BGH: Bearbeitungsentgelt-Klauseln bei Unternehmerdarlehen unwirksam

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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hat mit zwei Urteilen vom 04. Juli 2017 (Az.: XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16) entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt („Bearbeitungsgebühr“) in Darlehensverträgen, die zwischen Kreditinstituten und Unternehmern geschlossen wurden, unwirksam sind.

Das Verfahren: Klage von Unternehmern gegen Bearbeitungsgebühr

Die Kläger beider Verfahren sind Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Sie schlossen mit den jeweiligen Banken Darlehensverträge über ein sogenanntes Unternehmerdarlehen. Die Verträge enthielten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Formularklauseln, denen zufolge der Darlehensnehmer ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt bzw. eine Bearbeitungsgebühr zu entrichten hat.

Die Kläger reichten Klagen auf Rückzahlung des Bearbeitungsentgeltes ein und beriefen sich auf die Unwirksamkeit der Entgeltklauseln. Diese würden einer AGB-Kontrolle nicht standhalten.

Urteil: Bearbeitungsentgelt bei Unternehmerdarlehen unwirksam

Die Karlsruher Richter entschieden, dass es sich bei den angegriffenen Klauseln um sogenannte Preisnebenabreden handelt, die der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 – 309 BGB unterliegen. Die Klauseln halten dieser Inhaltskontrolle nicht stand, so der BGH.

Während Preishauptabreden das „Ob“ und den Umfang der hauptvertraglichen Vergütung unmittelbar regeln, gehören zu den Preisnebenabreden insbesondere solche Klauseln, die Änderungen neben einer bereits existierenden Preishauptabrede zum Inhalt haben, sich also auf weitere Leistungen beziehen. Nur letztere sind im Rahmen der AGB-Kontrolle überprüfbar.

Der BGH entschied bereits in früheren Fällen, dass die Vereinbarung von laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelten mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht zu vereinbaren ist, weshalb gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen sei.

Zwar lässt sich anführen, dass für den Unternehmer aus den Entgelten ggf. steuerliche Vorteile begründet werden. Auch ist ein Argument, dass es dem Handelsgebrauch und dem kaufmännischen Geschäftsverkehr entspreche, andere Regelungen zu treffen wie im Verbraucherrecht. So sei der Unternehmer weniger schutzbedürftig als der Verbraucher.

Gegen diese Ansichten und somit für eine Unwirksamkeit der Klauseln spricht jedoch, dass ein Handelsbrauch, der es gestatte, Unternehmer bei Darlehensverträgen stärker zu Kasse zu bitten als Verbraucher, schlichtweg nicht existiert. Die Angemessenheit der Klauseln lässt sich auch nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs rechtfertigen. Die AGB-Kontrolle soll allgemein vor Klauseln schützen, die das geltende Recht durch einseitige Vertragsbestimmungen außer Kraft setzen. Auch im Verhältnis zwischen zwei Unternehmern besteht regelmäßig bei dem Verwender der AGB eine stärkere Stellung als bei der Vertragspartei. Auf ein gesteigertes wirtschaftliches Verständnis von Unternehmern kommt es bei den vorliegenden Klauseln nicht an, weil sie von einem Verbraucher ebenso wie von einem Unternehmer ohne Weiteres zu verstehen sind.

Einrede der Verjährung greift nicht

Die beklagten Banken erhoben in den Verfahren zudem die Einrede der Verjährung gem. § 214 BGB. Der BGH entschied, dass für die beiden Verfahren die Grundsätze der bisherigen Urteile zum Verbraucherdarlehensrecht gelten. Damit war es auch Unternehmern mit Ablauf des Jahres 2011 zumutbar, eine Klage auf die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten zu erheben.

Hiervon ausgehend wurde das Urteil des Oberlandesgerichts Celle weitgehend bestätigt, während das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde.

Warum bei Unternehmern andere Regelungen gelten

Der BGH zeigt mit seiner Entscheidung, dass auch Unternehmer im Rahmen einer AGB-Kontrolle zu schützen sind. Dies war lange Zeit umstritten.

Das AGB-Recht dient nicht ausschließlich, aber doch vorrangig der Verwirklichung des Verbraucherschutzes. Der Verbraucherschutz wiederum dient, wie der Name schon sagt, dem Schutz des Verbrauchers. Dies basiert auf der Annahme, dass der Verbraucher regelmäßig weniger Wissen hat, als sein unternehmerisch tätiger Vertragspartner. Denn ein Unternehmer kennt sich besser mit den Regeln, Rechten und Gebräuchen des Geschäftsverkehrs aus, als ein Laie. Unternehmer haben also im Vergleich zum Verbraucher besseres Wissen, sprich eine überragende Stellung. Daraus folgt, dass Unternehmer bei Vertragsverhandlungen oft „am längeren Hebel“ sitzen. Um den Verbraucher ausreichend vor Missbrauch der überragenden Stellung des Unternehmers, vor Benachteiligung und vor Rechtsverletzungen zu schützen, wurden zahlreiche Verbraucherrechte eingeführt. Dazu zählt neben dem Widerrufsrecht auch das AGB-Recht.

Wenn aber AGB in einen Vertrag zwischen zwei Unternehmern eingebracht werden, sieht die Situation etwas anders aus. Dort nämlich haben beide Seiten besonderes Wissen über Handelsbräuche, Handelsrecht und den kaufmännischen Geschäftsverkehr. Deshalb war und ist es umstritten, ob eine der Vertragsparteien überhaupt schützenswerter sein kann. Der BGH entschied nun: Ja! Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Auch ein Unternehmer, der ein Darlehen aufnimmt, muss geschützt werden. Denn im Zweifel ist braucht er das Darlehen, um seinen Geschäftsbetrieb zu erhalten oder auszubauen. Die Bank hingegen ist nicht darauf angewiesen, das Darlehen unbedingt an diesen Unternehmer herauszugeben. Damit sitzt auch hier die Bank am längeren Hebel, denn für sie besteht, anders als beim Unternehmer, kein Unterschied darin, ob der Vertrag zustande kommt oder nicht. Der Unternehmer hingegen braucht das Darlehen und nimmt es ggf. in Kauf, einen nachteiligeren Vertrag abzuschließen: er hat faktisch keine andere Wahl. Zudem können gerade kleine Unternehmen nahezu ebenso stark von Zusatzgebühren getroffen werden wie Verbraucher.

Der BGH hat mit seinem Urteil folglich deutlich gemacht, wie wichtig die AGB-Kontrolle für einen ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr ist, und das es dabei nicht allein darauf ankommt, ob die Vertragspartei Verbraucher oder Unternehmer ist.

Wer wir sind

Die Rechtsanwaltskanzlei Benedikt-Jansen und Dorst ist auf Bank-und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Herr Rechtsanwalt Benedikt-Jansen ist seit 13 Jahren Vertrauensanwalt der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., einem staatlich anerkannten Verbraucherschutzverband zur Bekämpfung unredlicher Finanzdienstleister (z. B. aus dem Bankensektor, Kapitalanlagesektor, Versicherungen etc.). Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat seit dem Jahr 2004 zehntausende Fälle rechtsmissbräuchlicher Vertragspraktiken (insbesondere unwirksame Vertragsklauseln) erfolgreich bekämpft. Seit 2010 ist Herr Benedikt-Jansen Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht. Er verfügt über einen außergewöhnlich umfangreichen Schatz an Erfahrungen auf dem Gebiet des bankenrechtlichen Verbraucherschutzes.

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