„Das fette Schwein dreht durch“ – Fristlose Kündigung nach Facebook-Post über Vorgesetzen wirksam?

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In einer aktuellen Entscheidung hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (4 Sa 5/16 22.06.16) darüber zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer eines Maschinenbauunternehmens zurecht fristlos gekündigt werden durfte, nachdem er in der Facebook-Chronik eines Kollegen beleidigende Kommentare über einen Vorgesetzten hinterlassen hatte.

Der Arbeitgeber und anschließende Beklagte stützte seine fristlose Kündigung auf folgenden Sachverhalt: Der Mitarbeiter X war wegen einer Handverletzung arbeitsunfähig erkrankt. Herr X postete seine Verletzung in seiner Facebook-Chronik. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion in der Kommentarfunktion, an der sich 21 Personen beteiligten, unter anderem der Kläger und später fristlos Gekündigte. Die Diskussion handelte vom Arbeitsunfall und der Krankmeldung des Herrn X. sowie um den Zeitpunkt von dessen Rückkehr in den Betrieb der Beklagten. Innerhalb dieser Diskussion äußerte der spätere Kläger im Hinblick auf die lange Krankschreibung des Kollegen u.a.: „Das Fette (Schweinekopf-Emoticon) dreht durch!!!“ – Gemeint mit dem Schweinekopf-Symbol war nach Überzeugung des Arbeitgebers der etwas übergewichtige Produktionsleiter.

Das Landesarbeitsgericht bejahte wie die Vorinstanz (Arbeitsgericht Pforzheim, Urteil vom 08.12.2015, 4 Sa 5/16) das Vorliegen einer Beleidigung, stellte aber gleichzeitig fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung beendet wurde. Die Kündigung sei nämlich nicht gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, könnten einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 – AP BGB § 626 Nr. 226). Nach Auffassung des Gerichts lag es hier im Gesamtkontext der Konversation tatsächlich nahe, dass ein konkreter Vorgesetzter mit dieser Beleidigung gemeint war, zumal die Beleidigung im direkten Zusammenhang mit der diskutierten Frage, für wie lange Herr X. einen „gelben Urlaubschein“ erhalte, erfolgte.

Der fristlos Gekündigte hatte dagegen vor Gericht beteuert, dass er keine Vorgesetzte beleidigt habe. Mit „fettes Schwein“ habe er einen Freund und Kollegen gemeint. Mit diesem sei er vor Jahren in Kroatien in Urlaub gewesen. Weil dieser dort oft und gerne Spanferkel gegessen habe, habe er seitdem den Spitznamen „Spanferkel“. Der Arbeitgeber bestätigte dagegen vor Gericht, „dass der Produktionsleiter sehr korpulent sei und wegen einer Knochenerkrankung sehr markante Gesichtszüge, insbesondere eine breite Stirnfront und eine breite Nase habe, sowie breitere Hände.“

Ob aber tatsächlich der Produktionsleiter wegen seiner Körperfülle das einzige in Betracht kommende Beleidigungsopfer ist, oder ob ein anderer Vorgesetzter gemeint gewesen sein könnte oder gar die Person mit dem Spitznamen „Spanferkel“, wie vom Kläger behauptet, konnte nach Auffassung des Gerichts dahinstehen und bedurfte keiner weiteren Sachaufklärung. Aber selbst, wenn man davon ausginge, dass der Produktionsleiter hier beleidigt wurde, sah das Gericht eine fristlose Kündigung nach einer umfassenden Interessenabwägung als nicht erforderlich.

Eine außerordentliche Kündigung käme nämlich nur dann in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gäbe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar seien. Als mildere Reaktion sei dabei insbesondere die Abmahnung anzusehen. Beruhe die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden könne. Eine ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setze deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus – eine solche ist aber hier nicht erfolgt.

Das Vertrauen in den Kläger erscheine nach Auffassung des Gerichts zudem auch deshalb nicht endgültig zerstört, da der Arbeitnehmer bislang 16 Jahre unbeanstandet seine Arbeitsleistung verrichtet hat und einen Vertrauensbonus aufgebaut habe.

Eine deutliche „Gelbe Karte“ erschien nach der Überzeugung des Gerichts daher in diesem Fall als ausreichend.

Fazit:

Jegliche Äußerungen im Internet über Dritte sollten, auch wenn der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen ist, mit Bedacht gewählt werden. Es drohen in solchen Fällen nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen.

Renner Morbach Rechtsanwälte berät Sie gerne in solchen und anderen arbeitsrechtlichen (ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber), äußerungsrechtlichen oder strafrechtlichen Fällen.

Stefan Morbach, Rechtsanwalt bei Renner Morbach Rechtsanwälte


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