Die fristlose Kündigung im Arbeitsrecht

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Die fristlose Kündigung stellt selbst für versierte Arbeitsrechtler immer wieder eine besondere Herausforderung dar. Selbst wenn die Rechtsprechung aus den gesetzlichen Vorgaben zwischenzeitlich grundlegende Kündigungsvoraussetzungen herausgearbeitet hat, so erweisen sich doch gerade bei fristlosen Kündigungen die konkreten Sachverhalte als äußerst individuell und bedürfen daher einer erfahrenen rechtlichen Bewertung. Nuancen in der Formulierung können dabei schon streitentscheidend sein. Zudem können bereits ergangene obergerichtliche Entscheidungen richtungweisend eingesetzt werden, weshalb gerade das Recht zur fristlosen Kündigung immer mehr zum Recht der Rechtsprechung wird.

Grundlegend ist bei der fristlosen Kündigung zunächst zwischen der so genannten Verdachtskündigung und der Tatkündigung zu unterscheiden. Wie die Begriffe bereits vermuten lassen, stellt die Kündigung bei der Verdachtskündigung auf einen konkreten Verdacht und bei der Tatkündigung auf eine sicher erwiesene Tat ab. Beide Kündigungen haben gemeinsam, dass dem Arbeitgeber das Einhalten der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein muss, was vielfach über einen nachhaltigen Vertrauensverlust begründet wird. Hierzu ist eine umfassende Interessenabwägung beiderseitiger Interessen vorzunehmen.

Nachfolgende Entscheidungen vermögen die rechtliche Bewertung exemplarisch:

1. 1,30 Euro Pfandbon zugunsten / zulasten einer Kassiererin

In jüngster Zeit hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin besondere Aufmerksamkeit in der Presse erlangt, die mittlerweile vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG 3 AZN 224/09) anhängig ist. Die dortige Entscheidung wird aber erst in 2010 erwartet. Zusammenfassend lässt sich zum Sachverhalt festhalten, dass eine Kassiererin mit 30-jähriger Betriebszugehörigkeit einen von einer Kollegin im Laden aufgefundenen Leergutbon für einen eigenen Einkauf verwandt haben soll, weshalb sie vom Arbeitgeber fristlos gekündigt worden ist. Die Kündigung wurde sowohl in erster Instanz als auch in der Berufungsinstanz für begründet bestätigt. Die Gerichte bestätigten, dass der geringe Wert und die 30-jährige Betriebszugehörigkeit zwar einerseits zu beachten seien, andererseits aber gerade Vermögensdelikte geeignet seien, das Vertrauen der Arbeitgeberin in einen einzelnen Arbeitnehmer nachhaltig zu zerstören. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin die Tat konsequent geleugnet habe. Nach ihrer Vermutung sei Ihr der Bon wohl durch ihre Kinder oder durch eine Kollegin in ihr Portemonnaie gelegt worden und sie hätte hierauf nicht weiter reflektiert. Das Gericht verwies demgegenüber aber darauf, dass Leergutbons von Mitarbeitern durch andere Mitarbeiter gegengezeichnet werden mussten, weshalb das Gericht der Darstellung der Klägerin keinen Glauben schenkte und vielmehr das Leugnen zu ihren Lasten in der Interessenabwägung berücksichtigte. Ob diese Interessenabwägung sachgerecht war, wird nun besonderer Prüfungsgegenstand der Entscheidung des BAG sein.

2. Die Verweigerung von Überstunden

Das Landesarbeitsgericht Rheinland hat in seiner Entscheidung 6 SA 143/07 die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der die Erbringung von Überstunden aufgrund der Fußball Europameisterschaft mit einer schwer beleidigenden Äußerung verweigert hatte, für begründet gehalten, und zwar sowohl wegen der schweren Beleidigung als aus arbeitsvertraglicher Sicht, da die Überstunden aus betrieblichen Gründen angeordnet wurden und dies bereits im Arbeitsvertrag vorgesehen war. Blendet man die Kündigungsbegründung hinsichtlich der Beleidigung aus, so bedeutet diese Entscheidung, dass ohne eine vertragliche Regelung zur einseitigen Anordnung von Überstunden zunächst eine Abmahnung erforderlich und erst im Wiederholungsfall die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre.

Fazit:

Angeordnete betrieblich notwendige Überstunden können durch den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht abgelehnt werden. Eine arbeitsvertragliche Regelung kann diese Verpflichtung stärken und eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung begründen. Dieser Fall zeigt also wieder einmal, dass der Schutz des Arbeitnehmers wesentlich in den arbeitrechtlichen Gesetzen verankert ist und dass das faktische Arbeitsrecht des Arbeitgebers in der durchdachten Ausgestaltung des Arbeitsvertrages liegt. Natürlich können diese Entscheidungen nur einen kurzen Blick in das Recht der fristlosen Kündigung geben. Sie zeigen aber, dass gerade bei der fristlosen Kündigung sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bei der Sachverhaltsermittlung und der Sachverhaltsdarstellung äußerste Sorgfalt walten lassen sollten. Die Tragweite der Sachverhaltsdarstellung und der rechtlichen Argumentation ist weit und in vielen Fällen streitentscheidend.

Autor dieses Artikels ist Rechtsanwalt Volker Starken

Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

tätig in der Bürogemeinschaft für Rechts- und Steuerberatung STARKEN.LÜTTGE in Oldenburg

www.starken-luettge.de


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