Behandlung durch stellvertretenden Oberarzt wegen fehlender Einwilligung ist rechtswidrig!

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Der Fall

Mit Urteil vom 19.07.2016 (VI ZR 75/15) hat der BGH einen weiteren, erheblich haftungsverschärfenden Grundsatz zu Lasten der Ärzteschaft aufgestellt. In dem zu entscheidenden Fall ging es um eine Handoperation, die der Kläger in der Klinik der Beklagten durchführen ließ. Er hatte eine Wahlleistungsvereinbarung mit dem Chefarzt der Beklagten vereinbart, wonach er allein in eine Behandlung durch diesen persönlich eingewilligt hatte. Die Operation wurde zwar medizinisch fehlerfrei, jedoch nicht vereinbarungsgemäß durch den Chefarzt persönlich, sondern durch dessen stellvertretenden Oberarzt durchgeführt. Der Kläger begehrte nun Schadenersatz und Schmerzensgeld für erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen an seiner Hand die trotz der fachlich einwandfrei durchgeführten Operation aufgetreten waren und berief sich hierbei auf seine hinsichtlich der Behandlung durch den Oberarzt nicht erteilte Einwilligung.

Die Rolle der Einwilligung im Arzthaftungsrecht

Grundsätzlich stellt jede Operation eine Körperverletzung im Sinne des § 223 Strafgesetzbuches dar, da jeder Eingriff die Unversehrtheit des Körpers beeinträchtigt. Der Arzt bleibt nur straffrei, wenn er eine nach § 630d BGB wirksame Einwilligung des Patienten einholt.

Hintergrund sind die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Patienten auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie auf Selbstbestimmung als Ausfluss des Rechts auf Menschenwürde (Art. 1 GG). Die Entscheidungsfreiheit des Patienten über Eingriffe an seinem Körper steht damit an höchster Stelle. Der Arzt darf folglich ausschließlich innerhalb der Grenzen der Einwilligung des Patienten behandeln. Dies entspricht bereits seit 1894 der Rechtsprechungstradition des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs.

Grundsatz Wahlleistungsvereinbarungen

Will ein Patient aufgrund der besonderen Kompetenz eines Arztes seine Heilungschancen verbessern, kann er durch einen sogenannten Arztzusatzvertrag zusätzlich zu dem normalen Krankenhausaufnahmevertrag eine Vereinbarung mit dem Chefarzt über eine konkrete Behandlung abschließen. Hierdurch verpflichtet sich der Arzt regelmäßig zur persönlichen Durchführung der Behandlung und haftet auch für Behandlungsfehler. Der Patient verpflichtet sich zur Zahlung eines zusätzlichen Honorars.

Bisherige Rechtslage

Bisher war nach der ständigen Rechtsprechung eine Vertretung im Einzelfall und je nach Ausgestaltung der Wahlleistungsvereinbarungen möglich, wenn diese ungeplant notwendig wurde und zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung noch nicht absehbar war weil der Arzt beispielweise selbst erkrankte. Die Vertretungsregelung ist allerdings unzulässig, wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung einer Wahlleistung bereits feststeht, dass der ausgewählte Arzt, beispielsweise wegen eines Urlaubs, die Behandlung nicht persönlich durchführen kann.

Eine Haftung des Arztes beziehungsweise des Krankenhausträgers war im Grundsatz bisher nur angenommen worden, wenn dem Patienten bei mangelhafter Einwilligung in die Behandlung auch ein Gesundheitsschaden aufgrund eines Behandlungsfehlers entstanden ist. Eine fehlerfrei durchgeführte Behandlung löste trotz unwirksamer Einwilligung regelmäßig keinen Schadenersatzanspruch aus (vgl. Martis/Winkhart, Fallgruppenkommentar Arzthaftungsrecht, 4. Auflage 2014, Rz A 1884 ff.).

Aktuelles BGH – Urteil

Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass aufgrund der lediglich im Hinblick auf die Chefarztbehandlung wirksam erteilten Einwilligung des Klägers, die Behandlung durch den vertretenden Oberarzt rechtswidrig gewesen sei. Der BGH führt aus, dass bereits der Eingriff an sich zu einer Verletzung der körperlichen Integrität des Klägers geführt habe und ein zusätzlicher, auf die Behandlung zurückzuführender, Schaden des Klägers für eine Haftung des Arztes nicht notwendig sei. Es spielt nach höchstrichterlicher Auffassung auch keine Rolle, dass sich bei einer Chefarztbehandlung möglicherweise ebenfalls die eingriffsspezifischen Risiken hätten verwirklichen und zu dem Gesundheitsschaden des Klägers führen können. Allein die unwirksame Eingriffseinwilligung ist entscheidend und löst einen Schadenersatzanspruch bei dem Kläger aus.

Fazit

Der ärztliche Heileingriff ist und bleibt eine Körperverletzung wenn er ohne die Einwilligung des Patienten durchgeführt wird. Selbst wenn Ihre Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst unter Einhaltung des medizinischen Standards fehlerfrei erfolgt ist, kommt ein Schadenersatzanspruch für schicksalhaft eingetretene Schäden in Betracht, wenn Sie von einem anderen als dem vereinbarten Arzt behandelt wurden.

Sollten Sie dies im Zusammenhang mit Ihrer Behandlung vermuten, ist eine Beratung bei einem spezialisierten Patientenanwalt unumgänglich. Dieser wird Sie in Ihrem individuellen Fall beraten und Sie bei der Durchsetzung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen unterstützen.

Anne Schunack, Dipl. Wirtschaftsjuristin (FH)

Tätigkeitsschwerpunkt: Medizin- & Arzthaftungsrecht


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