Das Abwerben von Kunden durch ehemalige Arbeitnehmer aus wettbewerbsrechtlicher Sicht

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Es kommt nicht selten vor, dass Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen entweder selbst ein Konkurrenzunternehmen gründen oder eine Tätigkeit bei einem Konkurrenten aufnehmen und die Kunden des ehemaligen Arbeitgebers kontaktieren, um diese zu dem neuen Unternehmen zu locken. Gegen derartige Handlungen kann sich der Arbeitgeber durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes absichern. Dieses ist aber nur rechtswirksam, wenn dem Arbeitnehmer dafür eine Entschädigungszahlung arbeitsvertraglich zugesichert wird. Da diese je nach Einkommen sehr hoch ausfallen kann, enthalten viele Arbeitsverträge keine entsprechende Klausel. Es stellt sich dann häufig die Frage, ob entsprechende Abwerbehandlungen des ehemaligen Arbeitnehmers wettbewerbswidrig sind. Der ehemalige Arbeitgeber und jetzige Mitbewerber möchte die Handlungen unterbinden, der Arbeitnehmer bis zur Grenze des Erlaubten die Kontakte des ehemaligen Arbeitnehmers nutzen.

I. Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit

Die Rechtsprechung bewertet das „Abwerben von Kunden" nach § 4 Nr. 10 UWG. Danach handelt unlauter, wer einen Mitbewerber gezielt behindert. Dies gilt generell, aber auch für den Fall, dass der Abwerbende ein ehemaliger Arbeitnehmer des Mitbewerbers ist. Die Rechtsprechung geht dabei immer wieder vom Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit aus. Zwar stellt der Kundenstamm zumeist einen erheblichen, oft auch den einzigen wirtschaftlichen Wert eines Unternehmens dar, aber es handelt sich dabei nicht um ein geschütztes Rechtsgut. Es gibt keinen Bestandsschutz für den Kundenstamm eines Unternehmens (BGH GRUR 2002, 548 - Mietwagenkostenersatz). Das Abwerben von Kunden gehört nach der Rechtsprechung zum freien Wettbewerb, auch wenn dies bewusst und planmäßig geschieht (BGH GRUR 1986, 547 - Handzettelwerbung).

II. Besondere Umstände, die eine Unlauterkeit begründen

Unlauter wird das Abwerben erst, wenn weitere, besondere Umstände hinzukommen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Abwerbende den Kunden unlauter anlockt, indem er die „Rationalität seiner Entschließung" ausschaltet (BGH GRUR 2001, 752 - Eröffnungswerbung). Muss der Kunde sich besonders schnell für ein intransparent gehaltenes Angebot entscheiden, kann dies unlauter sein. Weiter können besondere Umstände vorliegen, wenn der Abwerbende den Kunden zum Vertragsbruch verleitet. Ist der Abwerbende ein ehemaliger Arbeitnehmer des Mitbewerbers, kennt er im Zweifel die Vertragsbindung des Kunden mit dem Mitbewerber und kann gezielt auf einen Vertragsbruch hinwirken. Gleiches gilt, wenn der Abwerbende den Mitbewerber, also den ehemaligen Arbeitgeber bei dem Kunden herabsetzt. Besondere Umstände liegen ferner vor, wenn der Abwerbende fremde Geschäftsgeheimnisse ausnutzt. Die Verwertung von Kundenadressen, die dem Abwerbenden im Gedächtnis geblieben sind, begründet allerdings keine Unlauterkeit (BGH WRP 1999, 912 - Kundenanschriften).

III. Unlauterkeit durch irreführende Angaben

Weitere besondere Umstände können vorliegen, wenn der Abwerbende den Kunden durch irreführende Angaben veranlasst, die Geschäftsbeziehung zum Mitbewerber zu beenden. In diesem Fall liegt nicht nur eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG vor, sondern auch eine irreführende und damit nach § 5 Abs. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlung. Im Fall des Abwerbens durch ehemalige Mitarbeiter kommen hier irreführende Angaben in Betracht, die beim Kunden den Eindruck erwecken, der Abwerbende trete (zunächst noch) als Mitarbeiter des Mitbewerbers in Kontakt zum Kunden. Dabei kann gemäß § 5a UWG auch ein Irreführen durch Unterlassen unlauter sein, wenn der Abwerbende den Kunden, bei dem ein Irrtum hervorgerufen wurde, nicht über die tatsächlichen Verhältnisse aufklärt.

IV. Unlauterkeit durch die Art und Weise der Kontaktaufnahme

Unabhängig von der Frage, ob das Abwerben von Kunden unlauter ist, kann sich eine Unlauterkeit auch durch die Art und Weise der Kontaktaufnahme ergeben. Der ehemalige Arbeitnehmer darf, wenn er in rechtmäßig die Kunden des Mitbewerbers abwerben will, die Kunden nicht unzumutbar belästigen. Wann eine unzumutbare Belästigung vorliegt, bestimmt sich nach § 7 Abs. 1 und 2 UWG. Die Voraussetzungen einer Unzulässigkeit der Werbung per E-Mail ist in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelt, Ausnahmen davon in § 7 Abs. 3 UWG.  Eine Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ist unzumutbar, wenn dieser keine ausdrückliche Einwilligung hierfür gegeben hat, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG.  Gegenüber sonstigen Marktteilnehmern, also zum Beispiel Geschäftskunden, ist die Werbung durch einen Telefonanruf unzumutbar, wenn keine mutmaßliche Einwilligung vorliegt. In einem aktuellen Urteil hierzu hat der BGH entschieden, dass keine unzumutbare Belästigung durch einen ehemaligen Arbeitnehmer vorliegt, der Kunden zum Zwecke des Abwerbens anruft. Der Abwerbende darf zumindest eine mutmaßliche Einwilligung der Kunden annehmen, weil diese an der nützlichen Information ein nicht unerhebliches Interesse haben können (BGH GRUR 2010, 939 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel).

V. Zusammenfassung

Besteht kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer, kann dieser grundsätzlich nach dem Ausscheiden Kunden des ehemaligen Arbeitgebers abwerben. Erst durch weitere, besondere Umstände wird das Abwerben zu einer unlauteren Behinderung des Mitbewerbers gemäß § 4 Nr. 10 UWG. Wenn der ehemalige Arbeitnehmer falsche Angaben gegenüber dem Kunden macht, kann auch eine irreführende geschäftliche Handlung gemäß § 5 UWG vorliegen. Beachtlich kann zuletzt auch die Art und Weise der Kontaktaufnahme sein. Gerade in Fällen, in denen keine Wettbewerbswidrigkeit des Abwerbens feststellbar ist, verlagert sich der Streit auf diese Ebene und die Frage, ob in der Abwerbehandlung eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 und 2 UWG gesehen werden kann.

Rechtsanwalt Axel Dreyer, LL.M. Gewerblicher Rechtsschutz

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