Darf Schuldner im Insolvenzverfahren vom insolvenzfreien Einkommen einzelne Gläubiger befriedigen?

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Darf der Schuldner aus seinem insolvenzfreien Vermögen einzelne Insolvenzgläubiger befriedigen?

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.01.2010 unter Aktenzeichen IX-ZR 93/09 stehen die Vorschriften der Insolvenzordnung der Befriedigung einzelner Insolvenzgläubiger aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht entgegen.

Eine Insolvenzverwalterin verklagte im Insolvenzverfahren einen Landkreis auf Rückzahlung von bezahlten Gebühren im Zusammenhang mit der Zulassung von einem Kraftfahrzeug. Die Zahlung wurde vom Schuldner aus seinem insolvenzfreien Vermögen auf rückständige Gebühren für ein ehemaliges Fahrzeug geleistet. Die Zulassungsbehörde machte die Neuanmeldung eines Fahrzeugs von der Begleichung der Altforderung abhängig.

Die Insolvenzverwalterin klagte auf Rückzahlung aus eigenem Recht, hilfsweise aufgrund der mit dem Schuldner vereinbarten Abtretung der Ansprüche. Das Amts- und Landgericht wiesen die Klage ab. Dagegen legte die Insolvenzverwalterin Revision ein und verfolgte ihr Begehren weiter. Der Bundesgerichtshof lehnte den Rückzahlungsanspruch der Insolvenzverwalterin ab.

1. Die Insolvenzverwaltern hat keine Ansprüche aus eigenem Recht, weil die Zahlung aus Mitteln erfolgte, die nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 35, 36 InsO gehörten. Die Mittel unterlagen daher nicht der Verfügungsbefugnis der Insolvenzverwalterin gemäß § 80 InsO.

2. Die Durchsetzung berechtigter Forderungen kann nur dann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn sich der Gläubiger unlauterer Mittel bedient (BGH, Urt. v. 7. März 1985 - III ZR 90/83). Dem Schuldner war die Zulassung eines neuen Fahrzeugs verwehrt, solange dieser noch Gebühren schuldete. Für den Schuldner entstand dadurch zwar eine gewisse Zwangslage. Es ist aber weder festgestellt, dass der Schuldner auf die Zulassung eines Fahrzeugs zwingend angewiesen war, noch war die Bezahlung der Rückstände aus dem insolvenzfreien Vermögen unzumutbar.

3. Auch aus der Abtretung leitet sich kein Anspruch gegen den Beklagten ab. Der Schuldner hat keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S.1 Fall 1 BGB, da die Zahlung nicht ohne rechtlichen Grund erfolgte.

4. Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger gilt während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht in Bezug auf das freie, nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners.

Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus: „Freiwillige Zahlungen des Schuldners mit Mitteln, die nicht zur Insolvenzmasse gehören (dies sind insbesondere unpfändbare Gegenstände, § 36 InsO), sind daher durch die §§ 87, 89 InsO nicht untersagt. Dies entspricht auch der im Schrifttum herrschenden Auffassung ...."

5. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO darf der Schuldner aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung während der Laufzeit der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschaffen. Dieses Verbot besteht jedoch erst nach Ankündigung der Restschuldbefreiung und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in der Wohlverhaltensphase (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07). Für die während des Insolvenzverfahrens erfolgte Zahlung des Schuldners gilt sie nicht.

Durch die Entscheidung des BGH wurde eine bei manchen Insolvenzgerichten sehr umstrittene Frage geklärt. Beispielweise wurde bei finanzierten Fahrzeugen von manchen Gerichten die Auffassung vertreten, dass die Weiterzahlung der Raten aus dem pfändungsfreien Vermögen eine unzulässige Verfahrensweise darstelle. Für die Phase des laufenden Insolvenzverfahrens besteht nun Klarheit.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Hermann Kulzer

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Insolvenzrecht

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