Der Widerruf eines Bauvertrages – für den Verbraucher immer von Vorteil?

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Nicht selten sind Bauherren nach Abschluss des Bauvertrages über die mangelhafte oder fehlende Leistung des Bauunternehmens sehr ernüchtert. Nach anfänglicher Aufbruchstimmung kommt es im Baugewerbe nicht selten zu Unstimmigkeiten auf der Baustelle, die teilweise das Vertragsverhältnis sehr auf die Probe stellen. Oftmals sucht dann der private Auftraggeber nach Möglichkeiten, vom Vertrag wieder loszukommen. Sowohl Bauunternehmen als auch den Bauherren ist es vielfach nicht bewusst, dass die Bauverträge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen widerrufen werden können. Doch ist der Widerruf immer vorteilhaft für den Verbraucher?

I. Gesetzliche Widerrufsmöglichkeiten

Im BGB gibt es verschiedene Tatbestände, nach denen man Verträge widerrufen kann. Diese gelten grundsätzlich auch für Bauverträge. 

Zu nennen ist der Widerruf bei sog. Haustürgeschäften (Außergeschäftsraumvertrag), wenn also der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers (z. B. bei dem Verbraucher zu Hause) geschlossen wird. Der Vertrag muss im öffentlichen oder privaten Bereich außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers zustande kommen. Der Verbraucher und der Unternehmer müssen gleichzeitig körperlich anwesend sein, was bei einer Vielzahl der Bauverträge angenommen werden kann. Denn oftmals kommt der Bauunternehmer zum Verbraucher nach Hause, um sich die Gegebenheit vor Ort anzuschauen, wonach sogleich der Vertrag vorgelegt und – quasi am Küchentisch – unterzeichnet wird.

Ebenfalls gibt es ein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen, wenn also der Vertrag ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist. Im Baurecht sind Fernabsatzverträge erfahrungsgemäß eine Ausnahme. Die zu erbringenden Leistungen sowie der sonstige Vertragsinhalt werden in der Regel persönlich und oftmals vor Ort besprochen.

Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17) gilt der Ausschlusstatbestand des § 312g II 1 Nr. 1 BGB regelmäßig nicht für Werkverträge nach §§ 631 ff. BGB. Der BGH hat damit entschieden, dass auch ein Werkvertrag widerrufen werden kann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Außergeschäftsraumvertrag oder einen Fernabsatzvertrag vorliegen.

Zusätzlich zu den vorgenannten zwei Widerrufstatbeständen hat der Gesetzgeber mit § 650l BGB eine weitere Möglichkeit des Widerrufs eines Bauvertrages geschaffen. Damit beschäftigt sich der folgende Beitrag nun eingehender.

II. Widerruf des Bauvertrages bei einem Verbraucherbauvertrag nach § 650l BGB

Verträge über den Bau von neuen Gebäuden oder damit vergleichbare umfangreiche Baumaßnahmen waren bislang im Gegensatz zu kleineren Bauverträgen vom Anwendungsbereich der Widerrufsvorschriften ausgenommen. Dies wurde Anfang 2018 nun geändert. Seit dem 01.01.2018 besteht gem. § 650l BGB für Verbraucher bei einem Bauvertrag über einen Neubau oder einen größeren Umbau, der nicht notariell beurkundet wurde, ein Widerrufsrecht. 

1. Widerrufsbelehrung und Widerrufsfrist

Die Widerrufsfrist beträgt – wie auch bei Haustürgeschäften oder Fernabsatzverträgen – 14 Tage ab dem Zeitpunkt einer ordnungsgemäßen Belehrung. Die Widerrufsbelehrung beim Bauvertrag muss nachweislich vor Vertragsschluss erfolgen. Das Nachholen der Belehrung hat zur Folge, dass damit schließlich die 14-Tagesfrist zu laufen beginnt. Rechtlich gesehen ist ein widerruflicher Vertrag, wie auch der Bauvertrag, schwebend unwirksam. Aufgrund § 650o BGB darf vom Widerrufsrecht gemäß § 650 l BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers – z. B. durch Verwendung von AGB – abgewichen werden. Das Widerrufsrecht für Verbraucher beim Bauvertrag ist also zwingendes Recht und darf nicht durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.

Das bedeutet, dass der Vertrag, sollte dieser gar keine oder keine ordnungsgemäße Belehrung enthalten, noch ein ganzes Jahr und 14 Tage lang seit Abschluss des Vertrags widerrufen werden kann. Dies birgt ein hohes Risiko für den Unternehmer.

2. Widerrufserklärung

Wenn die Voraussetzungen des Widerrufs gegeben sind, kann der Verbraucher innerhalb der dafür vorgesehenen Frist (14 Tage nach Vertragsschluss bei ordnungsgemäßer Belehrung oder 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss) den Widerruf erklären. Es ist darauf zu achten, dass man den Zugang beim Vertragspartner nachweisen kann. Der Widerruf selbst ist unwiderruflich und darf an keine Bedingung geknüpft sein. Eine Begründung ist nicht notwendig. Aus der formlosen Erklärung muss allerdings eindeutig hervorgehen, dass der Verbraucher am Vertrag nicht mehr festhalten will.

3. Rechtsfolgen des Widerrufs

Ein wirksamer Widerruf hat zur Folge, dass ein Rückgewährschuldverhältnis entsteht und somit sämtliche wechselseitigen Leistungen zurückgegeben werden müssen. 

Die Bauherrschaft wird dann das Geld zurückfordern, muss aber auch die Bauleistung etc. zurückgeben. Sollte das nicht möglich sein, weil die Bauleistung Eigentum der Bauherrschaft geworden ist bzw. die Bauleistung nicht ohne Zerstörung entfernt werden kann, besteht für die Baufirma ein Anspruch auf Wertersatz. Geschuldet wird dann das, was vertraglich für diese vorbezeichnete Bauleistung vereinbart wurde. Bei überhöhten Vertragspreisen, wird ein angemessener Marktwert bestimmt. Mängel können aber in Abzug gebracht werden, sodass ein bereinigter Preis für die bisherige Bauleistung ermittelt werden kann.

Diese Pflicht zum Wertersatz entsteht nur beim Verbraucherbauvertrag. Wir ein "normaler" Bauvertrag mit einem Handwerker widerrufen, weil dieser ein Haustürgeschäft war und beim Verbraucher zu Hause abgeschlossen wurde, dann ist kein Wertersatz zu zahlen, wenn die Belehrung gefehlt hat, § 357a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB n.F. (bis 28.05.2022: § 357 Abs. 8 BGB). 

Die weitere Folge eines wirksamen Widerrufs ist, dass der Darlehensvertrag mit der finanzierenden Bank unwirksam wird, wenn dieser für das Bauvorhaben abgeschlossen wurde. Die Bank muss aber Kosten und Sollzinsen nicht erstatten. Diese Kosten und Sollzinsen können bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung aber als Schadensersatz gegen die Baufirma geltend gemacht werden, da die Widerrufsbelehrung Vertragspflicht ist.

4. Risiko für Verbraucher 

Da die zum Vertragsschluss erforderlichen Willenserklärungen durch den Widerruf weggefallen sind, hat dies den Wegfall der Mängelrechte zu Folge. Gerade wenn der Unternehmer schon einen überwiegenden Teil der Leistungen erbracht hat, kann dieser Verlust der Mängelrechte sehr risikohaft sein. 

Da der Verbraucher bei einem Widerruf des Verbraucherbauvertrags seine Gewährleistungsrechte verliert, gleichzeitig aber zum Wertersatz verpflichtet ist, kann ihm das Widerrufsrecht – zum Teil erhebliche – Nachteile bringen. Die Kündigung aus wichtigem Grund kann für Verbraucher bei bereits begonnenen Bauarbeiten daher vorzugswürdig sein.

III. Fazit

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers kann vor allem bei Außergeschäftsraumverträgen zu erheblichen Nachteilen für den Bauunternehmer führen. Dies kann der Bauunternehmer allerdings vermeiden, wenn er den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerruf belehrt und nach Möglichkeit den Ablauf der Widerrufsfrist abwartet, ehe er mit den Arbeiten beginnt.

Dem Verbraucher bietet das Widerrufsrecht nicht nur Vorteile. Insbesondere lässt die Erklärung des Widerrufs die Gewährleistung für bereits erbrachten Bauleistungen entfallen und es entsteht eine Pflicht zum Wertersatz. Andererseits ist der Widerruf ein nicht zu vernachlässigendes Mittel, um sich unkompliziert vom Vertrag mit einem unliebsamen Bauunternehmer zu lösen.

Beachten Sie bitte, dass diese Ausführungen lediglich einen groben Überblick über das Widerrufsrecht und seine Folgen beim Bauvertrag bieten. Eine anwaltliche Beratung im Einzelfall kann hierdurch nicht ersetzt werden.

Bei Fragen rund um das Thema Bauvertrag und Widerruf berate ich Sie gern.

Ihr Rechtsanwalt Erler

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