BGH konkretisiert die Härtefallklausel

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Ende Mai in zwei Entscheidungen (Urteile vom 22. Mai 2018 – VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17) klargestellt, wann und wie ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen kann.

Einem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: 

Die Mieterin, eine 82-jährige Frau, ist dement und wohnt mit ihren beiden Söhnen gemeinsam in einer Wohnung in Berlin. Das Mietverhältnis besteht seit 1974 (also schon 45 Jahre). Im Jahr 2015 verkauft der alte Vermieter die Wohnung an einen neuen Käufer. Nun sprach der neue Käufer/Vermieter der 82-jährigen Dame die Kündigung wegen Eigenbedarfes aus, da er in Zukunft mit seiner Familie selbst gern in der Wohnung wohnen würde. Die Mieterin widersprach der Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte. Aufgrund ihres Alters und der dementsprechenden Verwurzelung in der Umgebung sowie ihrer Demenz könne sie sich nur schwer an eine neue Umgebung gewöhnen. Ein Umzug würde die Erkrankung sogar verschlimmern.

Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gab der Mieterin recht, mit der Folge, dass das Mietverhältnis der Parteien auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird. Das Landgericht Berlin bestätigte diese Entscheidung in der zweiten Instanz. Der BGH mahnt die sorgfältige Sachverhaltsaufklärung der bei Härtefallklausel an.

Aus Mieterschutzgründen können Vermieter ein Mietverhältnis nicht einfach so kündigen. Vielmehr brauchen sie ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 Absatz 1 und 2 BGB). Sehr beliebt ist die Kündigung wegen Eigenbedarfes gemäß § 573 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 2 BGB. Ein Mieter kann einer solchen Kündigung jedoch widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Damit kann der Mieter Erfolg haben, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 BGB). Härtefälle wurde angenommen bei entsprechendem Alter des Mieters, Mietdauer oder wenn keine vergleichbare Wohnung zu diesen Konditionen zu bekommen war.

Der Pressebericht zu den BGH-Urteilen (die Entscheidungsgründe sind noch nicht veröffentlicht) stellt fest:

„Allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, in denen generell die Interessen einer Partei überwiegen, lassen sich – entgegen einer teilweise bei den Instanzgerichten anzutreffenden Tendenz – nicht bilden. So werden sich etwa die Faktoren Alter und lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark auswirken und rechtfertigen deshalb ohne weitere Feststellungen zu den sich daraus ergebenden Folgen im Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels grundsätzlich nicht die Annahme einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB.“

Da sowohl auf Seiten des Vermieters als auch auf Seiten des Mieters Grundrechte betroffen sind (Artikel 14 GG Vermieter, Artikel 14, 2 GG Mieter), ist eine umfassende Abwägung im jeweiligen Einzelfall nötig. Es ist zu klären, ob die Interessen des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses die Interessen des Vermieters an der Beendigung überwiegen.

Im oben geschilderten Fall muss die Mieterin eine konkrete Folge eines potenziellen Umzuges beweisen. Dazu muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, indem ein Neurologe, Psychiater etc. feststellen muss, dass die Mieterin einen anstehenden Umzug nicht verkrafteten würde (die 82-jährige demente Frau, die seit 45 Jahren in der gleichen Wohnung lebt).

Der Vermieter hatte die Wohnung mit der Kenntnis gekauft, dass dort eine 78-jährige Frau seit 41 Jahren wohnt. Bewohnte Wohnungen sollen deutlich günstiger in der Anschaffung sein, gerade weil es einen sozialen Mieterschutz gibt (§ 566 BGB). So bestand die Möglichkeit, der Mieterin vor dem Kauf eine Umzugsprämie zu zahlen oder ihr eine Ersatzwohnung zu besorgen, wie es in der Praxis oft vorkommt.

Die Entscheidung wirft Fragen auf. Die Position des Vermieters (Eigentum) erscheint weniger schutzwürdig. Das Tor zum Missbrauch könnte dadurch geöffnet worden sein. Es besteht die Gefahr des „Sich-Hineinkaufens“ in den Eigenbedarf, da für den Vermieter die Rechtsunsicherheit größer geworden scheint. Aber wäre das so verwerflich? Die Entscheidungen des BGH könnten dazu führen, dass sich Vermieter und Mieter zur Vermeidung langwieriger, quälender Rechtsstreite nach eigener Abwägung wirtschaftlich einigen. Die Gerichte wird es entlasten.

Autoren:       

Rechtsanwalt Dennis Wiegard                           Rechtsanwalt Dr. Dieter Jasper

Stand: 04.06.2019



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