Der Regress des Verkäufers gegen den Lieferanten

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Regress Verkäufer Lieferant

I. Vorbemerkung

Aufgrund der verbraucherschützenden Vorschriften im Kaufrecht sind Unternehmer bei auftretenden Sachmängeln wegen der Verpflichtung zur Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) im Rahmen der Gewährleistung häufig mit hohen Kosten konfrontiert, wenn sie Ware an Verbraucher verkaufen.

Das Gesetz gibt daher dem Verkäufer beim Verkauf einer neu hergestellten Sache die Möglichkeit, im Falle einer Kundenreklamation von seinem Lieferanten Ersatz der Aufwendungen zu verlangen. Das Gesetz nennt dies Rückgriff des Verkäufers, ein anderer Begriff hierfür wäre "Lieferantenregress"

Aufgrund der sehr verbraucherfreundlichen Regelungen und der mit dem Nacherfüllungsanspruch des Käufers verbundenen hohen Kosten hat der Regress gegen den Lieferanten eine enorme praktische und wirtschaftliche Bedeutung.

Der Verkäufer erhält die Möglichkeit, im Falle einer Vertragswidrigkeit in der Vertragskette zurückzugehen und sich bei seinem Lieferanten schadlos zu halten.

Beispiel: Endverkäufer E betreibt einen Versandhandel für Gartenmöbel. Er hat bei Großhändler G 30 Gartengarnituren gekauft und gelagert.

K bestellt als Privatperson eine Gartengarnitur aus dieser Charge. Nach Regenwetter stellt sich heraus, dass die verwendete Lackierung aufgrund eines Produktionsmangels sich löst. K macht Nachlieferung einer neuen Garnitur geltend. Auch für nachgelieferte Garnitur hat denselben Mangel. K tritt vom Kaufvertrag zurück.

Endverkäufer E kann aufgrund von Paragraph 445a BGB von G als seinem Lieferanten Ersatz der Kosten verlangen (zB Hin- und Rücksendung) sowie die Ware seinerseits an G retournieren.

II. Rückgriff des Verkäufers gem. § 445a BGB

Der zentrale Kern der Regressvorschrift lautet gem. § 445a Abs. 1 BGB wie folgt: 

Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Absatz 2, 3 und 6 Satz 2 sowie nach § 475 Absatz 4 zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war oder auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b Absatz 4 beruht.

1. Anknüpfung an Aufwendungen gem. § 439 BGB

Die Regressmöglichkeit gilt nur für Neuware, d. h. ungebrauchte Sachen, die beim Verkäufer lagerten. Gegenstand der Ersatzpflicht sind Aufwendungen im Rahmen der vom Käufer geltend gemachten Nacherfüllungsansprüche, also zum Beispiel Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, Aus- und Einbaukosten, Kosten einer Ersatzlieferung.

Weitere Voraussetzung ist, dass der vom Käufer geltend gemachte Mangel bei Gefahrübergang bereits vorhanden war, was der Letztverkäufer beweisen muss.

Dringend zu beachten für den unternehmerischen Letztverkäufer ist die Rügeobliegenheit des § 377 HGB. Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.

Der Hersteller der Ware selbst hat keinen Regressanspruch gegen seine Zulieferer nach § 445 a BGB, hier richten sich die Ansprüche nach dem allgemeinen Gewährleistungsrecht.

2. Anknüpfung an Aktualisierungspflicht gem. § 475b Abs. 4 BGB

Die Ersatzpflicht gilt auch, wenn der Käufer eine Verletzung der Aktualisierungspflicht nach § 475 b Abs. 4 BGB geltend macht.

Hierunter versteht man, dass dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind, und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. Das dürften in der Regel Software-Updates zur Behebung von Sicherheitsmängeln sein.

Ausgenommen hiervon sind Aktualisierungsverpflichtungen, die auf einer gesonderten Vereinbarung zwischen Letztverkäufer und Verbraucher beruhen.

3. Kein Fristsetzungserfordernis bei Rücknahme der Ware

Gemäß § 445 a Abs. 2 BGB entfällt im Falle der Rücknahme der Ware oder Kaufpreisminderung aufgrund Monierung des Verbrauchers die Pflicht des Letztverkäufer, dem Lieferanten eine Frist zu setzen. Der Letztverkäufer kann von seinem Kaufvertrag mit dem Lieferanten daher sofort zurücktreten, ohne eine Nachfrist zu setzen oder Nacherfüllung zu verlangen. Dies liegt darin begründet, dass der Letztverkäufer wegen des vom Verbraucher erklärten Rücktritts seinerseits nicht mehr nacherfüllen kann.

4. Geltung innerhalb der Lieferkette

Die oben skizzierte Regressvorschrift gilt innerhalb der gesamten Lieferkette, d. h. sie findet auch auf Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gegen die jeweiligen Verkäufer entsprechende Anwendung, wenn diese jeweils Unternehmer sind (§ 445 a Abs. 3 BGB).

III. Verjährung von Rückgriffsansprüchen und Ablaufhemmung

Die Rückgriffsansprüche des Letztverkäufers bzw. der weiteren Teilnehmer der Lieferkette verjähren innerhalb von 2 Jahren ab Ablieferung der Ware.

Allerdings sieht das Gesetz zusätzlich noch eine Ablaufhemmung von 2 Monaten vor. D. h. die Verjährung kann frühestens 2 Monate nach dem Zeitpunkt eintreten, nachdem der Letztverkäufer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat. Die Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass der Endkäufer bzw. Verbraucher seine Rechte gegen den Letztverkäufer erst spät geltend macht, beispielsweise kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist. Es kann folglich der Fall eintreten, dass die frühere Ablieferung durch den Lieferanten an den Letztverkäufer beispielsweise bereits 2 Jahre zurückliegt bevor der Letztverkäufer vom Verbraucher in Anspruch genommen wird. Seit dem 1.1.2022 ist die bis dahin vorgesehene Höchstgrenze der Ablaufhemmung von 5 Jahren gestrichen worden.

IV. Abweichende Vereinbarungen

Die Regressvorschriften sind grundsätzlich dispositiv, d.h. der Lieferantenregress kann beschränkt oder gestrichen werden, solange dem Letztverkäufer durch den Lieferanten ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird (§ 478 Abs. 2 BGB). Dieser kann beispielsweise in einer pauschalen Abrechnung, Rabatten, Schadenspauschalen etc. gesehen werden.

Foto(s): ©Adobe Stock/Freedomz


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