Bundesgerichtshof missachtet Beteiliung an Bewertungsreserven für Kunden von Kapitallebensversicherungen

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 11. Februar 2015 - Az. IV ZR 213/14, das Verlangen eines Versicherungsnehmers einer kapitalbildenden Lebensversicherung auf Auszahlung von dessen Anteil an den Bewertungsreserven zusätzlich zum Schlussüberschussanteil bei Vertragsende zu Unrecht abgelehnt.

Fehlerhaft ist die Auffassung des BGH, dass die gesetzlich eingeräumte Beteiligung der Ausscheidenden an den Bewertungsreserven in gleicher Weise wie die Schlussüberschussanteile aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) zu finanzieren sei. Dabei hat der BGH übersehen, dass die RfB nur aus handelsrechtlich erzielten Überschüssen gebildet wird und die Bewertungsreserven aufgrund des handelsrechtlichen Realisationsprinzips weder in den handelsrechtlichen Überschüssen noch in der RfB enthalten sein können. Bei den in den Jahresabschlüssen der Versicherer in den RfB gleichwohl ausgewiesenen Rückstellungen für die Beteiligung an Bewertungsreserven handelt es sich daher um den Versicherungsnehmern zustehende Überschüsse, die lediglich „umdeklariert“ sind. Insoweit stellt sich natürlich die Frage, wie der vom Gesetzgeber eingeräumte zusätzliche Anspruch auf Beteiligung an den Bewertungsreserven ohne deren Realisierung rechtstechnisch bewerkstelligt werden soll. Möglicherweise ist dem Gesetzgeber dabei ein handwerklicher Fehler unterlaufen.

Der zweite und entscheidende Fehler des BGH liegt jedoch darin, dass er die Praxis der Lebensversicherer gebilligt hat, den Anteil der ausscheidenden Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven mit deren Schlussüberschussanteil zu verrechnen. Die den Ausscheidenden vom Gesetzgeber zusätzlich eingeräumte Beteiligung an den Bewertungsreserven wird somit ausschließlich von diesen selbst aufgebracht und zwar durch eine entsprechende Verringerung von deren Schlussüberschussanteilen. Im Ergebnis erhalten die Ausscheidenden somit ebenso viel aus gezahlt, als wenn es die Beteiligung an den Bewertungsreserven nicht gäbe. Dies verstößt gegen das Gesetz, jedenfalls aber gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Juli 2005 - Az. 1 BvR 80/95, wonach der Gesetzgeber verpflichtet ist, hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür vorzusehen, dass bei der Ermittlung eines bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die durch die Prämienzahlungen im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung geschaffen worden sind.

Dem Vernehmen nach wird gegen das Urteil des BGH Verfassungsbeschwerde eingereicht. Das BVerfG hat dann darüber zu entscheiden, ob der BGH die bestehenden Gesetze falsch angewandt oder der Gesetzgeber gepfuscht hat.

Betroffen sind alle Versicherungsnehmer von kapitalbildenden Lebensversicherungen mit Überschussbeteiligungen bei Vertragsende. Diese sollten prüfen lassen, in welcher Höhe sie betroffen sind. Sie sollten zumindest Schritte gegen die Verjährung ihrer Ansprüche unternehmen. Andernfalls sind ihre Ansprüche bei danach ergehender positiver Entscheidung des BVerfG endgültig verloren.



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