BGH entscheidet zur Haftung des Anschlussinhabers bei Filesharing (I ZR 169/12, Bearshare, Urteilsgründe)

  • 4 Minuten Lesezeit

BGH entscheidet zur Haftung des Anschlussinhabers bei illegalem Filesharing durch erwachsene Haushaltsangehörige und zur sekundären Darlegungslast (Urteilsbegründung in dem Urteil vom 8.1.2014, I ZR 169/12 – Bearshare im Volltext veröffentlicht)

Der Bundesgerichtshof hat gestern die Urteilsbegründung in der sog. Bearshare-Entscheidung im Volltext veröffentlicht. In dem Urteil hat der BGH entschieden, dass ein Anschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen, die über seinen Internetanschluss von einem erwachsenen Haushaltsangehörigen (hier: Stiefsohn) im Wege des illegalen Filesharing begangen wurden, nicht per se als sog. Störer haftet. Den Abschlussinhaber treffen nämlich nach Auffassung des BGH erst ab Kenntnis von der Begehung von Rechtsverletzungen durch einen Mitnutzer Belehrungs- und Überwachungspflichten, wenn der Mitnutzer erwachsen ist (Urteil v. 7.1.2014, I ZR 169/12 - Bearshare). In Bezug auf die Störerhaftung des Anschlussinhabers ist ein erwachsenes Familienmitglied demnach einem Ehepartner gleich zu behandeln. Die Beantwortung der Frage, wie andere Mitnutzer (z.B. Freunde, Gäste etc.) zu behandeln sind, hat der BGH bewusst offen gelassen, da sie nicht entscheidungserheblich war. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur tatsächlichen Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers bestätigt. Der Anschlussinhaber, der geltend machen will, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben, hat im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vorzutragen, ob und wenn ja, welche anderen Personen zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und daher als Täter in Betracht kommen, wobei ihn diesbezüglich Nachforschungspflichten treffen.

Das Urteil stellt - entgegen einiger voreiliger Schlussfolgerungen - keine Abkehr von den bisher vom BGH aufgestellten Grundsätzen der Haftung des Anschlussinhabers in sog. Filesharingfällen dar, sondern führt die bisherige Rechtsprechung des BGH („Sommer unseres Lebens“ I ZR 121/08 und „Morpheus“ I ZR 74/12) fort.

Die Schlussfolgerung, dass das Urteil zu einem Rückgang von Abmahnungen im Bereich des illegalen Filesharings führen würde, ist voreilig und falsch. Der BGH hat die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers dem Grunde nach ausdrücklich bestätigt. In dem zu entscheidenden Einzelfall war diese bloß widerlegt. Denn es stand fest, dass der in Anspruch genommene Anschlussinhaber die gegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen hatte. Stattdessen hatte dessen Stiefsohn die Rechtsverletzung begangen. Trägt der Anschlussinhaber nicht vor, wer die Rechtsverletzung begangen hat oder hierfür in Betracht kommt, bleibt es bei der gegen ihn streitenden tatsächlichen Vermutung. Zum Zeitpunkt der Abmahnung besteht also immer eine gegen den Anschlussinhaber streitende tatsächliche Vermutung. Das Urteil geht sogar über die bisherige Rechtsprechung zur sekundären Darlegungslast in Filesharingfällen hinaus, da der BGH festgestellt hat, dass den Anschlussinhaber, der geltend machen will, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben, in Bezug auf die Frage, wer zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung selbstständigen Zugang zum Internetanschluss hatte, Nachforschungspflichten treffen. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es nicht um die Frage der Haftung des Anschlussinhabers aufgrund einer gegen ihn bestehenden tatsächlichen Vermutung, sondern lediglich darum, ob der Anschlussinhaber als Störer haftet. Der BGH hatte daher über die konkreten Anforderungen, die an die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung zu stellen sind (vgl. dazu OLG Köln, 6 U 109/13 v. 14.3.2014 und 6 U 10/13 v. 2.8.2013), nicht zu entscheiden.

Der BGH führt zur Störerhaftung in der Urteilsbegründung wie folgt aus (Rz. 24 u. 27):

Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Ver- hinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjeni- gen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (hierzu Rn. 22). Danach ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und zum anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. [...] Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen.

Der BGH führt zur tatsächlichen Vermutung in der Urteilsbegründung wie folgt aus (Rz. 17 f.):

Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozess- gegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - I ZR 140/10, GRUR 2012, 602 Rn. 23 = WRP 2012, 721 - Vorschaubilder II, mwN). [...] Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. […] In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.

Hintergründe zum Sachverhalt:

Der Beklagte hatte vorgetragen, er sei für die behaupteten Rechtsverletzungen nicht verantwortlich. Sein damals 20-jähriger Stiefsohn habe die Musik-dateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht. Der Stiefsohn des Beklagten hatte im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber der Polizei eingeräumt, er habe mit dem Tauschbörsenprogramm „BearShare“ Musik auf seinen Computer heruntergeladen. Die Vorinstanz (OLG Köln) hatte den Beklagten (Anschlussinhaber) nach den Grundsätzen der Störerhaftung zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten verurteilt.

Weitere Informationen finden Sie unter:

  • http://wesaveyourcopyrights.com/2014/06/bgh-veroffentlicht-urteilsgrunde-in-der-bearshare-entscheidung-zur-sekundaren-darlegungslast-in-filesharingfallen-bgh-i-zr-16912-vom-8-1-2014-bearshare/
  • http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2014&Sort=3&nr=66407&pos=0&anz=5

(c) RA Christian Weber, 04.06.2014


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Weber

Beiträge zum Thema