Das türkische Erbrecht und der türkische Erbschein

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Türkisches Erbrecht und der Nachweis der Erbenstellung durch Erbschein

Das türkische Erbrecht kommt immer dann zum tragen, wenn ein türkischer Staatsangehöriger verstirbt und bewegliches Vermögen hinterlässt. Dabei spielt es keine Rolle, wo dieses bewegliche Nachlassvermögen sich gerade befindet. So wird das Spar- bzw. Kontoguthaben bei einer deutschen Bank in Deutschland, das Fahrzeug in Hamburg und die Haushaltsgegenstände in der Wohnung in München genauso nach türkischem Erbrecht vererbt, wie das Kontoguthaben bei einer türkischen Bank in Ankara, das Motorrad in Antalya und die Möbel in Istanbul. Des Weiteren wird das türkische Erbrecht relevant, wenn ein Deutscher oder ein Türke in der Türkei unbewegliches Vermögen (d. h. Immobilien wie z. B. Haus, Wohnung, Grundstück) als Nachlassvermögen hinterlassen hat.

Die türkischen Gerichte werden in Falle eines Erbfalls nicht von Amts wegen tätig, sondern die Erben (bzw. ein Erbe) muss hierfür beim türkischen Gericht einen Antrag auf Erteilung eines türkischen Erbscheins stellen.

Das türkische Gericht überprüft im Rahmen des Erbscheinerteilungsverfahrens über die Erbenstellung des Antragstellers. Sind weitere Erben vorhanden, so wird im Erbschein der Anteil der einzelnen Erben festgestellt. Mit diesem Erbschein können die Erben anschließend ihre Stellung als Erbe des verstorbenen Erblassers nachweisen. Erst durch die Vorlage des türkischen Erbscheins können die Erben gegenüber den Banken, der Behörden (so z. B. Grundbuchämter - tapu dairesi) als Erbe auftreten, Rechtsgeschäfte vornehmen und Auskünfte über den Nachlass (z. B. Bankkonten) einholen.

Wann brauche ich einen türkischen Erbschein  

Ein türkischer Erbschein ist immer dann erforderlich, wenn auf den Erbfall türkisches Erbrecht zur Anwendung kommt und die Erbenstellung nachgewiesen werden muss. Der türkische Erbschein kann sowohl in der Türkei als auch in Deutschland als Nachweis der Erbenstellung benutzt werden. Am häufigsten wird der türkische Erbschein gebraucht, wenn zum Nachlass Immobilien in der Türkei gehören. Denn eine Umschreibung der türkischen Nachlassimmobilie ist nur möglich, wenn die Erbenstellung durch einen vom türkischen Nachlassgericht ausgestellten Erbschein dem türkischen Grundbuchamt gegenüber nachgewiesen wird. Ein türkischer Erbschein kann aber auch dann erforderlich werden, wenn auf den Erbfall türkisches Recht Anwendung findet und die Erben Ihre Erbenstellung in Deutschland nachweisen müssen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn zum Nachlass eines türkischen Erblassers Bankvermögen bei deutschen Kreditinstituten gehören.  

Wo bekomme ich in der Türkei einen türkischen Erbschein?

Für die Ausstellung der Erbscheine sind nach den türkischen Regelungen die türkischen Notare sowie das türkische Nachlassgericht in der Türkei zuständig. Die Ausstellung durch den türkischen Notar ist allerdings nur möglich, wenn am Erbfall kein Ausländer beteiligt ist (Art. 71/B Abs. 3 Notariatsgesetz - Noterlik Kanunu). Sobald der Erblasser und / oder einer der Erben eine ausländische Staatsangehörigkeit hat, entfällt die Zuständigkeit des türkischen Notars und der Erbschein muss beim türkischen Nachlassgericht beantragt werden. Für deutsche Staatsangehörige kommt die Erbscheinerteilung durch die türkischen Notare somit nicht in Betracht. Diese müssen beim türkischen Nachlassgericht einen Antrag stellen und bekommen den Erbschein nach der Durchführung eines Erbscheinerteilungsverfahrens ausgestellt.

Kann ich trotz Anwendung des türkischen Erbrechts einen Erbschein beim Nachlassgericht in Deutschland bekommen?

Auch wenn türkisches Erbrecht zur Anwendung kommt, können die Erben beim deutschen Nachlassgericht einen sogenannten Fremdrechtserbschein beantragen. Ein solches Bedürfnis der Erben kann insbesondere dann bestehen, wenn z.B. der türkische Erblasser hier in Deutschland Vermögen auf Bankkonten hinterlassen hat und die Erben einen schnellen Zugriff auf dieses sich in Deutschland befindende Nachlassvermögen anstreben. Voraussetzung für einen solchen Fremdrechtserbschein ist zunächst, dass die Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts gegeben ist (§§ 105, 343 Abs. 1 bis 3 FamFG). Die Erben können zwar beim deutschen Nachlassgericht einen territorial auf das Inland und gegenständlich auf den inländischen Nachlass beschränkten Fremdrechtserbschein gemäß § 352 c FamFG beantragen.

Allerdings sollte hierbei berücksichtigt werden, dass ein solcher Fremdrechtserbschein eines deutschen Nachlassgerichts lediglich die hier im Inland befindende Nachlassgegenstände erfasst. In der Türkei wird dieser Fremdrechtserbschein des deutschen Nachlassgerichts nicht anerkannt. Sollten die Erben demnach für die Verwendung in Türkei einen Erbschein brauchen, sollte ein entsprechender Erbschein direkt beim türkischen Nachlassgericht in der Türkei beantragt werden. Denn anderenfalls hätten die Erben für den Fremdrechtserbschein in Deutschland unnötige Kosten aufgewendet ohne jedoch einen Nutzen zu haben.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass einige Nachlassgerichte in Deutschland die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins bei Anwendung des türkischen Erbrechts mit einem Hinweis auf den § 15 des Nachlassabkommens (als Anlage zu Artikel 20 des Konsularvertrages zwischen Türkei und Deutschland) unberechtigter Weise wegen angeblicher Unzuständigkeit ablehnen. Hierbei wird jedoch vom Nachlassgericht übersehen, dass die Bestimmung des § 15 Nachlassabkommens die (internationale) Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts gemäß § 105 i.V.m. 343 FamFG nicht berührt, da diese Bestimmung der ausschließlichen Zuständigkeit nach seinem Wortlaut nur Klagen und somit streitige zivilprozessuale Verfahren umfasst; nicht jedoch Erbscheinerteilungsverfahren nach FamFG.  

Kann der türkische Erbschein auch beim türkischen Konsulat in Deutschland beantragt werden? 

Obwohl die türkischen Konsulate in Deutschland mit der Wahrnehmung einiger notariellen Aufgaben betraut sind, können diese Auslandsvertretungen der Türkei weder für türkische Staatsangehörige noch für deutsche Staatsangehörige Erbscheine ausstellen. Zuständig für Erteilung von Erbscheinen sind ausschließlich türkischen Notare in der Türkei sowie türkischen Nachlassgerichte in der Türkei zuständig. Sofern am Erbfall ausschließlich türkische Staatsangehörige beteiligt sind, können die Erben in der Türkei beim türkischen Notar einen Erbschein beantragen. Bei Beteiligung von ausländischen Staatsangehörigen am Erbfall (z. B. der Erblasser oder Erbe hat die deutsche Staatsangehörigkeit) muss der Erbschein beim türkischen Nachlassgericht beantragt werden. 

Werde ich bei einem Erbfall vom türkischen Gericht oder Konsulat automatisch benachrichtigt?   

Nein! Die türkischen Gerichte werden in Falle eines Erbfalls nicht von Amts wegen tätig. Die Erben müssen selber aktiv werden und sich um den Nachlass kümmern. Hierzu gehört unter anderem die Beantragung eines Erbscheins beim zuständigen Gericht. Auch das türkische Konsulat wird die Erben bei einem Erbfall nicht automatisch in Kenntnis setzen.  

Welche Funktion hat der türkische Erbschein?

Die Funktion des türkischen Erbscheins ist mit der des deutschen Erbscheins identisch. Beide dienen der Schutz und Sicherheit des Rechtsverkehrs. Als amtliches Zeugnis in Form einer öffentlichen Urkunde erbringt sie den Nachweis darüber, wer Erbe des Verstorbenen ist. Es handelt sich um ein sog. Legitimationspapier mit öffentlichem Glauben. Die im türkischen Erbschein angegebenen Personen werden als Erben legitimiert. Wegen der Vermutung der Richtigkeit darf der Rechtsverkehr darauf vertrauen, dass der aufgeführte Erbe tatsächlich der Erbe des verstorbenen Erblassers ist. 

Welche Informationen und Angaben enthält der türkische Erbschein? 

Der türkische Erbschein enthält in der Regel folgende Angaben:

1. Personalbezogene Angaben über den Erblasser mit Geburts- und Sterbedaten

2. Personenbezogene Daten der sämtlichen Erben nebst Höhe der Erbquoten

3. Eventuelle Beschränkungen & Hinweise (so z. B. bei ausländischen Erben hinsichtlich der Immobilien in der Türkei)    

Angaben über das konkrete Nachlassvermögen, wie z. B. über einzelne Vermögensgegenstände, Immobilien, Bankguthaben etc. kommen im Erbschein nicht vor. Der Erbschein gibt lediglich an, wer Erbe des Verstorbenen geworden ist; nicht jedoch was vererbt wurde. Um den Umfang des Nachlassvermögens herauszufinden, müssen die Erben eigenständig entsprechende Nachforschungen anstellen.


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