Die als Betreuer vorgeschlagene Person ist (vor ihrer Ablehnung) anzuhören!

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Die vom Betroffenen vorgeschlagene Person, ist vor der Bestellung eines anderen Betreuers anzuhören, soweit die vorgeschlagene Person aufgrund von Zweifeln an ihrer Redlichkeit übergangen wird.

Der BGH hat am 15.12.2010 (Az.: XII ZB 165/10) entschieden, dass es zum Umfang der Amtsermittlungspflicht gehört in Fällen, in denen das Betreuungsgericht statt eines vom Betroffenen vorgeschlagenen Angehörigen einen Berufsbetreuer auswählt, die vorgeschlagene Person erst einmal anzuhören.

Ein Sohn der Betroffenen hatte sich gegen die Bestellung eines Berufsbetreuers für seine Mutter gewehrt. Diese hatte ihm zuvor eine umfassende Vollmacht erteilt mit welcher sie zugleich verfügte, dass im Falle einer gleichwohl notwendig werdenden rechtlichen Betreuung ihr Sohn zum Betreuer bestellt werden solle.

Auf Anregung des Krankenhauses in K. vom 7. Oktober 2009 leitete das Amtsgericht - Betreuungsgericht - ein Betreuungsverfahren ein. Das angeordnete ein psychiatrisches Gutachten ergab, dass die Betroffene an einer Multiinfarktdemenz leidet und in keinem rechtlichen Bereich mehr in der Lage ist ihre Angelegenheiten selbständig zu besorgen.

Sie sei auch nicht in der Lage, zur Frage der Bestellung eines Betreuers einen freien Willen zu bilden.

Die Frage, ob die Betroffene bereits im August 2009 noch zu einer Vollmachterteilung fähig gewesen sei, sei schwierig zu beantworten und könne im Rahmen des Betreuungsgutachtens nicht beurteilt werden. Allerdings lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen bereits seinerzeit deutlich beeinträchtigt gewesen sein könne. In ihrer persönlichen Anhörung vom 10. Februar 2010 erklärte die Betroffene wiederholt, ihr Sohn solle ihre Angelegenheiten regeln.

Das Amtsgericht hat einen Berufsbetreuer bestellt. Die Betreuung erstreckt sich auf die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung, auf alle Vermögensangelegenheiten sowie auf die Vertretung bei Behörden und den Empfang von Post.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Sohnes hatte das Landgericht zurückgewiesen. Die vom Sohn eingelegte Rechtsbeschwerde war zulässig (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Für die mangelnde Eignung des Beteiligten zu 2. bzw. für die Zweifel an dessen Redlichkeit sprachen nach Auffassung des Landgerichts folgende Umstände:

Nach den Mitteilungen eines Mitarbeiters des Sozialdienstes im H.-G.-Krankenhaus in K. habe

  • sich der Sohn nicht an Absprachen gehalten und sich wenig kooperativ gezeigt.
  • Weitere Institutionen, die mit dem Sohn zu tun gehabt hätten, hätten die Erfahrung gemacht, dass der Sohn bei der Versorgung seiner Mutter finanzielle Interessen in den Vordergrund stelle.
  • Das Bürgermeisteramt der Heimatgemeinde habe den Sohn als problematisch beschrieben und ihn für ungeeignet erachtet, für seine Mutter zu sorgen.
  • Mitarbeiter eines Alten- und Krankenpflegevereins in K. hätten berichtet, dass die Versorgungssituation der Betroffenen - im Hinblick auf frische Nahrungsmittel - sehr kritisch gewesen sei. Der Verein habe den Pflegevertrag gekündigt; für die Rückabwicklung sei der Sohn nicht erreichbar gewesen.
  • Ein anderer Pflegeverein habe mitgeteilt, dass die Heizung in der Wohnung der Betroffenen defekt und eine Reparatur nicht veranlasst worden sei.
  • Schließlich habe der Sohn dem vom Amtsgericht bestellten Gutachter eine Untersuchung der Betroffenen verweigert und den Gutachter des Grundstücks verwiesen.
  • Auch die für den derzeitigen Heimaufenthalt der Betroffenen angefallenen Kosten habe der Sohn nicht bezahlt.

Nicht zu beanstanden war aus Sicht des BGH, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Bestellung eines Betreuers bejaht hat. Auch die Annahme des Landgerichts, dass die dem Sohn erteilte Vollmacht der Bestellung eines (hier: Berufs-) Betreuers nicht entgegensteht war nicht zu beanstanden.

Zwar darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine vom Betroffenen bereits früher erteilte („Vorsorge-") Vollmacht hindert danach die Bestellung eines Betreuers nur, wenn gegen die Wirksamkeit der Vollmachterteilung keine Bedenken bestehen (vgl. etwa MünchKommBGB/Schwab 5. Aufl. § 1896 Rn. 50 mwN: „zweifelsfrei wirksam erteilt"; Firsching/Dodegge Familienrecht 7. Aufl. Rn. 282).

Das hat das Landgericht auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens verneint. Diese tatrichterliche Würdigung ist - auch im Hinblick auf die zeitliche Nähe von Vollmachterteilung und gutachtlicher Untersuchung - plausibel und jedenfalls rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

Allerdings unterlag es aus Sicht des Bundesgerichtshofes durchgreifender verfahrensrechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht die Bestellung eines Berufsbetreuers mit Zweifeln an der Eignung und Redlichkeit des Sohnes begründet.

Dabei kann dahinstehen, ob die Tatsachen, auf die das Landgericht seine Zweifel stützt, bereits einen Schluss auf die mangelnde Eignung und Redlichkeit des Sohnes zulassen.

Denn das Landgericht hat bei der Feststellung dieser Tatsachen seine Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) verletzt. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht von Amts wegen alle zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über Art und Umfang dieser Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. etwa BayObLG FamRZ 1996, 1110, 111).

Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch u.a. nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von ungenügenden Tatsachenfest-stellungen ausgegangen ist (Keidel/Meyer-Holz FamFG § 72 Rn. 8). Letzteres ist hier der Fall:

Nach § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB hat das Betreuungsgericht einem Vorschlag des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen, sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft.

Ein solcher Vorschlag erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 127). Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vorschlag des Betroffenen, wie vom BayObLG (vgl. etwa BayObLG FamRZ 2005, 548; BayObLG OLGR München 2004, 251 Rn. 15; BayObLGR 2003, 360 = BtPrax 2003, 370 Rn. 13) gefordert, ernsthaft, eigenständig gebildet und dauerhaft sein muss.

Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (MünchKommBGB/Schwab 5. Aufl. § 1897 Rn. 21).

Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet (vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 127).

Nach § 1897 Abs. 5 Satz 1 BGB ist, wenn der Betroffene niemanden als Betreuer vorgeschlagen hat, bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen Beziehungen des Betroffenen, insbesondere auf dessen persönliche Bindungen - etwa zu eigenen Kindern - Rücksicht zu nehmen. Diese Regelung gilt auch dann, wenn der Betroffene einen Verwandten, etwa sein Kind, als Betreuer benannt hat (vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 128).

Denn das Kind des Betroffenen wird nach Maßgabe dieser Vorschrift „erst recht" zum Betreuer zu bestellen sein, wenn der Betroffene selbst dieses Kind ausdrücklich als Betreuer seiner Wahl benannt hat, mag der Betroffene auch bei der Benennung nicht oder nur eingeschränkt geschäftsfähig gewesen sein.

In Würdigung der in § 1897 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 BGB getroffenen Wertentscheidungen wird ein Kind des Betroffenen, das zum Betroffenen persönliche Bindungen unterhält und das der Betroffene wiederholt als Betreuer benannt hat, deshalb bei der Betreuerauswahl besonders zu berücksichtigen sein und nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden können, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten einer Bestellung seines Kindes entgegenstehen (vgl. BVerfGE 33, 236, 238 f.).

Diese rechtliche Gewichtung stellt auch an die tatrichterliche Ermittlungspflicht besondere Anforderungen. Der Tatrichter wird Gründe, die möglicherweise in der Person des vom Betroffenen als Betreuer benannten Kindes liegen, verlässlich nur feststellen können, wenn er dem Kind Gelegenheit gegeben hat, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Es verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung des benannten Kindes zum Betreueramt sowie die Redlichkeit des Kindes gegenüber dem Elternteil in Zweifel zieht und sich hierbei auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor das als Betreuer vorgeschlagene Kind - bei derart gravierenden Vorwürfen sogar regelmäßig persönlich - zu den von Dritten mitgeteilten Tatsachen anzuhören.

Eine solche Verfahrensweise wäre schon allgemein als Grundlage einer Betreuerauswahl, bei der ein Berufsbetreuer einem möglichen ehrenamtlichen Betreuer - aufgrund dessen angeblich fehlender Eignung und mangelnder Redlichkeit - vorgezogen wird, nicht unbedenklich (vgl. § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB).


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