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Bundesverfassungsgericht: Erbschaftsteuer ist teilweise verfassungswidrig

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Geht es um die Erbschaftsteuer, war beim Erben und Vererben nicht alles gleich. Während für Privatvermögen je nach Verwandtschaftsverhältnis relativ überschaubare Freibeträge galten, blieben wesentlich größere Wirtschaftsvermögen weitgehend bis ganz von der Steuer verschont. Die deshalb entstandenen Zweifel an der Steuergerechtigkeit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem nun verkündeten Urteil bestätigt. Zugleich erklärt das Gericht die entsprechenden Vorschriften für vorerst weiter anwendbar. Dem Bundesgesetzgeber bleibt bis zum 30.06.2016 Zeit für eine Neuregelung.

Unverhältnismäßige Steuerbefreiung großer Unternehmen

Der Gesetzgeber dürfe mit dem Steuerrecht zwar auch außerfiskalische Zwecke fördern: Die Ausnahmen bei der Besteuerung von Betriebsvermögen sollen einen sonst drohenden Verlust von Arbeitsplätzen verhindern. Dabei sei jedoch ein Ungleichgewicht bei der Besteuerung entstanden. So sei zwischen 2009 und 2012 über ein Drittel des unentgeltlich übertragenen Vermögens aufgrund dieser Ausnahmen steuerfrei geblieben. Nicht in jedem Fall sei dabei von einem Bedürfnis der Steuerbefreiung zum Erhalt von Arbeitsplätzen auszugehen. Dies gelte besonders für größere Unternehmen. Zumindest bei diesen fordert das Bundesverfassungsgericht eine bislang fehlende Bedürfnisprüfung. In Hinblick auf kleinere und mittleren Unternehmen, die besonders häufig als Familienunternehmen geführt werden, betrachteten die Karlsruher Richter die Regeln als weniger kritisch in Hinblick auf die Steuergerechtigkeit.

Auch sonst verfehlten die Ausnahmen zum Teil den bezweckten Arbeitsplatzerhalt. Ohne diese gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Inhalte machen die restlichen, verfassungsgemäßen Inhalte der § 13a und § 13b Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) wiederum keinen Sinn mehr. Deshalb seien sie insgesamt unwirksam. Das gelte auch für den mit ihnen in Verbindung anzuwendenden § 19 Abs. 1 ErbStG.

Im Einzelnen richtet sich das Bundesverfassungsgericht gegen folgende Bestimmungen:

  • Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten sind freigestellt, ohne dass es bei ihnen wie sonst nach dem unentgeltlichen Erwerb des Erhalts einer bestimmten Mindestlohnsumme bedarf. Um die Verwaltung zu vereinfachen, hatte der Gesetzgeber diese nicht verlangt.

  • Damit nur produktives Vermögen gefördert wird, durfte der Anteil sogenannten Verwaltungsvermögens am Gesamtvermögen höchstens 50 Prozent betragen. Was dazu gehört, nennt § 13b Abs. 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG. Beispielsweise handelt es sich um verpachtete Grundstücke, Betriebsteile, Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Beteiligung 25 Prozent oder weniger beträgt, Wertpapiere, Kunstgegenstände und vieles mehr. Diese Grenze von 50 Prozent halten die Verfassungsrichter für zu hoch.

  • Kritik gab es auch hinsichtlich der möglichen Umgehung der Steuergesetze. Dies begründet ebenfalls eine Verfassungswidrigkeit. Die Kritik betraf hier zum einen Möglichkeiten, Privatvermögen zur Steuerersparnis in privilegiertes Betriebsvermögen zu überführen. Hinsichtlich dessen hatte der Gesetzgeber zuletzt im Juni 2013 die Nutzung einer sogenannten „Cash-GmbH“ beschränkt. Weitere Kritik gab es aber dennoch hinsichtlich der Lohnsummenpflicht, die sich mittels Aufspaltung in Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten zu leicht umgehen lasse. Aus mehreren Unternehmen bestehende Konzerne könnten die für das Ja oder Nein einer Besteuerung entscheidende Schwelle von 50 Prozent Verwaltungsvermögen durch entsprechende Verteilung erreichen.

Folgen der Entscheidung für die Zukunft

Das Bundesverfassungsgericht hat die Regeln nicht für nichtig erklärt. Sie bleiben weiter anwendbar. Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass Betroffene keinen Vertrauensschutz genießen, wenn der Gesetzgeber nun eine bis zum Tag der Urteilsverkündung rückwirkende Regelung erlässt. Aus Verunsicherung über diese künftige, für sie nachteiligere Rechtslage übertrugen viele Unternehmer ihr Betriebsvermögen bereits im Wege der Schenkung bzw. vorweggenommenen Erbfolge, für die steuerrechtlich nahezu die gleichen Regeln wie für vererbtes Vermögen gelten.

Zuletzt brachte die Erbschaftsteuer dem Fiskus 5 Milliarden Euro pro Jahr ein. Das ist etwas weniger als ein Prozent des gesamten Steueraufkommens. Die eingenommene Erbschaftsteuer geht dabei an die jeweiligen Bundesländer.

(BVerfG, Urteil v. 17.12.2014, Az.: 1 BvL 21/12)

(GUE)

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