Beitreibung von (Alt-)Forderungen aus Versicherungsprämien neben dem Insolvenzverfahren?

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Dürfen Krankenversicherungen neben dem Insolvenzverfahren (Alt-)Forderungen aus Versicherungsprämien verlangen?

Während bislang die Insolvenzschuldner auf einen Neuanfang zu den bekannten Bedingungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung hoffen durften, hat sich nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit eine Reihe von Gerichten daran gemacht, den privaten Krankenversicherungen bei Forderungen aus Krankheitskostenversicherungen die Einforderung und Titulierung von Prämienrückständen außerhalb des Insolvenzverfahrens zu gestatten.

Das hat ganz erhebliche Konsequenzen: Bei teilweise über Jahre aufgelaufenen Rückständen aus den Krankheitskostenverträgen ist ein Neustart nach dem Insolvenzverfahren – bei Insolvenzplänen oder nach der Wohlverhaltensperiode – praktisch nicht möglich. Hinzu kommt, dass einzelne Insolvenzgerichte auch die Stundung der Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren versagen, wenn ein Neustart wegen verbleibender Schulden nicht möglich ist.

Hintergrund ist folgender: Der Bundesgerichtshof (4. Senat) hat Anfang 2014 entschieden, dass die Schutzvorschrift des § 850 b ZPO, die dem Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens Zahlungen der Krankheitskostenversicherung belässt , auch im Insolvenzverfahren – dann aber eben entsprechende – Anwendung findet, BGH Urteil vom 19.02.2014, IV ZR 163/13. Aus einer in diesem Zusammenhang leider unglücklichen Formulierung des Bundesgerichtshofes haben dann einzelne Amts- und Landgerichte, allen voran aber das Oberlandesgericht Schleswig Ende 2014, in einem Beschluss (OLG Schleswig, Beschluss vom 30.12.2014, 16 W 168/14) etwas viel Weitergehendes gemacht:

Der Beschluss liest sich, als wollten die Richter die Insolvenzordnung auf den Kopf stellen: Bei dem Krankheitskostenvertrag handele es sich um ein insolvenzfreies Schuldverhältnis und weil die Gutschriften aus dem Krankheitskostenvertrag nach § 850 b ZPO entsprechend geschützt seien und damit außerhalb des Insolvenzverfahrens stünden, so seien auch die Prämienforderungen durch die Versicherungen außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen.

Ohne jeden Ansatz hierzu im Urteil des Bundesgerichtshofs verlängert das Oberlandesgericht Schleswig noch den Geltungsbereich:

Erfasst werden sollen sogar die Altforderungen der Versicherungen, also diejenigen, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen waren.

Diese Rechtsprechung dürfte Tausende von früheren Selbstständigen und freiwillig Privatversicherten viel Geld kosten, wenn dem nicht noch Einhalt geboten wird.

Wir rechnen damit, dass der Bundesgerichtshof im Jahr 2016 klarstellen wird, dass zumindest Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind, nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgt werden können, sondern gemäß § 87 InsO nach den Vorschriften der Insolvenzordnung zu verfolgen, also gemäß § 174 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden sind.

Wir haben hierbei mit unserem Vorgehen vor Gericht bereits erfolgreich die Titulierung aufhalten können.

Soweit Versicherungen derzeit Forderungen über das Mahnbescheidsverfahren oder im streitigen Verfahren titulieren, sollte die Verteidigung durch eine spezialisierte Anwaltskanzlei aufgenommen werden, anderenfalls droht die rechtskräftige Feststellung der Forderungen.

Anwaltskanzlei Strothmann

Rechtsanwalt Holger Strothmann


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