BGH bestätigt Verurteilung eines Bürgermeisters wegen „Vortäuschen einer Straftat“

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Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung eines Bürgermeisters wegen Vortäuschens einer Straftat

Das LG Waldshut-Tiengen hatte den Angeklagten, den Bürgermeister einer Gemeinde in Baden-Württemberg, wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Soweit ihm darüber hinaus Betrug in sechs Fällen durch Einreichung von Rechnungen für medizinisch nicht indizierte Behandlungen zur Last gelegt worden war, hat ihn das Landgericht freigesprochen. Den Mitangeklagten, den Lebenspartner des Angeklagten, hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Vortäuschen einer Straftat zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen täuschte der Angeklagten mit Hilfe des Mitangeklagten einen durch Unbekannte auf seine Person verübten Anschlag vor. Am Abend des 3. Juli 2011 befand sich der Angeklagte im Rathaus der Gemeinde. Dort warf er gegen 20.00 Uhr in seinem Arbeitszimmer eine Flasche mit einem in brennbare Flüssigkeit getränkten Stück Textil als Lunte gegen seinen Schreibtisch. Bereits zuvor hatte der Mitangeklagte die Eingangstür zum Rathaus mit einem Holzstück verriegelt. Zudem deponierte einer der Angeklagten auf dem Boden hinter der Tür ein zusammengefaltetes Blatt Papier mit einem bedrohlichen Text, aus dem sich ergab, dass er zur Aufgabe seines Amts genötigt werden sollte. Der Angeklagte wählte den polizeilichen Notruf und berichtete von einem auf ihn verübten Anschlag; wegen tatsächlicher Beschwerden wurde er sodann ärztlich behandelt. Das genaue Motiv für das Vortäuschen des Anschlags konnte nicht aufgeklärt werden.

Der Bundesgerichtshof hat die jeweils mit Verfahrensrügen und der Verletzung sachlichen Rechts geführten Revisionen der Angeklagten als unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Der Bundesgerichtshof hat in concreto ausgeführt:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 13. November 2012 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Rüge der unzulässigen Verwertung der Erkenntnisse aus der Maßnahme gemäß § 100g StPO ist jedenfalls unbegründet. Die Anordnungsvoraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des die Maßnahme nach § 100g StPO anordnen-den Beschlusses schon ausweislich desselben, aber auch gemäß den die Verdachts- und Beweislage zum Anordnungszeitpunkt rekonstruierenden Feststellungen des Tatgerichts hierzu vor. Insbesondere die von den Revisionsführern jeweils beanstandete Annahme, dass die Voraussetzung gemäß § 100g Abs. 1 Nr. 1 StPO, eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, gegeben sei, ist plausibel belegt.

Eine Straftat hat „erhebliche Bedeutung", wenn sie mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (BT-Drucks. 13/10791, S. 5; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, 344; BGH, Beschluss vom 22. März 2012 - 1 StR 359/11). Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber der Straftat allgemein ein besonderes Gewicht beimisst und sie im konkreten Fall erhebliche Bedeutung hat (BVerfG, Urteil vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, NJW 2003, 1787, 1791). Der Verdacht richtete sich auf eine Straftat gemäß § 145d StGB; eine solche Tat ist im Höchstmaß mit drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Sie ist deshalb nicht mehr ohne weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06, BVerfGE 124, 43), aber im Hinblick auf die gegenüber der gesetzlich vorgesehenen Mindesthöchststrafe erhöhte Strafdrohung als Anlasstat nicht von vornherein ausgeschlossen. In Einzelfällen kann auch solchen Taten aufgrund der besonderen Bedeutung des geschützten Rechtsguts oder des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung erhebliche Bedeutung zukommen (vgl. BT-Drucks. 16/5846, S. 40).

Dies ist sowohl vom anordnenden Richter als auch vom Tatgericht bei der Rekonstruktion der Verdachts- und Beweislage zum Anordnungszeitpunkt hinreichend bedacht worden. Mit rechtsfehlerfreien Erwägungen haben sie aber angesichts der außergewöhnlichen, der Tat ein deutlich über das durchschnittliche Gewicht einer Tat nach § 145d StGB herausragendes Gepräge gebenden Umstände des Einzelfalls - des Verdachts der Begehung der Tat als Bürgermeister im Zusammenhang mit dem Amt, der Vortäuschung, Opfer eines Brandanschlages im Rathaus geworden zu sein, durch den er zur Aufgabe seines Amtes genötigt werden sollte, der dadurch zu er-wartenden Schädigung des Ansehens der betroffenen Gemeinde, des durch die Tat hervorgerufenen öffentlichen Aufsehens und des zum Anordnungszeitpunkt anzunehmenden Motivs der Erlangung von wirtschaftlichen Vorteilen durch die Anerkennung als Dienstunfall - eine erhebliche Bedeutung angenommen.

(BGH, Beschluss vom 7. August 2013 - 1 StR 156/13)


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