Beschlussanfechtung im Wohnungseigentumsrecht

  • 5 Minuten Lesezeit

Soweit Wohnungseigentümerversammlungen per Mehrheitsbeschluss entscheiden dürfen, kann der in der Abstimmung unterlegene Wohnungs- oder Teileigentümer den Beschluss anfechten. Die Beschlussanfechtung im Wohnungseigentumsrecht ist ein „heißes Eisen“. Ohne Kenntnis des Wohnungseigentumsrechts bleiben Anfechtungen im Wunschstadium stecken. Anfechtung bedeutet fast immer, dass Anfechtungsklage zu erheben ist. Da die Anfechtungsklage fristgebunden ist, bleibt dem Wohnungseigentümer regelmäßig kaum Zeit, die Eigentümerversammlung zu einer freiwilligen Abänderung des Beschlusses zu veranlassen. Will er verhindern, dass der Beschluss endgültig rechtskräftig wird, muss er fristgerecht Anfechtungsklage einreichen.

Wer darf anfechten und klagen?

Jeder im Grundbuch eingetragene Eigentümer ist anfechtungsberechtigt und somit klagebefugt. Die Klagebefugnis endet mit dem Ausscheiden aus der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 48 II 3 WEG). Auch der WEG-Verwalter kann anfechten, z. B. wenn die Versammlung seine Abberufung beschlossen hat.

Wann ist ein Beschluss nichtig?

Es ist zwischen Beschlüssen zu unterscheiden, die von vornherein nichtig sind und keiner Anfechtung bedürfen (§ 43 IV WEG) und Beschlüssen, die erst im Rahmen eines gerichtlichen Anfechtungsverfahrens durch Urteil für ungültig erklärt werden. Ein Beschluss ist nichtig,

  • wenn er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (Beschluss entgegen § 18 WEG, dass die Entziehung von Wohnungseigentum auch bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Wohnungseigentümers ausgeschlossen sein soll).
  • wenn die Versammlung keine Beschlusskompetenz besitzt (Begründung oder Einschränkung von Sondernutzungsrechten).

Nichtige Beschlüsse entfalten keine Rechtswirkung. Sie sind nicht anfechtbar. Um die Ausführung eines nichtigen Beschlusses zu verhindern, kann ein Wohnungseigentümer die Feststellung der Nichtigkeit beim Amtsgericht beantragen. Der Antrag unterliegt keiner Frist.

Nicht nichtige Beschlüsse sind anfechtbar

Nicht nichtige Beschlüsse müssen binnen einer Frist von einem Monat nach der Beschlussfassung angefochten werden. Diese Ausschlussfrist kann nicht verlängert werden. Innerhalb von zwei Monaten nach der Beschlussfassung muss die Anfechtungsklage begründet werden (§ 46 I WEG). Wird der Beschluss nicht angefochten, wird er „ohne Wenn und Aber“ rechts- und bestandskräftig. Jeder Eigentümer muss diesen Beschluss, auch wenn er möglicherweise rechtswidrig ist, akzeptieren.

Wird angefochten, bleibt der Beschluss so lange wirksam und wird als gültig behandelt, bis er vom Gericht rechtskräftig für ungültig erklärt wird. Der Verwalter muss einen angefochtenen Beschluss zunächst ausführen (z. B. Zahlungspflicht bei Sonderumlage). Hebt das Gericht den fehlerhaften Beschluss auf, tritt die Situation ein, als wäre der Beschluss nie gefasst worden. Ausgeführte Beschlüsse muss die Wohnungseigentümergemeinschaft auf eigene Kosten rückgängig machen.

Die Klagefrist von einem Monat ist nicht mit vier Wochen gleichzusetzen. War die Eigentümerversammlung z. B. am Montag, 1.9.2014, endet die Klagefrist am Mittwoch, 1.10.2014, 24.00 Uhr und nicht am Montag, 29.9.15.

Die Frist läuft unabhängig davon, ob der die Anfechtung betreibende Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung persönlich anwesend war oder ob er ein Beschlussprotokoll erhalten hat. War der Wohnungseigentümer unverschuldet außerstande (Krankenhausaufenthalt), rechtzeitig anzufechten, kann er beim Amtsgericht binnen zwei Wochen nach Kenntniserlangung unter Einreichung der Klageschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (§ 46 I S.3 WEG).

Die Anfechtungsklage richtet sich gegen die übrigen, namentlich zu bezeichnenden Wohnungseigentümer, nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigen Verband. Der Verwalter gilt als Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer. Zustellungsvertretung bedeutet, dass dem Verwalter die Klageschrift zugestellt wird. Bei einer Vielzahl von Wohnungseigentümern erleichtert die Zustellungsvertretung für Gericht und Kläger die Arbeit. Ist der Verwalter selbst betroffen, müssen die Wohnungseigentümer, notfalls das Gericht, einen Ersatzzustellungsvertreter bestellen (§ 45 WEG).

Welches Gericht ist zuständig?

Die Anfechtungsklage ist beim Amtsgericht einzureichen, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (§ 43 WEG). Maßgebend ist dessen örtliche Nähe zur Wohnungseigentumsanlage. Auf die Höhe des Streitwerts kommt es nicht an (§ 23 Nr. 2 c GVG). Es besteht keine Anwaltspflicht. Erst wenn das Landgericht als Berufungsinstanz entscheidet, muss ein Rechtsanwalt beauftragt werden.

Welchen Inhalt hat die Klageschrift?

Die Klageschrift mit der Anfechtungsklage ist auf die Erklärung der Ungültigkeit des Beschlusses der Wohnungseigentümer zu richten (§§ 46, 44 ff WEG). Ein einfaches Schreiben an den Verwalter oder die anderen Wohnungseigentümer, dass der Beschluss angefochten werde, genügt nicht. Ein solches Schreiben ist auch insoweit irrelevant, als die Beschlussfassung in der Welt ist und nur durch erneuten gegensätzlichen Beschluss aus der Welt geschaffen werden kann. Da die Wohnungseigentümergemeinschaft dazu kaum bereit sein wird, bleibt nur die Anfechtungsklage.

Welchen Inhalt hat die Klageschrift?

In der Anfechtungsklage kann der Kläger beantragen, den „Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Wohnungseigentümerversammlung vom 16.3.2015 gemäß TOP 7 der Tagesordnung über die Festsetzung einer Sonderumlage zur Kellersanierung“ für ungültig zu erklären.

Der Kläger muss alles vortragen und unter Beweis stellen, was entscheidungserheblich ist. Das Gericht hat keine Amtsermittlungspflicht und braucht nicht von sich aus die entscheidungserheblichen Fakten zu erforschen oder eigene Ermittlungen anzustellen. Das Gericht entscheidet nur über das, was Kläger und Beklagter vortragen. Dazu gehören auch Angaben, wie die Wohnungseigentümer abgestimmt haben und inwieweit sich das Abstimmungsverhalten auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat.

Was sind formelle und materielle Gründe?

Ein Eigentümerbeschluss kann aus formellen oder materiellen Gründen unwirksam sein. Formelle Gründe betreffen das Zustandekommen des Beschlusses, seine Vorbereitung oder das Abstimmungsverfahren (z. B. Versammlung war nicht beschlussfähig; Beschlussfassung über einen in der Tagesordnung nicht angekündigten Beschlussgegenstand).

Materielle Gründe betreffen den Beschlussinhalt (z. B. Maßnahme entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da sie völlig unwirtschaftlich oder ungeeignet ist).

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann in einer Zweitversammlung den angefochtenen Beschluss korrigieren. Dann erledigt sich die bereits eingereichte Anfechtungsklage. Soweit die Klage ursprünglich begründet war, müssen die übrigen Wohnungseigentümer die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Welche Kosten entstehen bei der Anfechtungsklage?

Die Verfahrenskosten richten sich nach dem Streitwert und den Vorgaben des § 49a Gerichtskostengesetz (GKG). Ist die Klage beziffert, bestimmt die Forderung den Streitwert. Ist sie unbeziffert, ist das Interesse der Parteien maßgebend. Das Gesetz bestimmt dazu mehrere Streitwertgrenzen (Fünffacher Wert des Klägerinteresses, Verkehrswert der Immobilie). Verliert der Kläger den Prozess, trägt er sämtliche Verfahrenskosten. Im Vergleichsfall verteilt das Gericht Gerichts- und Anwaltsgebühren nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens.

Zweitversammlungsbeschluss erledigt Anfechtungsklage

Soweit die Wohnungseigentümergemeinschaft in einer Zweitversammlung den angefochtenen Beschluss korrigiert, erledigt sich die Anfechtungsklage. In diesem Fall muss der Kläger den Rechtsstreit für „erledigt“ erklären. Dann entscheidet das Gericht nur noch über die Kosten des Rechtsstreits. Da die Klage ursprünglich begründet war, müssen die übrigen Wohnungseigentümer die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Antrag auf einstweilige Verfügung

Will der Wohnungseigentümer verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, kann er beim Gericht in Ausnahmefällen einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Nur bei offenkundig nichtigen Beschlüssen oder wenn der Beschluss die Fehlerhaftigkeit „auf der Stirn trage“ oder wenn irreparable Fakten geschaffen werden (Fällung des Baumbestandes), kommt eine vorläufige Aussetzung des Vollzugs ausnahmsweise in Betracht. Ansonsten bleibt der Beschluss wirksam und kann nur im Wege der Anfechtungsklage aufgehoben werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Beiträge zum Thema