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Deutsche Rentenversicherung nach verzögerter Reha-Bewilligung zu Schadensersatz verurteilt

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Die Deutsche Rentenversicherung Bund muss einer Versicherten Schadensersatz leisten, weil deren Reha-Antrag pflichtwidrig erst mit großer Verspätung stattgeben wurde. Die Versicherte verlor zwischenzeitlich ihren Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung und musste sich für eine Übergangszeit privat krankenversichern. Hätte die DRV über den Reha-Antrag schnell genug entschieden, wäre die Versicherte nahtlos in der gesetzlichen Krankenversicherung verblieben. Die Beiträge hätte die DRV tragen müssen. 

Das Landgericht Berlin hat die DRV im Amtshaftungsprozess mit Urteil vom 17.02.2021 verpflichtet, der Versicherten Schadensersatz in Höhe der Beiträge zur privaten Krankenversicherung leisten.

Reha-Antrag

Die Versicherte hatte den Beruf einer Physiotherapeutin gelernt. Dieser Beruf verlangt eine gute Beweglichkeit der Arme und Hände sowie Kraftentfaltung (z.B. bei Massagen). Aufgrund einer angeborenen Fehlstellung der Elle traten jedoch mit der Zeit Beschwerden im Unterarm auf, die die Ausübung des Berufs erschwerten. Außerdem erlitt sie einen Sturz, bei dem die Elle zusätzlich geschädigt wurde. Sie bezog aufgrund des Unfalls Leistungen der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Im Rahmen des dortigen Verfahrens hatte ein renommierter Gutachter festgestellt, dass sie den Beruf der Physiotherapeutin nicht mehr würde ausüben können. Auch andere Ärzte waren zu dem gleichen Ergebnis gekommen.

Stellungnahme des Beratungsarztes

Sie beantragte deshalb bei der DRV Bund eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (Umschulung). Die DRV schaltete einen Beratungsarzt ein, der – ohne die Versicherte untersucht zu haben und entgegen allen anders lautenden medizinischen Stellungnahmen - zu dem Ergebnis kam, dass der Unterarm wieder ausheilen würde und sie den Beruf weiter ausüben könnte. Mit den vorliegenden Stellungnahmen seiner Kollegen setzte er sich dabei nicht auseinander. Seine Begründung war inhaltlich dürftig.

Antragsablehnung und Klage vor dem Sozialgericht

Die DRV stützte sich jedoch darauf und lehnte den Reha-Antrag ab. Die Versicherte legte dagegen Widerspruch ein, der ebenfalls zurückgewiesen wurde. Schließlich kam es zur Klage. Das Sozialgericht Hildesheim beauftragte einen Orthopäden als Sachverständigen damit, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen neutral und unabhängig zu überprüfen. Dieser Gutachter bestätigte ebenfalls, dass die Versicherte den alten Beruf nicht mehr würde ausüben können. Daraufhin erkannte die DRV den Anspruch an und bewilligte die Leistung zunächst dem Grunde nach. Daran schloss sich eine Klärung des geeigneten Berufsfeldes an. Auch dabei kam es zu weiteren Verzögerungen.

Verlust der gesetzlichen Krankenversicherung durch Verfahrensdauer

Die Versicherte hatte während des langen Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zunächst Arbeitslosengeld bezogen. Während dieser Zeit war sie noch gesetzlich krankenversichert. Nachdem das ALG ausgelaufen war, wollte sie sich zunächst über ihren Ehemann familienversichern. Dies scheiterte daran, dass sie Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung bezog, denn dieses Einkommen schließt die Familienversicherung aus. Sie schloss deshalb eine private Krankenversicherung ab. Die Beiträge musste sie selbst zahlen.

Krankenversicherungsschutz während der Reha-Maßnahme

Sobald die Reha-Maßnahme einsetzte, entstand wieder Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, wobei die Beiträge von der DRV zu zahlen waren. Hätte die DRV – wie es ihre Pflicht gewesen wäre – über den Reha-Antrag schnell entschieden und die Maßnahme zeitnah bewilligt, wäre die Versicherte nahtlos in der gesetzlichen Krankenversicherung verblieben. Sie forderte deshalb  Schadensersatz von der DRV in Höhe der Beiträge zur privaten Krankenversicherung.

Amtshaftungsprozess vor dem Landgericht Berlin

Dieser Klage gab das Landgericht Berlin mit Urteil vom 17.02.2021 statt (Aktenzeichen: 26 O 214/20). Das Gericht stellt fest, dass die DRV eine Amtspflichtverletzung begangen hat, indem sie den Reha-Antrag erst mit erheblicher Verspätung bewilligte. Insbesondere hätte die DRV sich nicht auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes stützen dürfen. Das Gericht bezeichnet die Stellungnahme des Beratungsarztes als „völlig inhaltsleer.“ Sie sei für die Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Versicherten untauglich gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sobald die Rechtskraft eingetreten ist, werde ich es hier veröffentlichen.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.



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