Corona, Lieferketten, Flut, A 45-Chaos, Krieg, Inflation und Energiekrise – wie sollen Unternehmen reagieren?

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Interview von Robin Alexander Schröder (Verlagswesen für die SIHK) mit den geschäftsführenden Partnern von Klepper & Partner Rechtsanwälte, Hagen.

SIHK: Als Kanzlei für Wirtschaftsrecht, Sanierung und Insolvenz hatten Sie doch bestimmt in den letzten Monaten und Jahren unglaublich viel zu tun?

RA Schlüter: Nicht wirklich. Im Bereich der Unternehmensinsolvenzen sind die Antragstellungen seit Beginn der Corona-Krise ab März 2020 massiv rückläufig.

SIHK: Woran liegt das?

RAin Bernath zu Bernathfalva: Es wurde so viel Geld in den Markt gepumpt, dass alle Unternehmen, die bereits vor Corona nicht oder kaum noch lebensfähig waren, sich noch über Wasser halten können. So kam zu der gesundheitlichen Pandemie nicht noch eine Wirtschaftskrise hinzu. Doch kann man faktisch jetzt keinem Geschäftspartner mehr vertrauen.

SIHK: Wie meinen Sie das?

RA Klepper: Wir sprechen von Zombies! Durch die Staatshilfen wurden Unternehmen am Markt gehalten, die schon vor der Pandemie kaum lebensfähig waren. Zombies sind Unternehmen, die nicht ausreichend Erträge generieren, um die Zinslasten der Kapitaldienste zu decken. Man vermutete für Deutschland im Jahr 2020 ungefähr je nach Branche zwischen 3 und 10 Prozent aller Unternehmen als Zombies. Durch die Corona-Krise und die sich jetzt anschließenden Krisen wie Energiekrise, Lieferkettenprobleme, Inflation, Rezession ist die Quote natürlich immens gestiegen. Es war bisher so, dass die Staatshilfen fast ohne betriebswirtschaftliche Prüfung ausgereicht wurden. Es hat also niemand auf die Zombies geachtet. Diese konnten sich ebenso mit Staatshilfen eindecken, wie gesunde Unternehmen.

SIKH: Wenn aber die Wirtschaft durch die Hilfen insgesamt am Leben erhalten wurde, worin besteht die Gefahr für den Markt?

RA Klepper: Die Gefahr ist, dass die Zombies fast nicht erkennbar sind. Es sind Marktteilnehmer, die kaufen, produzieren, liefern und handeln, jedoch ohne Vorwarnung jederzeit kollabieren können. Wenn Sie der Geschäftspartner sind, der entweder auf Ware des Zombies wartet und selbst Lieferverpflichtungen eingegangen ist oder Sie sind Lieferant eines Zombies und warten auf Zahlung, dann zieht der Zombie Sie mit in den Abgrund oder er infiziert Sie unerkannt. Jeder kann sich ausmalen, welche Risiken in einem ausfallenden Geschäftspartner stecken, der eine gewisse Bedeutung für Ihr Unternehmen hat; sei es debi- oder kreditorisch! Erleiden Sie durch den Zombie Schaden, werden Sie diesen zumeist mit neuen Darlehen überbrücken müssen. Gerade vor dem Hintergrund der heraufziehenden Rezession ist das eine tödliche Gefahr für jedes gesunde Unternehmen.

SIHK: Warum sollten Zombies jetzt kollabieren?

RAin Bernath zu Bernathfalva: Zombies werden häufiger ausfallen, da nach Corona alles schlechter geworden ist. Ab November beginnen die Tilgungen für die ersten Corona-Darlehen. Die Energiekosten steigen unaufhaltsam; ebenso die Mindestlöhne, so dass sich in den nächsten Monaten Nachzieheffekte für die angrenzenden Lohngruppen ergeben werden. Somit steigt die Inflation weiter. Zombies schaffen das nicht mehr, weil die staatlichen Hilfen nicht mehr unreflektiert ausgeschüttet werden. Hinzu kommt die drohende Rezession, die den Zombie noch mehr schwächt.

SIHK: Was kann man also als Unternehmer tun?

RA Schlüter: Nicht kann, sondern muss! Es gibt mannigfaltige Pflichten für Geschäftsführer und Unternehmer, um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens permanent im Auge zu behalten. Den meisten Unternehmensführern ist das nur nicht bewusst.

SIHK: Welche Verpflichtungen sind das?

RA Klepper: Seit Januar 2021 gilt das Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen, mit der Verpflichtung in § 1 StaRUG, dass jeder Geschäftsführer ein Risikomanagementsystem etablieren muss. Dieses muss ihn permanent in die Lage versetzen, Fehlentwicklungen und Risiken zu erkennen, um zeitnah Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es sagt einem niemand, wie das zu geschehen hat, gleichwohl ist diese Regelung ein sog. Schutzgesetz um persönliche Schadenersatzansprüche bei einer Insolvenz gegen den Geschäftsführer zu begründen. Das StaRUG richtet sich an alle juristischen Personen; die Unternehmensgröße spielt keine Rolle!

SIHK: Aber laut Medienberichten sind doch Insolvenzen wieder ausgesetzt. Ist das keine Hilfe?

RAin Bernath zu Bernathfalva: Das Thema Insolvenzaussetzung macht es schlimmer! Dahinter steckt die nachvollziehbare aber leider dumme Idee der Politik, dass Insolvenzen die Krisen verschärfen würden und es ungerecht wäre, wenn gesunde Unternehmen durch die Krise unverschuldet in Insolvenz geraten würden. Dieser ehrenvolle Gedanke birgt jedoch eine Haftungsfalle für Unternehmer, da es keine Differenzierung zwischen erhaltenswerten Unternehmen und Zombies gibt. Die Vorschriften der Aussetzungsgesetze sind in Anwendung und Folgen so komplex, dass wir dringend raten, bei den ersten Anzeichen von wirtschaftlichen Problemen Hilfe eines Fachanwaltes für Insolvenzrecht einzuholen. Sich auf die eigene Einschätzung zu verlassen, kann wirtschaftlich letal sein. Wir halten auch die angedachte Aussetzung über das Sanierungs- und insolvenzrechtliche Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) für Überschuldung bis zum 31.12.23 für eine Haftungsfalle für Unternehmensführer.

SIHK: Was sollen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und Unternehmerinnen und Unternehmer Ihrer Meinung nach jetzt tun?

RA Klepper: Sie sollten in jedem Fall sehr zeitnah einen Status erheben und prüfen, ob die Vorgaben an ein gesetzliches Risikomanagement ausreichend bestehen und dokumentiert sind. Im Zuge dessen kann man sich den Themen Zombies (auf Kunden und Lieferantenseite), Energiepreisentwicklung, Corona- und Kriegsfolgen zuwenden und ggf. Abwehrmechanismen oder Schadenminimierungsmaßnahmen erarbeiten. Auch die Frage persönlicher Haftung wegen bisheriger, aber beseitigter Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung kann man in diesem Zusammenhang prüfen und ggf. Lösungen zuführen. Wichtig ist frühzeitig Beratungshilfe zu suchen. Wer zu spät kommt, den bestraft der Insolvenzverwalter!

Foto(s): Klepper & Partner RAe GmbB

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