Coronavirus & Folgen für Ärzte und medizinisches Personal

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1. Darf ein niedergelassener Arzt seine Praxis aus Angst vor Ansteckung oder mangels Schutzausrüstung schließen? 

Da niedergelassene Ärzte nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet sind, müssen sie ihren Versorgungsauftrag auch in Zeiten von Corona erfüllen. Wird die vertragsärztliche Tätigkeit nicht ausgeübt, kann der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung, im schlimmsten Fall sogar deren Entzug beschließen. 

2. Kann die Behandlung eines Patienten mit Verdacht auf Covid-19 durch den Vertragsarzt abgelehnt werden? 

Ärzte sind aufgrund ihres Versorgungsauftrages auch in der aktuellen Situation zur Behandlung der Versicherten verpflichtet. Nur in begründeten Einzelfällen darf die Behandlung abgelehnt werden, etwa wenn dem Arzt eine Behandlungsübernahme nicht zumutbar ist. Insbesondere wenn Ärzte selbst zur Risikogruppe gehören, müssen sie sich der Gefahr einer persönlichen schweren Erkrankung nicht aussetzen und dürfen die Behandlung ablehnen. Das Interesse des Versicherten an der Behandlung tritt in dem Fall zurück. Es muss dann eine Vorstellung im Krankenhaus erfolgen. 

3. Muss medizinisches Personal in der Patientenversorgung mitarbeiten, wenn persönliche Gesundheitsrisiken (z. B. Vorerkrankungen) bestehen? 

Arbeitnehmer müssen trotz der Corona-Pandemie ihrer Arbeitsverpflichtung nachkommen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Erbringung der Leistung im Einzelfall unzumutbar ist, insbesondere bei vorerkrankten oder aus sonstigen Gründen zur Risikogruppe gehörenden Personen. Ratsam kann es sein, sich die spezielle Gesundheitsgefährdung nachweisbar attestieren zu lassen. Der Arbeitgeber hat dann im Rahmen seiner Fürsorgepflicht weniger gefährdende Einsatzmöglichkeiten zu prüfen. Nimmt der Arbeitgeber keine Rücksicht und besteht in Kenntnis aller Umstände auf der Versorgung von Covid-19-Patienten durch den betroffenen Mitarbeiter, welcher sich in der Folge nachweislich infiziert und ggf. Folgeschäden davonträgt, macht er sich wegen schuldhafter Verletzung seiner Fürsorgepflichten schadenersatzpflichtig. 

4. Welche Folgen hat ein ungeschützter Kontakt zu Corona-positiven Patienten für das medizinische Personal nach den aktuellen Empfehlungen des RKI? 

Das medizinische Personal in Arztpraxis und Krankenhaus wird nach Kategorie Ia („Hohes Expositionsrisiko“) und Kategorie Ib („Begrenztes Expositionsrisiko“) unterschieden. Bei nachweislichem Kontakt mit einem Corona-positiven Patienten ist nach den Empfehlungen des RKI bei Personalmangel für das medizinische Personal keine 14-tägige Quarantäne mehr vorgesehen. Kontaktpersonen Ia dürfen schon nach 7-tägiger Quarantäne mit Mund-Nasen-Schutz (MNS) wieder arbeiten, wenn sie symptomfrei sind.

In Ausnahmefällen können sie sogar ohne vorherige Quarantäne die Versorgung von Covid-19 Patienten übernehmen. Kontaktpersonen Ib dürfen bei Symptomfreiheit mit MNS weiterarbeiten, müssen aber bis 14 Tage nach Exposition eine Selbstbeobachtung und Dokumentation durchführen. Gegebenenfalls sollen Testungen auf SARS-CoV-2 erfolgen (in Sachsen z. B. am 2. und 5. Tag). Der Einsatz in der Versorgung besonders vulnerabler Patientengruppen soll nach Möglichkeit vermieden werden. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit ist vorgesehen, wenn bei mindesten 48-stündiger Symptomfreiheit eine negative PCR-Untersuchung, gewonnen aus zwei zeitgleich durchgeführten Naso-/Oropharyngealabstrichen, vorliegt. 

5. Welche Folgen hat es, wenn medizinisches Personal positiv auf Covid-19 getestet wurde? 

In diesen Fällen folgt eine Quarantäne des betroffenen Mitarbeiters. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit ist vorgesehen, wenn bei 48-stündiger Symptomfreiheit zwei negative Testungen im Abstand von 24 Stunden vorliegen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Versorgung von Nicht-Covid-19-Patienten wieder möglich. Im Falle einer BAG gelten die modifizierten Reglungen für Kontaktpersonen Ib (s. Ziff. 4). Außerdem ist während der gesamten Anwesenheit am Arbeitsplatz ein MNS zu tragen. In absoluten Ausnahmefällen sehen die Empfehlungen des RKI vor, dass der betroffene Mitarbeiter, trotz positiver Testung, ausschließlich die Versorgung von Covid-19-Patienten übernimmt. Diese Regelung dürfte vor allem auf medizinisches Personal im Krankenhaus zugeschnitten sein. 

6. Wann genau gelten diese angepassten Empfehlungen? 

Die Vorgaben des RKI betreffen ausschließlich medizinisches Personal als Kontaktpersonen. Die angepassten Handlungsoptionen gelten außerdem nur in Situationen, in denen ein relevanter Personalmangel vorliegt und andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung ausgeschöpft sind. Primär sind Maßnahmen zu treffen, um Personalressourcen zu schonen, z. B. das Absagen elektiver Behandlungen, die Verlegung in andere Kliniken und Rekrutierung von Personal. Ein relevanter Personalmangel ist erreicht, wenn die adäquate Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet ist. 

7. Wie verbindlich sind die Vorgaben des RKI? 

Die Richtlinien des RKI sind als Empfehlungen grundsätzlich rangniedriger als Bundes- oder Landesgesetze. Durch die Bundesnorm des § 4 IfSG wird dem RKI aber eine Richtlinien- und Empfehlungskompetenz zugewiesen. Die Einhaltung der Empfehlungen ist dringend anzuraten, insbesondere weil den Vorgaben des RKI in einem eventuellen Haftungsprozess Indizwirkung zukommen dürfte. 

8. Wer haftet, wenn sich medizinisches Personal im Rahmen der beruflichen Tätigkeit mit Covid-19 ansteckt?

Haftungsgrundlage kann eine vertragliche Beziehung oder die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes (z. B. unerlaubte Handlung § 823 BGB) sein. Beiden Anspruchsgrundlagen ist gemeinsam, dass eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung zu einem kausalen Schaden geführt haben muss. Im Rahmen einer Vertragshaftung, welche z. B. in einem Anstellungsverhältnis in Betracht kommt, muss durch die Handlung eine vertragliche Pflicht verletzt worden sein. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber gegen seine Fürsorgepflicht verstößt, indem er keine zumutbaren Schutzmaßnahmen ergreift, infolgedessen sich seine Mitarbeiter mit Covid-19 anstecken. Die Haftung ist jedoch nach § 105 SGB VII auf Vorsatz begrenzt. 

9. Was ist, wenn medizinisches Personal das Virus nach Hause verschleppt und die eigene Familie ansteckt? 

Medizinisches Personal mit Kontakt zu bestätigten Covid-19-Fällen hat nach den Vorgaben des RKI auch im eigenen Haushalt nach Möglichkeit eine zeitliche (z. B. getrennte Einnahme der Mahlzeiten) und räumliche Trennung zu anderen Haushaltsmitgliedern zu vollziehen. Insbesondere wenn gefährdete Risikopersonen mit im Haushalt leben, ist besondere Vorsicht und vor allem die strikte Einhaltung von Hygienemaßnahmen geboten. Die Ansteckung mit Infektionskrankheiten im Rahmen des Zusammenlebens mit Angehörigen des Gesundheitswesens in häuslicher Gemeinschaft stellt vor diesem Hintergrund ein allgemeines Lebensrisiko dar. 

10. Handelt es sich um einen Arbeitsunfall, wenn sich medizinisches Personal im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit Covid-19 ansteckt? 

Kennzeichnend für einen Arbeitsunfall ist, dass das körperlich schädigende Ereignis zeitlich begrenzt ist und ursächlich im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit steht. Nachdem die WHO aufgrund der internationalen Verbreitung des Coronavirus am 11.03.2020 offiziell die Pandemie ausgerufen hat steht fest, dass Covid-19 eine weltweite Allgemeingefahr darstellt. Eine Allgemeingefahr liegt vor, wenn in einem bestimmten Gebiet alle Menschen mehr oder minder gleich bedroht sind. Bei Erkrankungen in Folge einer Infektion mit Covid-19 liegt somit in der Regel kein Arbeitsunfall vor, weil sich eine Gefahr verwirklicht hat, von der ein Versicherter zur selben Zeit und mit gleicher Schwere auch außerhalb seiner versicherten Tätigkeit betroffen gewesen wäre. Die Betroffenheit ergibt sich daher zufällig und unabhängig von der versicherten Tätigkeit. 

11. Handelt es sich um eine Berufskrankheit, wenn sich medizinisches Personal im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit Covid-19 ansteckt? 

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur solche Krankheiten, die in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) als Berufskrankheiten bezeichnet sind und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Der rechtlich notwendige Ursachenzusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Entstehung der Krankheit dürfte bei einer Ansteckung mit Covid-19 im Rahmen einer medizinischen Tätigkeit an infizierten Patienten gegeben sein, ist aber durch den Betroffenen nachzuweisen. Die Allgemeingefahr tritt dann wegen des erhöhten beruflichen Risikos bestimmter Personengruppen in den Hintergrund, sodass die Anerkennung als Berufskrankheit bei berufsbedingter Ansteckung mit dem Coronavirus von Mitarbeitern des Gesundheitswesens unbedingt zu überprüfen ist. 

12. Leistet die Berufsunfähigkeitsversicherung bei berufsbedingter Covid-19-Infektion? 

Üblicherweise leistet die private Berufsunfähigkeitsversicherung bei jeder nicht eindeutig ausgeschlossenen Krankheit, sodass grundsätzlich auch bei einer Infektion mit Covid-19 Versicherungsschutz besteht. Bei Ärzten, Zahnärzten und anderen medizinischen Berufen ist in der Regel eine Infektionsklausel im Versicherungsvertrag enthalten, weil diese Personengruppen berufsbedingt einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Kann ein Arzt wegen eines infektionsbedingten behördlichen Berufsverbots seinen Beruf nicht mehr ausüben, ist er bei Vorliegen einer Infektionsklausel entsprechend abgesichert.

Die Klausel ist deshalb von Bedeutung, weil Behörden die ärztliche Tätigkeit grundsätzlich schon untersagen können, wenn ein Ansteckungsverdacht vorliegt. Das Berufsverbot kann also nicht nur bei einer eigenen Infektion des Arztes, sondern auch bei Fremdgefährdung aufgrund einer Infektion ausgesprochen werden. Liegt keine Infektionsklausel vor, zahlen Versicherer unter Umständen nicht, wenn Ärzte aufgrund behördlicher Verbote nicht mehr praktizieren dürfen.

Foto(s): Phillip Masak

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