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Brechdurchfall durch Fäkalien im Meer - Schadensersatz und Schmerzensgeld?

  • 4 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Die nächste Reisewelle steht kurz bevor, denn nach dem Winter zieht es jetzt wieder viele Reisende in wärmere Regionen, beispielsweise die Türkei, wo man bereits zu dieser Jahreszeit wieder einen entspannten Badeurlaub verbringen kann. Genau das hatte eine Familie im August 2014 auch geplant – allerdings endete dieser Badeurlaub zunächst im Krankenhaus und dann vor Gericht.

Sommerurlaub in Side gebucht

Ein Mann buchte im August 2014 für sich, seine Frau und die beiden Kinder einen zweiwöchigen Badeurlaub vom 14.08.2014 bis zum 27.08.2014 in einem 5-Sterne-Hotel in der Türkei für 6143 Euro. Das Hotel verfügt über einen hoteleigenen Strandabschnitt und war auf einen Bade-, Strand- und Erholungsurlaub ausgelegt.

Erkrankung am ersten Urlaubstag

Nachdem die Familie den ersten Urlaubstag am 14.08.2014 komplett am Strand verbracht hatte, erkrankte die 6-jährige Tochter noch am Abend dieses Tages an Brechdurchfall. Der 11-jährige Sohn erkrankte am 15.08.2014, die Frau am 17.08.2014 und der Mann am 18.08.2014 ebenfalls an schwerem Brechdurchfall. Insgesamt erkrankten im gebuchten Hotel 129 Personen an Brechdurchfall, auch Teile der einheimischen Bevölkerung litten an derselben Krankheit. Am 18.08.2014 wandte sich der Mann erstmals an die örtliche Reiseleitung und bat um Abhilfe.

Krankenhausaufenthalte und Umbuchung

Ebenfalls am 18.08.2014 suchte die ganze Familie den Hotelarzt auf, der alle vier am 19.08.2014 in ein Krankenhaus einwies. Dort wurde eine akute Gastroenteritis diagnostiziert. Durch die Reiseleitung erfolgte immer noch keine Warnung vor dem Baden im Meer, es wurde am 20.08.2014 lediglich ein Schreiben ausgelegt, dass es zwar in der örtlichen Kläranlage einen Defekt gäbe, aber trotzdem nur geklärte Abwässer ins Meer gelangten, jedoch keinerlei Gesundheitsgefährdung bestehe.
Am 21.08.2014 rief der Mann schließlich bei seinem Reisebüro in Deutschland an und bat um eine Umbuchung in ein anderes Hotel, zeitgleich rügte er schriftlich gegenüber der örtlichen Reiseleitung, dass seine komplette Familie seit dem 15.08.2014 unter einer Magen-Darm-Grippe leide. Daraufhin wurde die komplette Familie am 22.08.2014 in ein Hotel in Belek umgebucht, wobei der Mann die Taxikosten i. H. v. 60 Euro und den Aufpreis für das neue Hotel i. H. v. 276 Euro selbst trug.

Minderung und Schadensersatz verlangt

Nach seiner Rückkehr verlangte der Mann mit Anwaltsschreiben vom 03.09.2014 unter Fristsetzung bis 17.09.2014 vom Reiseveranstalter eine angemessene Minderung, sowie Schadensersatz für nutzlos aufgewandte Urlaubszeit und Ersatz materieller Schäden. Nachdem der Reiseveranstalter nicht reagierte, erhob der Mann schließlich Klage beim zuständigen Landgericht Köln – mit Erfolg.

Reisepreisminderung möglich

Die Richter urteilten zugunsten des Mannes und stellten fest, dass er einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises i. H. v. 3949,07 Euro nach §§ 346 Abs. 1, 651d Abs. 1, 638 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat. Eine durch den Defekt einer örtlichen Kläranlage verursachte Magen-Darm-Erkrankung stellt an sich einen Reisemangel dar, da die Reise durch die Erkrankung in ihrer Tauglichkeit gemindert wurde. Da diese Erkrankung bei allen Reiseteilnehmern auftrat, kann der gesamte Reisepreis gemindert werden. Zu beachten ist außerdem, dass das Reiseunternehmen selbst den Defekt der örtlichen Kläranlage als Auslöser der vielen Magen-Darm-Erkrankungen angenommen hat. Dass der Reiseveranstalter selbst nicht Verursacher des Reisemangels war, ist unerheblich. Nachdem der Mann nach § 651d Abs. 2 BGB ein Abhilfebegehren formuliert hat und die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB eingehalten hat, steht ihm die Minderung i. H. v. 3949,07 Euro zu.

Schadensersatz bzgl. verschiedener Ausgaben

In ihrem Urteil stellten die Richter außerdem fest, dass der Mann zusätzlich zum Minderungsbetrag einen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB i.H. v. 341,75 Euro für Rezeptgebühren, Taxikosten in das neue Hotel und Mehrkosten für das neue Hotel vom Reiseveranstalter verlangen kann. Nach Ansicht der Richter hatte der Reiseveranstalter seit 04.08.2014, also bereits 10 Tage vor Anreise der Familie, Kenntnis von den Problemen der defekten Kläranlage und der damit verbundenen Verunreinigung des Meeres. Außerdem erkrankten bereits zu diesem Zeitpunkt die ersten Urlauber an Brechdurchfall. Daher wäre es die Pflicht des Reiseveranstalters gewesen, die Familie über die Umstände zu informieren und an einem anderen Ort unterzubringen. Da er das unterlassen hat, beruhen die materiellen Schäden der Familie kausal auf der Pflichtverletzung des Reiseveranstalters und müssen zusätzlich ersetzt werden.

Schadensersatz wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit

Der Mann hat nach Meinung der Richter ebenfalls einen Schadenersatzanspruch i. H. v. 1974,51 Euro wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit gem. § 651f Abs. 2 BGB gegen den Reiseveranstalter. Nach § 651f Abs. 2 BGB ist ein solcher Anspruch gegeben, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Bereits aufgrund der oben zuerkannten Minderungsquote ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen. Dadurch, dass die gesamte Familie erkrankte, konnten in der ersten Urlaubhälfte weder Aktivitäten vorgenommen noch normal Nahrung aufgenommen werden. Daher liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor. Außerdem wurde die Urlaubszeit nutzlos aufgewendet, da schon aufgrund der hygienischen Zustände der Erholungszweck eines Urlaubs verfehlt wurde.
Besonders zu beachten ist, dass auch Kindern und Schülern ein Anspruch auf Ersatz nutzlos aufgewandter Urlaubszeit zusteht.
Da der Mann auch die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB eingehalten hat, steht ihm pro Reiseteilnehmer ein Schadensersatzanspruch i. H. v. 987,25 Euro zu, insgesamt 3949 Euro.

Schmerzensgeldanspruch für die gesamte Familie

Zusätzlich zur Reisepreisminderung und den Schadensersatzansprüchen hat der Kläger einen Schmerzensgeldanspruch nach § 280 Abs. 1 i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte. Der Reiseveranstalter hätte die Erkrankung der Familie dadurch verhindern können, wenn er sich über die hygienischen Zustände vor Ort ausreichend informiert hätte und die Familie in eine andere Urlaubsregion umgebucht hätte. Aus diesem Grund ist ein Schmerzensgeld i. H. v. 500 Euro pro Person ausreichend, also gesamt 2000 Euro.

Klage erfolgreich

Insgesamt war die Klage des Mannes damit erfolgreich. Der Reiseveranstalter musste insgesamt 10.351,95 Euro zuzüglich einer Auslagenpauschale und Umsatzsteuer an den Mann zahlen.

Fazit: Nicht nur Erwachsene haben einen Anspruch wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit, auch Kinder und Schüler können diesen Anspruch für sich geltend machen.

(LG Köln, Urteil v. 24.08.2015, Az.: 2 O 56/15)

(WEI)

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