlussfristen Bezug genommen, was für durchaus zulässig erachtet wird. 

2. Die Wirksamkeit einer Ausschlussfrist

a. Tarifvertragliche Ausschlussfristen

Tarifvertragliche Ausschlussfristen sind, von wenigen krassen Fällen abgesehen (z. B. Verstoß gegen Art 3 Abs.1 GG, § 134 BGB) in der Regel wirksam. Sie sind gemäß § 310 Abs.4 S.1 BGB jeglicher AGB-Kontrolle gem. der §§ 305 ff. BGB entzogen. Eine Ausschlussfrist von 2 Monaten ab Fälligkeit wird für noch wirksam gehalten (BAG, Urteil vom 22.09.1999, 10 AZR 839/98).

b. Einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen sind grundsätzlich zulässig, unterliegen aber, sofern vorformuliert, der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB. Hierzu hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, die sich an den AGB-Leitlinien (z.B. Transparenzgebot, unangemessene Benachteiligung etc.) orientiert. Klar zu stellen ist, dass die generelle Bezugnahme auf tarifvertragliche Ausschlussfristen nicht zu einer AGB-Kontrolle der tarifvertraglichen Regelungen führt (s.o.).

Bisher strittig war, ob bei einer vorformulierten zweistufige tarifvertragliche Ausschlussfrist im Einzelarbeitsvertrag die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zur Einhaltung der Ausschlussfrist(en) reicht, oder ob hierzu eine gesonderte Klageerhebung (Zahlungsklage) erforderlich ist. Die bisherige Rechtsprechung des BAG ging davon aus, dass die zweite Stufe der Ausschlussfrist für Zahlungsansprüche nicht gewahrt wird, wenn der Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses lediglich Kündigungsschutzklage erhebt. (BAG, Urteil vom 22.02.1978; 5 AZR 805/76). Mit Urteil vom 19.03.2008 ist das BAG von dieser bisherigen Rechtsprechung abgerückt und hat nun gegenteilig entschieden (BAG Urteil vom 19.03,2009, 5 AZR 429/07). Dieser Änderung der Rechtsprechung kommt eine erhebliche Bedeutung zu, wie nachfolgender Rechtsfall, der dieser Entscheidung nachgebildet ist, veranschaulicht.

3. Der Rechtsfall

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche. Der Kläger war seit 1992 bei der Beklagten, einer Bank, als Filialleiter beschäftigt. § 15 des Vertrages lautet:

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen."

Nachdem dem Kläger mit Schreiben vom 30.06.2004 gekündigt worden war, erhob dieser innerhalb der drei-Wochen-Frist eine Kündigungsschutzklage. Diese war letztlich erfolgreich, das Arbeitsverhältnis bestand   also zwischen den Parteien fort, aber erst im Oktober 2005 erhob der Kläger zusätzlich noch eine Zahlungsklage, mit welcher er die zwischenzeitlich angefallenen Lohnansprüche verfolgte. Die Beklagte wandte hiergegen ein, dass der Kläger die Monatsvergütungen nicht rechtzeitig außergerichtlich geltend gemacht, vor allem nicht rechtzeitig Zahlungsklage bei Gericht eingereicht habe. Daher seien diese Vergütungsansprüche bereits verfallen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung hätte die Beklagte Recht bekommen. Mit Urteil vom 19.03.2008 (5 AZR 429/07; Sachverhalt und Entscheidungsgründe hier stark abgekürzt) stellte das BAG aber unter Bezugnahme auf die üblichen Formulierungen von Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen fest, dass diese von einem nicht rechtskundigen Durchschnittsarbeitnehmer nicht so verstanden werden könnten, dass nur die Erhebung einer bezifferten Zahlungsklage dem Erfordernis der zweiten Stufe der Ausschlussklausel genüge.

Nach geänderter Rechtsprechung des BAG darf die Formulierung in der Ausschlussklausel nun so verstanden werden, dass bereits jede gerichtliche Auseinandersetzung über die Ansprüche ausreichend ist, mithin auch die Erhebung einer reinen Kündigungsschutzklage. Möchte dagegen der Arbeitgeber als Verwender von vorformulierten Arbeitsverträgen erreichen, dass der Arbeitnehmer bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Kündigungsschutzverfahrens, d. h. in Unkenntnis von dessen Ergebnis und unter Inkaufnahme eines weiteren Kostenrisikos, binnen bestimmter Fristen eine bezifferte Zahlungsklage erheben soll, so müsse er dies nach § 307 Abs.1 S.2 BGB im Arbeitsvertrag klar zum Ausdruck bringen.

4. Anmerkung

Wichtig ist zunächst, darauf hinzuweisen, dass die in der oben genannten Entscheidung benannten Grundsätze nur für Ausschlussfristen in vorformulierten Arbeitsverträgen gelten. Dreh- und Angelpunkt ist dabei, dass die se Ausschlussfristen als Allgemeine Geschäftsbedingungen gewertet und somit den Überprüfungskriterien der §§ 305 ff. BGB unterzogen werden können. Der Arbeitgeber kann also die ansonsten zu seinen Lasten gehenden Unklarheiten dadurch beseitigen, dass er durch expliziten Hinweis im Arbeitsvertrag verlangt, parallel zum Kündigungsschutzprozess auch die fälligen Monatsvergütungen etc. innerhalb bestimmter Fristen außergerichtlich geltend zu machen und ggfs. einzuklagen.

Ausgehend von den bislang üblichen Formulierungen von Ausschlussfristen ist dieses Urteil dennoch zu begrüßen, da es letztlich - jedenfalls in dem nun geregelten Bereich - die Erhebung einer Zahlungsklage zusätzlich zur Kündigungsschutzklage nur aus Gründen der Fristwahrung entbehrlich macht.

Tarifliche Ausschlussfristen fallen erkennbar nicht unter diese Entscheidung.

Nicht beantwortet bleibt deshalb auch die Frage, ob durch eine ausdrückliche Bezugnahme in den Einzelarbeitsvertrag einbezogene tarifliche Ausschlussfristen generell jeder Überprüfung nach AGB-Gesichtspunkten entzogen sind (arg. e § 310 Abs.4 S.1 BGB). Jedenfalls soweit lediglich auf einzelne tarifvertragliche Klauseln verwiesen wird, unterliegen diese der vollen Kontrolle gem. §§ 305 ff BGB, da dann eben keine Vermutung der Richtigkeit des Tarifvertrages als Ganzes greift.

5. Praxistipp

Die obige Darstellung verdeutlicht, dass Ausschlussfristen in der Tat brandgefährlich sind.

Die größte Gefahr liegt darin, dass dem Arbeitnehmer nicht bewusst ist, dass Ausschlussklauseln überhaupt vereinbart oder in sonstiger Weise Vertragsinhalt geworden sind.

Es sollte deshalb zunächst der Einzelarbeitsvertrag darauf überprüft werden, ob Ausschlussfristen vereinbart oder formularmäßig vorgegeben sind oder durch Bezugnahme auf einschlägige Tarifverträge oder einzelne tarifvertragliche Regelungen möglicherweise Wirkung entfalten können. Weiter wird zu überprüfen sein, ob der Arbeitnehmer aufgrund einer Tarifbindung automatisch einer im Tarifvertrag enthaltenen Ausschlussfrist unterfällt oder aber eine Geltung durch Allgemeinverbindlicherklärung geschaffen worden ist.

Hilfreich ist es sicherlich, den eigenen Rechtsstandpunkt durch gezielte Anfragen (außer bei fachlich versierten Anwälten) bei seinem Betriebsrat, der Personalabteilung oder den örtlichen Gewerkschaftsvertretern zu überprüfen. Ebenfalls verfügen die Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern über hochkarätiges Fachpersonal, das bei sich anbahnenden Problemen die richtige Vorgehensweise aufzeigen kann.

Letztlich: Im eigenen Interesse sollte der Arbeitnehmer in Zweifelsfällen dringend davon absehen, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder sonstige Anforderung unbesehen eine sog. Ausgleichquittung zu unterzeichnen. Diese beinhaltet nach gängiger Rechtsprechung ein sog. „negatives Schuldanerkenntnis" und wirkt im Zweifel anspruchsvernichtend, und zwar unabhängig von der Frage der (Un-)Wirksamkeit eventueller Ausschlussfristen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dieter Schmidt

Beiträge zum Thema