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Behandlungsfehler: Welche Patientenrechte gibt es?

  • 9 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Als medizinischer Laie kann man sich nur auf die Fähigkeiten seines Arztes verlassen. Er soll nicht nur die richtige Diagnose stellen und dann über verschiedene Heilungsmöglichkeiten aufklären. Wichtig ist auch, dass die festgestellte Krankheit ordnungsgemäß therapiert wird. Die Behandlung kann jedoch auch negative Folgen nach sich ziehen, weshalb der Arzt grundsätzlich über sämtliche Risiken und Nebenwirkungen aufklären muss. Da aber selbst „Halbgötter in Weiß“ nicht konstant fehlerfrei handeln, kommt es immer wieder zu sogenannten Arzthaftungsprozessen. Denn vor allem im medizinischen Bereich kann bereits kurzzeitige Unaufmerksamkeit schnell zu großem Schaden führen. Der Patient steht dann häufig vor dem Problem, den Fehler des Arztes nachweisen zu müssen.

[image]Der Arztvertrag

Können Sie sich daran erinnern, vor der Behandlung schon einmal einen Vertrag mit Ihrem Hausarzt geschlossen zu haben? Wenn Sie diese Frage mit Nein beantworten, stehen Sie damit bestimmt nicht allein da. Dennoch kommt ein Vertrag bereits zustande, wenn der Patient die Praxis aufsucht, dem Arzt seine Probleme schildert und dieser mit der Behandlung beginnt. Wie auch in anderen Rechtsgebieten setzt das Medizinrecht keinen schriftlichen Vertrag voraus. Zu beachten ist jedoch, dass ein Arzt keinen Erfolg, also keine Heilung schuldet, sondern nur eine fachkundige Bemühung um Heilung des Patienten oder wenigstens Besserung. Damit ist die Vereinbarung zwischen dem Doktor und dem Kranken in aller Regel als Dienstvertrag nach § 611 BGB zu werten. Als Ausnahme ist beispielsweise die Schönheitsoperation anzuführen, da es dem Patienten hier gerade auf den Erfolg, nämlich die körperliche Veränderung, ankommt. In diesem Fall ist zwischen den Parteien ein Werkvertrag nach § 631 BGB zustande gekommen.

Es existiert jedoch kein einheitliches Gesetz, das die ärztliche Tätigkeit genau festlegt. Es gibt nur vereinzelte Normen in verschiedenen Gesetzen (z. B. StGB, BGB, SGB V), die die Problematik des ärztlichen Handelns anreißen, ohne es ausreichend zu regeln. Die folgenden Rechtsgrundsätze wurden daher hauptsächlich von Richtern entwickelt.

Der Arzt kann in vielen Bereichen Fehler begehen

Auch der Halbgott in Weiß kann keine Wunder vollbringen. Da er aber eine große Verantwortung trägt, treffen ihn eine Vielzahl von Pflichten. Erfüllt er sie nicht, kann er sich sowohl strafbar als auch schadensersatzpflichtig machen.

Behandlungsfehler

Der Arzt schuldet nur eine Behandlung, die am Kenntnisstand der aktuellen ärztlichen Wissenschaft gemessen werden kann. Maßgeblich ist also die Kenntnis, die ein Arzt des jeweiligen Fachgebiets objektiv haben muss. Anderes gilt nur dann, wenn der Arzt wegen seiner besonderen Fachkenntnisse aufgesucht wurde. Hier trifft ihn die Pflicht, diese Kenntnisse zum Wohl seines Patienten auch einzusetzen. Hat der Arzt gegen seine Leistungspflicht verstoßen, kann der Patient Schadensersatz verlangen, sofern tatsächlich ein Behandlungsfehler festgestellt wird. Ein solcher liegt vor, wenn die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nicht oder nicht korrekt durchgeführt wurden. Damit sind negative Folgen ausgenommen, die trotz Einhaltung aller Vorschriften und Pflichten eingetreten sind. Denn der Arzt muss nur für seine Fehler aufkommen und nicht für verwirklichte Risiken der Behandlung nach erfolgter Aufklärung oder für ein Fehlverhalten des Patienten.

So wurde der Schadensersatzanspruch einer Frau verneint, der eine Brust wegen eines bösartigen Tumors entfernt werden musste. Während einer Untersuchung wurde ein Knoten in der Brust gefunden. Dieser konnte auch bei genauerer Prüfung nicht als Tumor identifiziert werden. Nach Aussage des Arztes könne aber bei einer erneuten Untersuchung nach vier Wochen mit einer Klärung des Befunds gerechnet werden; die Patientin kam aber erst nach 14 Monaten wieder. Daher wurde der Tumor zu spät erkannt, sodass die Frau von einem Behandlungsfehler ausging. Nach Ansicht des Gerichts habe der Arzt aber deutlich gemacht, dass die Patientin nach circa vier Wochen erneut untersucht werden müsse, da eine eindeutige Diagnose zuvor nicht möglich gewesen sei. Den Arzt habe keine Pflicht getroffen, die Frau daran noch einmal zu erinnern. Damit liege kein Behandlungsfehler, sondern vielmehr ein Fehlverhalten der Patientin vor (OLG Koblenz, Urteil v. 24.06.2010, Az.: 5 U 186/10).

Aufklärungsversäumnis

Die Aufklärungspflicht ergibt sich aus dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung. Er kann nur dann entscheiden, ob der Eingriff an seinem Körper durchgeführt werden soll, wenn er die Diagnose und alle Heilmöglichkeiten sowie die Risiken dieser Maßnahmen kennt. Er kann dann selbst abwägen, ob er die vom Arzt vorgeschlagene Therapie durchführen möchte, und notfalls Fragen dazu stellen. Je schwerwiegender und spezieller also die Krankheit ist und ein Eingriff daher notwendig wird, umso ausführlicher muss aufgeklärt werden. Des Weiteren kann der Patient nur in den Eingriff einwilligen, wenn er weiß, worin er überhaupt einwilligt. Solange diese Erklärung nicht abgegeben wurde, stellt der ärztliche Heileingriff zumindest eine einfache Körperverletzung nach § 223 StGB dar. Die Einwilligung kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend (z. B. wenn der Patient zum vereinbarten Termin erscheint) erklärt werden. Wurde die Einwilligung zwar abgegeben, der Patient aber nicht aufgeklärt, ist sie unwirksam, was wieder die Strafbarkeit des Arztes zur Folge hat.

Das OLG Koblenz entschied diesbezüglich, dass auch über seltene Risiken aufgeklärt werden müsse, wenn sie für den Eingriff typisch sind und die Verwirklichung eines solchen Risikos den Patienten schwer belasten würde. Der Arzt müsse ehrlich zu seinem Patienten sein und dürfe die Sachlage nicht verharmlosen (OLG Koblenz, Beschluss v. 12.01.2010, Az.: 5 U 967/09). Andererseits kann ein Arzt nur dann über Risiken aufklären, wenn sie ihm selbst bekannt sind und auch bekannt sein müssen. Betreffe das Risiko ein medizinisches Fachgebiet, auf das der behandelnde Arzt nicht spezialisiert ist, könne ihm kein schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden. Damit entfalle eine Haftung des Arztes (BGH, Urteil v. 19.10.2010, Az.: VI ZR 241/09).

Über bekannte Risiken wie Wundinfektion muss nicht aufgeklärt werden. Außerdem kann eine Aufklärung unterbleiben, wenn der gleiche Eingriff schon einmal durchgeführt wurde und der Patient beim ersten Mal bereits ausreichend aufgeklärt worden ist.

Dokumentationsfehler

Der Arzt muss die gesamte Behandlung in einer Krankenakte dokumentieren und sicher verwahren. Bei einem Arztwechsel ist damit die Fortsetzung der Behandlung ohne zeitliche Verzögerung möglich, weil der Nachfolger die Krankengeschichte problemlos anhand der Akte überprüfen kann. Sie dient aber auch als Beweismittel für die von ihm geplanten und/oder durchgeführten Maßnahmen. Verklagt der Patient den Arzt, kann der tatsächliche Therapieverlauf nachgewiesen werden. Führt der Arzt keine Krankenakte oder enthält sie nur unzureichende Angaben, führt das nicht zwangsläufig zu einem Schadensersatzanspruch. Im Falle eines Arzthaftungsprozesses verliert die unvollständige Akte jedoch ihre Beweiskraft, sodass nun der Arzt beweisen muss, keinen Behandlungsfehler begangen zu haben.

Sonstiges

Den Arzt treffen noch zahlreiche andere Pflichten, von denen die Schweigepflicht des Arztes besonders zu nennen ist. Um das Vertrauen des Patienten zum Arzt zu schützen, darf er keine Informationen, die ihm im Rahmen der Behandlung bekannt geworden sind, weitergeben. Verstößt er gegen diese Pflicht, kann er sich nach § 823 II BGB i.V.m. § 203 I Nr. 1 StGB schadensersatzpflichtig machen. Eine Ausnahme davon ist nur zu machen, wenn der Patient ihn von seiner Schweigepflicht entbunden hat oder er beispielsweise an einer ansteckenden und zugleich lebensgefährdenden Krankheit leidet.

Fazit

Zusammenfassend ist einem Patienten nur dann Schadensersatz zuzusprechen, wenn ein Behandlungsfehler vorliegt, der bei dem Patienten zu einem Gesundheitsschaden geführt hat. Hierbei wird geprüft, ob der Schaden zu verhindern gewesen wäre, wenn der Arzt die richtige Therapie durchgeführt hätte. Wäre der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung des Arztes eingetreten, wird ein Anspruch des Patienten verneint und der Arzt haftet nicht. Doch auch die Kosten für Folgeschäden (z. B. Verdienstausfall, Medikamente) können vom Arzt verlangt werden. Der Patient muss aber beweisen, dass der Fehler mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Auslöser der zusätzlichen Kosten bzw. Verletzungen gewesen ist.

Auch den Patienten treffen diverse Pflichten

Der Patient kann aus dem Behandlungsvertrag nicht nur Rechte herleiten. So trifft ihn stets eine Mitwirkungspflicht, nach der er die ärztlichen Anordnungen zu befolgen hat, um möglichst schnell wieder gesund zu werden. Zwar kann er selbst entscheiden, ob er die Therapie des Arztes annimmt. Kommt es dann aber zu gesundheitlichen Schäden, muss sich der Patient ein Mitverschulden daran zurechnen lassen, sofern er von dem Arzt zuvor über die Folgen des Abbrechens der Behandlung aufgeklärt worden ist. Ein Mitverschulden entfällt dann, wenn er die Maßnahme nicht dulden muss, der Arzt also beispielsweise eine sehr risikoreiche Operation vorschlägt oder die Therapie wenig Aussicht auf Erfolg verspricht. Damit der Arzt die geeignetste Behandlung durchführen kann, muss der Patient ihn genau über sein Leiden und etwaige Veränderungen seines Gesundheitszustandes informieren. Auch hier wird wieder deutlich, wie wichtig das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kranken und seinem Arzt ist, denn wenn der Patient wichtige Angaben nicht macht, könnte die falsche Diagnose gestellt werden.

Die vertragliche Hauptpflicht des Patienten besteht jedoch in der Zahlungspflicht, sofern die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, z. B. bei Laboruntersuchungen. Diese Erfahrung musste ein Patient machen, dem nach ordnungsgemäßer Aufklärung Blut für eine Laboruntersuchung abgenommen wurde. Der Arzt schickte die Probe an ein externes Labor, in dem die Untersuchung durchgeführt wurde. Als der Patient die Rechnung vom Labor erhielt, weigerte er sich zu zahlen, da nach seiner Ansicht kein Vertrag mit dem Labor zustande gekommen war. Das LG Dortmund verpflichtete ihn jedoch zur Zahlung. Der behandelnde Arzt habe als Vertreter des Patienten nach §§ 164 ff. BGB gehandelt, sodass ein Werkvertrag zwischen dem Kranken und dem Laborarzt zustande gekommen sei. Dass der Patient von dem externen Labor nichts gewusst hat, sei irrelevant. Denn dieselben Kosten wären auch entstanden, wenn der Arzt die Untersuchung im praxiseigenen Labor getätigt hätte. Mit der Blutabnahme habe der Patient die Untersuchung ohne jegliche Einschränkung erlaubt (LG Dortmund, Urteil v. 19.10.2006, Az.: 4 S 62/06).

Grundsätzlich muss der Patient den Fehler des Arztes beweisen

Im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses muss der Patient beweisen, dass sein Gesundheitsschaden auf einen Fehler des Arztes während der Behandlung zurückzuführen ist. Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen. Wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung nur ein Verschulden des Arztes in Betracht kommt (z. B. Klemme in der Operationswunde), mindert sich die Beweislast des Patienten. Der Arzt kann den sog. Anscheinsbeweis aber entkräften, wenn er einen atypischen Geschehensablauf darlegen kann. Weitere Beweiserleichterungen greifen unter anderem dann, wenn der Arzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist oder der Eingriff durch einen unerfahrenen Arzt vorgenommen wurde.

Das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers führt sogar zu einer Beweislastumkehr, d. h., der Arzt muss nachweisen, dass sein Handeln für den Fehler nicht ursächlich gewesen ist. Ein grober Behandlungsfehler wird angenommen, wenn bewährte Therapiemöglichkeiten oder medizinische Erkenntnisse nicht angewendet wurden, was zu einem Fehler führt, der einem Arzt einfach nicht unterlaufen darf. Die Beweislastumkehr greift aber nur bei sog. Primärschäden, also Schäden, die unmittelbar durch den Arztfehler verursacht wurden.

Patientenrechtegesetz

Die Bundesregierung diskutiert derzeit die Erstellung eines Patientenrechtegesetzes. Die Patientenrechte sollen übersichtlich gestaltet werden und auch für den Laien leicht zu finden und zu verstehen sein. Denn der Patient kann seine Rechte nur geltend machen, wenn er sie auch kennt. Zurzeit wird das Verhältnis zwischen Arzt und Patient in vielen verschiedenen Gesetzen geregelt oder durch die Rechtsprechung definiert, was zu Unsicherheiten auf beiden Seiten führt. Es soll vor allem die Unterstützung der Opfer von Behandlungsfehlern normiert sowie teure und langwierige Verfahren durch die Möglichkeit der Mediation vermieden werden. Auch die Rechte der Patienten gegenüber ihrer Krankenkasse sollen erweitert werden. Da das Gesetz aber zum Großteil nur die bereits geltende Rechtsprechung wiedergeben wird, bleibt abzuwarten, ob sich für den Patienten tatsächlich etwas zu seinem Vorteil ändert. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch für 2011 geplant.

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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