Baurecht - Praktische Fälle!

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Das Leben schreibt die besten Fälle.

Im 1. Fall gibt es die interessante Konstellation aus Ausführungsmangel und falschem Verarbeitungshinweis des Baustoffhändlers. Dies hat der BGH mit Urteil vom 20. Februar 2013 entschieden. Hierbei ging es darum, dass ein Auftragnehmer mit der Erstellung eines Fliesenbodens beauftragt war. Der Auftragnehmer beauftragte wiederum einen Nachunternehmer mit den Verlegearbeiten. Der Nachunternehmer hat den Auftrag nicht überlebt und Insolvenz angemeldet. Das Fugenmaterial kauft der Auftragnehmer selbst und stellt es dem Nachunternehmer für die Verfugung zur Verfügung. Ein Mitarbeiter des Baustoffhändlers des Fugenmaterials weist den Nachunternehmer auf der Baustelle in die Verarbeitung des Fugenmaterials ein. Insgesamt wird eine Fläche von 2.200 qm mit dem Fugenmaterial hergestellt. Einige Monate später zeigt sich, dass die Fugen mangelhaft sind, was der Auftraggeber rügt. Der Auftragnehmer macht Schadenersatzansprüche gegenüber dem Baustoffhändler geltend. Es kommt zu einem Rechtstreit, in dem der gerichtlich bestellte Sachverständige feststellt, dass die Fliesenfläche aus zwei Gründen vollständig erneuert werden muss: Zum einen sind die Fugen mangelhaft, weil der Mitarbeiter des Baustoffhändlers falsche Hinweise für die Verarbeitung gegeben hat. Darüber hinaus sind die Fliesen mit zahlreichen Hohlstellen verlegt, weshalb eine Erneuerung des Fliesenbodens auch unabhängig von der Verfugung erforderlich ist. Der BGH kommt zu dem Schluss, dass eine Haftung des Baustoffhändlers grundsätzlich bejaht wird. Der Baustoffhändler müsste für die Kosten der Neuverlegung wegen seiner fehlerhaften Hinweise bei der Verfugung einstehen, auch wenn die Fliesen ohnehin wegen der zuvor erfolgten fehlerhaften Verlegung neu hätten verlegt werden müssen. Da ein Fall der Doppelkausalität vorliege, hafte sowohl der mit der Verlegung der Fliesen betraute Nachunternehmer als auch der Baustoffhändler des Fugenmaterials. Jedoch gibt es hierbei eine Einschränkung, dass der Auftragnehmer nicht in voller Höhe Ersatz vom Baustoffhändler verlangen kann. Da eine der beiden Ursachen für die Sanierungskosten vom Nachunternehmer gesetzt worden seien und damit im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers falle, ist dem Auftragnehmer ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzurechnen. Das heißt, dass die gesamten Kosten der Neuverlegung von dem Baustoffhändler abzüglich des Mitverursachungsanteils des Auftragnehmers zu erstatten sind. Gut ist in diesem Zusammenhang, dass der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dass die Beweislast für die Mitursächlichkeit von Umständen aus dem Verantwortungsbereich des Geschädigten (Auftragnehmer) der Schädiger (Baustoffhändler) trage, weshalb es der Baustoffhändler zu beweisen hat, ob und in wie weit die dem Auftragnehmer zuzurechnende Verlegung der Fliesen fehlerhaft gewesen sei. Für diesen Fall muss man sich merken, dass im Fall der Doppelkausalität weder der Fliesenleger noch der Baustoffhändler für den gesamten Schaden haften, sondern vielmehr die Verursachungsanteile gegeneinander abzuwägen sind. Dies gilt natürlich nur im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis zum Bauherrn haftet der Auftragnehmer allein dem Bauherrn gegenüber. Der Auftragnehmer muss dann seine Rechte wahrnehmen und seine Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis wie hier gegenüber dem Baustoffhändler geltend machen.

Der 2. Fall beschäftigt sich mit der verbotenen Eigemacht. Hierbei geht es um den Abtransport von Baumaterialien gegen den Willen des Auftraggebers. Es fragt sich, ob dies möglich ist. Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 20. März 2017 im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens geurteilt, dass der Auftragnehmer gegen den Willen des Auftraggebers noch nicht verbaute Baumaterialien nicht von der Baustelle abziehen darf. Auf der Baustelle gibt es immer wieder Unstimmigkeiten über Art und Umfang der geschuldeten Leistungen sowie der Höhe der offenen Vergütung. Der Auftraggeber verweigert die Zahlung mit der Begründung, dass zum Teil falsche Materialien geliefert bzw. die erbrachten Leistungen mangelhaft ausgeführt worden sein. Der Auftragnehmer geht hin und transportiert darauf die noch nicht verbauten Materialien von der Baustelle ab. Der Auftraggeber verlangt die Rückgabe der entwendeten Baumaterialien. Der Auftraggeber leitet ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Landgericht ein. Das Landgericht meint, dass gemäß § 858 Abs. 1 BGB die Rechte des Besitzers unabhängig von den Eigentumsverhältnissen vollumfänglich geschützt sind und begründet dies damit, dass sich der Auftraggeber auf den Schutz dieser Vorschriften berufen kann, da dieser die tatsächliche Gewalt über die überlassenen Baumaterialien ausübe. Die Rechtslage ist aufgrund der Vorschrift eindeutig. Gleiches gilt auch für den praxisrelevanten Fall des eigenmächtigen Abbaus von Baugerüsten. Hier kommt es auch immer wieder zu Streitereien mit dem Gerüstbauer, da vielfach der Gerüstbauer nicht bezahlt wird, und der Gerüstbauer dann einfach das Baugerüst abgebaut, was eine verständliche Reaktion auf die Nichtzahlung ist. Jedoch schuldet der Gerüstbauer die Vorhaltung des Baugerüsts so lange, wie es für die Ausführung benötigt wird. Dies hat der BGH mit Urteil vom 11. April 2013 entschieden. Selbst wenn eine konkrete Vorhaltezeit vereinbart und diese abgelaufen ist, steht dem Auftraggeber ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Wiedereinräumung zu, soweit der Gerüstbauer angedroht hat, die Baugerüste abzubauen bzw. diese bereits gegen den Willen des Auftraggebers abgebaut hat. Dies hat wiederum das LG Frankfurt mit Beschluss vom 05.03.2010 als auch mit Beschluss vom 19.04.2010 entschieden. Deshalb stellt es sich als rechtlich heikel dar, die Baumaterialien von der Baustelle zu entfernen, obwohl diese Vorgehensweise durch den Auftragnehmer verständlich ist.

Der 3. Fall beschäftigt sich mit der Zahlungsregulierung durch eine Versicherung. Hier ging es darum, dass ein Installateur einen Schlussrechnungsbetrag von 20.000,00 € fordert. Der Bauherr verweigert diese Zahlung jedoch wegen eines von dem Installateur verursachten Parkettschadens, da bei der Demontage eines alten Heizkörpers Wasser ausgelaufen ist und zu Verwerfungen des Parketts geführt hat, dessen Beseitigung nach dem Gutachten 9.000,00 € kostet. Die Haftpflichtversicherung des Installateurs hat einen Vorschuss zur beliebigen Verwendung von 4.000,00 € geleistet. Im Werklohnprozess bestreitet der Installateur seine Verantwortlichkeit für den Parkettschaden. Der Bauherr meint, durch die Teilzahlung der Versicherung liege ein Anerkenntnis hinsichtlich des Parkettschadens vor. Das OLG Jena hat mit Urteil vom 30. März 2005 entschieden, dass das Landgericht seinerzeit durch Beweiserhebung über den Gegenanspruch richtig gehandelt hat und da die Schadensverantwortlichkeit nicht eindeutig für den Wasserschaden aufgeklärt werden konnte, den Aufrechnungseinwand des Bauherrn zurückgewiesen hat.

Das OLG Jena hat entschieden, dass Regulierungserklärungen von Versicherungen lediglich eine tatsächliche Auskunft über deren Zahlungsbereitschaft darstellen und nicht ein Angebot auf einen Schuldanerkenntnisvertrag. Ein weitergehender Erklärungsinhalt enthält auch nicht die Zahlung eines Vorschusses zur beliebigen Verrechnung. Richtig ist das Urteil, da in einer Vorschusszahlung in aller Regel kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis liegt. Fraglich ist auch, ob der Auftraggeber aufgrund dieses Beweisergebnisses den Vorschuss behalten kann. Es könnte sein, dass die Haftpflichtversicherung des Installateurs auf ihn zukommt und die Vorschusszahlung zurückverlangt. Mithin droht dem Bauherrn ein weiterer Prozess.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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