Berliner Testament und Vor- und Nacherbschaft im Erbschaftsteuerrecht

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1. Vor- und Nacherbschaft

Die testamentarische Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft birgt gravierende Unterschiede hinsichtlich der Rechtsfolgen nach Zivilrecht (BGB-Erbrecht) und nach Steuerrecht (Erbschaftsteuerrecht), die dem steuerlichen Laien im Regelfall unbekannt sind.

Zivilrechtlich bedeutet die testamentarische Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft, dass bei Eintritt des Nacherbfalles der Nacherbe nicht Erbe des Vorerben wird, sondern Erbe des Erblassers, also der zuerst verstorbenen Person.

Bekanntlich ist der Vorerbe im Regelfall nur eine Art „treuhänderische Verwalter“ des von ihm im Wege der Vorerbschaft erhaltenen Nachlasses und muss diesen an den Nacherben weitergeben.

Beispiel:

Der verstorbene Vater setzt seine Ehefrau als Vorerbin seines Vermögens ein. Nacherbe nach dem Tod der Ehefrau soll das gemeinsame Kind sein.

Dann erbt beim Versterben der Ehefrau (= Vorerbin) das Kind den Nachlass des Vaters als von diesem stammend.

Anders im Erbschaftsteuerrecht:

Nach § 6 Erbschaftsteuergesetz wird beim Nacherben die Vorerbschaft so behandelt, als habe er Sie von dem Vorerben erhalten.

Auf Antrag kann der Versteuerung zwar -fiktiv- das (steuerliche) Verhältnis des Nacherben zum Erblasser (= Vater) zugrunde gelegt werden.

Geht aber im Nacherbfall auch Vermögen des Vorerben (= der Mutter) auf das Kind über, steht der persönliche Freibetrag des Kindes gegenüber einem Elternteil nur ein einziges Mal zur Verfügung.

Beispiel: 

Der verstorbene Vater setzt seine Ehefrau als Vorerbin seines Vermögens (= Wert 400.000 €) ein.

Bei Versterben der Ehefrau wird das Kind Nacherbe und erbt gleichzeitig das eigene Vermögen der Mutter, z.B. ebenfalls Euro 400.000.

Nach § 6 Erbschaftssteuergesetz hat das Kind dann insgesamt 800.000 € von der Mutter erhalten (400 TEUR als Vorerbin und 400 TEUR eigenes Vermögen). Ihm steht jetzt nur einmal der persönliche Freibetrag in Höhe von 400.000 € zur Verfügung. Die weiteren 400.000 sind mit 11 % zu versteuern.

Anhand dieses kurzen Beispiels wird bereits deutlich, dass die Wahl der Vor- und Nacherbschaft mit dem oben gewählten Inhalt steuerlich nachteilhaft ist. Das kann durch entsprechende Gestaltung im Vorfeld vermieden werden.

2. Berliner Testament

Eine vergleichbare Problematik entsteht aus erbschaftssteuerlicher Sicht bei Wahl des Berliner Testamentes, siehe § 15 Abs. 3 ErbStG.

Beim Berliner Testament setzen sich bekanntlich Ehegatten wechselseitig zu ihren Alleinerben ein, also der zuerst Versterbende den Überlebenden.

Schlusserbe sollen ein Kind oder mehrere Kinder zu gleichen Teilen sein.

Bei dieser Konstellation kumuliert sich das von dem zuerst verstorbenen Ehegatten stammende Vermögen bei dem überlebenden Ehegatten, bevor es bei dessen Tod insgesamt/als Gesamtheit auf die Kinder übergeht.

Dem Kind/den Kindern steht dann nur gegenüber dem zuletzt verstorbenen Elternteil der persönliche Erbschaftssteuerfreibetrag zu.

Der ursprünglich gegenüber dem zuerst verstorbenen Ehegatten/Elternteil bestandene persönliche Freibetrag des Kindes/der Kinder geht verloren.

Es liegt auf der Hand, dass auch bei dieser Konstellation bei entsprechend hohem Nachlassvermögen erbschaftsteuerliche Nachteile die Folge sind.

Auch hier kann durch entsprechende Gestaltung im Vorfeld vorgesorgt werden.

3. Lösungsmöglichkeit nach dem Erbfall

Trotz der oben beschriebenen ggf. unvorteilhaften steuerlichen Wirkungen von Vor- und Nacherbschaft bzw. Berliner Testament bietet sich auch noch nach dem Erbfall die Möglichkeit zu einer steuerverträglichen Lösung.

Dazu muss allerdings innerhalb der Ausschlagungsfrist, § 1944 BGB, reagiert werden und es müssen sämtliche an dem Vorgang beteiligten Personen (also der Vorerbe und der Nacherbe als auch beim Berliner Testament der überlebende Ehegatte und die als Schlusserben eingesetzten Kinder) einverständlich an dieser Lösungsmöglichkeit mitwirken.

Dazu berate ich Sie gerne.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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