BGH: Aushändigung mindestens einer Kopie des Vertrags mit Unterschrift des Kunden erforderlich

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Mit Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 381/16 hatte sich der BGH bereits dazu geäußert, dass es bezüglich einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht darauf ankommt, in welcher konkreten Situation der Vertrag geschlossen wurde und aufgrund dieser Situation die fehlerhafte Widerrufsbelehrung dann geheilt werden könnte. Damit hat der BGH die Rechtsprechung vieler Oberlandesgerichte zum sog. „Präsenzgeschäft“ zu Gunsten der Verbraucher gekippt (lesen Sie hierzu unseren Artikel hier: https://www.rbh-recht.de/keine-heilung-unzureichender-widerrufsbelehrung-eines-als-praesenzgeschaeft-abgeschlossenen-darlehensvertrags/).

Allerdings enthält das Urteil auch eine Passage, welche vielleicht eine viel größere Bedeutung haben könnte:

Der BGH äußert sich nämlich am Ende dieser Entscheidung dazu, wie die Bank die Informationen an den Verbraucher zu erteilen hat, damit die Frist für den Widerruf nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in seiner damaligen Fassung zu laufen beginnt. Nach dieser Vorschrift beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn dem Verbraucher neben der Widerrufsbelehrung in Textform zudem die Vertragsurkunde, sein eigener Vertragsantrag oder eine entsprechende Abschrift hiervon zur Verfügung gestellt wurde. Sofern in der Vergangenheit überwiegend Klarheit darüber bestand, dass es sich bei der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags des Verbrauchers jeweils um das Originaldokument handelt, stellte sich hingegen regelmäßig die Frage, welche Anforderungen eine Abschrift dieser Dokumente erfüllen müsse. Die überwiegende Rechtsprechung ging hierbei davon aus, dass diese Abschrift jedenfalls nicht die Unterschrift des Verbrauchers zu enthalten habe und ein sog. (unterschriftsloses) Duplikat, welches die Banken dem Kunden zur Verfügung gestellt haben, ausreichend sei.

Der BGH führt in der oben genannten Entscheidung zu diesem Punkt nun aber Folgendes aus:

„Bei den gesetzlichen Vorgaben sowohl für das Widerrufsrecht als auch für die formelle und inhaltliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung handelt es sich um halbzwingendes Recht zu Gunsten des Verbrauchers. Halbzwingend ist nach dem hier intertemporal maßgeblichen Recht auch die Vorgabe des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F., den Verbraucher über die Bedingungen seines Widerrufsrechts inhaltlich vollständig deutlich (...) in Textform (...) – in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise, die die Person des Erklärenden nennt und den Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder auf andere Weise erkennbar macht – zu belehren.“

Sinngemäß stellt der BGH damit klar, dass für den Lauf der Widerrufsfrist erforderlich ist, dass die Bank dem Kunden mindestens ein Dokument zur Verfügung stellen muss, welches erkennen lassen muss, dass der Verbraucher genau dieses Dokument unterschrieben hat. Dies kann entweder durch Nachbildung der Namensunterschrift (also eine Kopie des vom Kunden unterschriebenen Vertrags oder des Antrags des Kunden) oder auf andere Weise, die den Abschluss erkennbar macht, erfolgen. Unklar ist, was der BGH mit der Formulierung „auf andere Weise“ meint, aber jedenfalls dürfte sich diese Formulierung ebenfalls darauf beziehen, dass der Kunde ebenso wie bei der Aushändigung der Kopie mit seiner Unterschrift darauf erkennen kann, dass er genau dieses Dokument unterschrieben hat. Danach dürfte aber die Aushändigung eines Duplikats, welches gerade keine Unterschrift des Verbrauchers enthält, nicht für den Beginn der Widerrufsfrist ausreichend sein.

Da aber in den meisten Fällen der Kunden bei Abschluss des Vertrages in der Regel lediglich ein für den Kunden vorgesehenes Duplikat, welches regelmäßig weder die Unterschrift der Bank noch die Unterschrift des Kunden enthält, ausgehändigt wurde, würde dies bedeuten, dass auch aus diesem Grunde die Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen hat und daher ein Widerruf auch jetzt noch möglich wäre.

Hinzu kommt, dass dies nicht nur für Verträge, welche nach dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden, geltend würde, sondern auch noch für die sog. „Altverträge“. Die Ausschlussfrist, welche zum 21.06.2016 für diese Altverträge abgelaufen war, würde dann nicht zur Anwendung kommen. Denn diese Frist betrifft nur Fälle, bei denen sich die Verbraucher darauf berufen, dass die Widerrufsbelehrung inhaltlich fehlerhaft sei. Vorliegend würde es aber nicht darauf ankommen, ob die Widerrufsbelehrung inhaltlich fehlerhaft ist oder nicht, sondern nur, ob der Kunde mindestens eine Kopie des Darlehensvertrages oder seines Antrags mit seiner Unterschrift darauf erhalten hat.

Ob der BGH hier tatsächlich gewillt ist, dieses Tor zum Widerruf erneut aufzustoßen, bleibt abzuwarten. Bis dahin können sich Verbraucher aber durchaus darauf berufen, dass ein Widerruf noch möglich ist.

Anmerkung: 

Zwischenzeitlich hat sich der BGH mit einer Entscheidung vom 27.2.2018 – XI ZR 160/17 gegen die oben stehende Auffassung positioniert und klargestellt, dass das dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Exemplar seiner Vertragserklärung nicht von ihm unterzeichnet oder mit dem Abbild seiner Unterschrift versehen sein muss.

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