BGH: Anschlussinhaber muss sich in Filesharing-Fällen zur „Identität des Verletzers“ erklären

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BGH stellt klar: Der Anschlussinhaber muss sich in Filesharing-Fällen zur „Identität des Verletzers“ erklären, selbst wenn es sich um ein Familienmitglied handelt.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die schriftlichen Gründe für seine Entscheidung vom 30.03.2017, Az. I ZR 19/16 – Loud veröffentlicht, die bereits im Vorfeld auf ein großes Medienecho gestoßen war.

Im Kern ging es erneut um die Frage der sekundären Darlegungslast eines Ehepaars, über dessen Internetanschluss eine Urheberrechtsverletzung mittels Filesharing begangen wurde. Die beklagten Anschlussinhaber machten geltend, die Rechtsverletzung nicht selbst begangen zu haben; vielmehr sei eines der drei den Internetanschluss mitbenutzenden Kinder hierfür verantwortlich. Welches der Kinder der Täter gewesen sei, wollten sie jedoch nicht preisgeben.

Mit dieser Strategie sind die Anschlussinhaber in allen Instanzen gescheitert. Der Senat nutzte in der schriftlichen Begründung seiner Entscheidung die Gelegenheit, um einige klarstellende Worte zu den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zu finden: Grundsätzlich müsse der Umfang der Nachforschungspflichten im Einzelfall mithilfe einer Güterabwägung bestimmt werden. Jedenfalls ist ein Anschlussinhaber dazu angehalten, sämtliche gewonnenen Erkenntnisse vollständig und wahrheitsgemäß vorzutragen. Dies gilt selbst dann, wenn er auf diese Weise die Täterschaft eines Familienangehörigen preisgeben müsste.

Eines besonderen Schutzes von Ehe und Familie bedürfe es in diesen Fällen nicht mehr, da der Anschlussinhaber „keinem Zwang zur Auskunft“ (Rz 26) unterliegen würde. Äußert er sich nicht, trifft ihn eine sog. „Geständniswirkung“. Dabei handelt es sich um einen „aus der gesetzlichen Wertung des § 138 Abs. 3 ZPO folgende[n] Nachteil“ den „jede prozessual ungenügend vortragende Partei trifft“ (Rz 26). Ein „Zeugnisverweigerungsrecht“ im Hinblick auf seine Familienmitglieder kommt dem Anschlussinhaber gerade nicht zugute.

Weigert sich der Anschlussinhaber daher, den Täter zu benennen, so sei eine „effektive Verfolgung des Rechtsverstoßes praktisch unmöglich“, da die „Identität des Verletzers ungeklärt bleibt.“ Auf diese Weise würde – so der Senat – das Eigentumsgrundrecht des Urheberrechtsinhabers gem. Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG sowie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gem. Art. 47 EU-Grundrechtecharta insgesamt vereitelt werden, „wohingegen die Eltern durch die Auskunftsverweigerung unter Inkaufnahme prozessualer Nachteile eine – jedenfalls erhebliche – Beeinträchtigung ihres Grundrechts auf Schutz der Familie […] abwenden können“ (Rn 28).

Für Filesharing-Fälle gilt daher: Will ein Anschlussinhaber seine eigene Haftung abwenden, muss er nach Erhalt der Abmahnung zumutbare Nachforschungen anstellen, um die Identität des Verletzers zu klären. In einem möglichen Prozess ist er gehalten, sämtliche gewonnenen Erkenntnisse vollständig und wahrheitsgemäß vorzutragen, selbst wenn er auf diese Weise ein Familienmitglied als Täter benennen muss.


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