Die Reform der Restschuldbefreiung / Warten auf die Reform oder besser nach altem Recht?

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Was bringt die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens?
Soll man auf das Inkraftreten der Reform warten oder jetzt noch Insolvenzantrag nach dem alten Recht stellen?

 
I. Einleitung und Fragen

Was soll sich ändern? Welche Vor- und Nachteile kann die Reform für Gläubiger und Schuldner haben?
Das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens soll eine Vereinfachung bringen. Ein vereinfachtes Restschuldbefreiungsverfahren soll dem Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Gläubigern und Schuldnern dienen und ermöglicht dem redlichen Schuldner eine Chance für einen Neubeginn ohne Schulden. Bürokratische Verfahrensschritte bis zur Restschuldbefreiung sollen abgebaut werden, wenn diese offensichtlich zu keiner Gläubigerbefriedigung führen. Die Reform des Insolvenzordnung und des Restschuldbefreiungsverfahrens wird einige andere wesentliche Änderungen nach sich ziehen. Schuldner oder Gläubiger müssen daher genau prüfen, ob es sinnvoll ist, das Insolvenzverfahren noch vor der Reform einzuleiten oder nicht.

Welche Änderungen der Insolvenzordnung können von strategischer Bedeutung sein:
Hat der Treuhänder künftig die Anfechtungsmöglichkeiten wie der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren?
Kann im Verbraucherinsolvenzverfahren künftig auch ein Insolvenzplan zur vorzeitigen Beendigung des Verfahrens gelegt werden?
Werden die Versagungsgründe erweitert? Wenn ja, um welche Tatbestände?

 
II. Zur Historie des Gesetzesentwurfs

Am 31.1.2007 gab es einen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung und Vereinfachung des Verbraucherinsolvenzverfahrens.
Die Bundesregierung hat unter dem 22.08.2007 einen Entwurf vorgelegt.
Am 14.02.2008 gab es die 1. Lesung im Bundestag.
Eine Anhörung im Rechtsausschuss ist erfolgt.
Mit einem Inkrafttreten wird nicht vor 2009 gerechnet.

 
III. Insolvenzordnung von 1999 – Chance für redliche Schuldner

Seit 1999 gibt es im deutschen Recht die Möglichkeit der Restschuldbefreiung. Von der Restschuld befreit wird jeder, der sechs Jahre lang unter Aufsicht eines staatlichen Treuhänders versucht, so viel Geld wie möglich an die Gläubiger zurückzuzahlen. Zu den Aufgaben des Treuhänders gehört, den Gläubigern des Schuldners in den sechs Jahren, die einer Restschuldbefreiung vorgeschaltet sind, so viel Geld wie möglich zurückzugeben. Im Gegenzug gibt es in dieser Zeit keine Einzelzwangsvollstreckung durch die einzelnen Gläubiger, z.B durch einen Gerichtsvollzieher. Der Arbeitgeber des Schuldners hat den pfändbaren Teil des Einkommens an den Treuhänder abzuführen, der dies einmal jährlich an die Gläubiger verteilt. Läuft alles korrekt ab, werden die verbliebenen Schulden erlassen.
Die heutige Praxis der Verbraucherinsolvenz - insbesondere bei masselosen Schuldnern - steht in der Kritik. Rechtspfleger an den Amtsgerichten und Insolvenzrichter sind dem Ansturm der Verfahren und der damit verbundenen Bürokratie nicht gewachsen. Die Bundesländer klagen über die finanzielle Belastung durch die Stundung der Verfahrenskosten, die etwa 2500 Euro pro Verbraucherinsolvenzverfahren betragen. Diese Kosten soll eigentlich der Schuldner tragen. Ist dieser jedoch mittellos, muss die Justizkasse der Länder einspringen und das Geld im Wege der Stundung vorstrecken. Und eine Befriedigung der Gläubiger ist nicht ernsthaft zu erwarten. In etwa 80 % aller Privatinsolvenzverfahren sind die Schuldner völlig mittellos.

 
IV. Warum ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren?

Das heutige Verbraucherinsolvenzverfahren ist -wie ausgeführt-teuer und bürokratisch. 80 % der Schuldner haben keine relevanten Einkünfte mangels Qualifikation oder mangels Arbeitsstelle.
Ist ein Schuldner völlig mittellos, verfehlt ein bürokratisches Insolvenzverfahren seinen Zweck. In dieser Situation ist es nach Ansicht der Gesetzesreformer ausreichend, wenn eine sorgfältige Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Schuldners erfolgt.
Das Verfahren soll nicht nur einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und seiner Gläubiger bieten. Es muss sozial gerecht sein und die allgemeinen Interessen des Wirtschaftsverkehrs berücksichtigen.

 
V.Vereinfachtes Entschuldungsverfahrens bei mittellosen Schuldnern

1. Gang des Verfahrens
Das vereinfachte Entschuldungsverfahren passt sich nahtlos in das geltende Insolvenzverfahren ein. Da keine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist, erfolgt entsprechend § 26 InsO eine Abweisung mangels Masse. Damit ist das Verfahren für den Schuldner jedoch nicht beendet, sondern es wird lediglich die Stufe des eröffneten Insolvenzverfahrens übersprungen und unmittelbar in das Restschuldbefreiungsverfahren übergeleitet. Aus einer Bescheinigung einer geeigneten Beratungsstelle soll sich ergeben, dass eine Einigung mit den Gläubigern entweder ergebnislos versucht oder – so im künftigen Recht – eine solche offensichtlich aussichtslos war. Im Rahmen dieses "Bescheinigungsverfahrens" muss der Schuldner das Formular, das detailliert seine Vermögensverhältnisse abfragt, gemeinsam mit der geeigneten Person oder Stelle ausfüllen.Geeignete Personen für die Beratung der Schuldner sind etwa Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater. Wer als „geeignete Stelle“ in Betracht kommt, legt jedes Bundesland selbst fest.
Wird der Eröffnungsantrag nun mangels Masse abgewiesen, muss der Schuldner die Formulare mit dem Gerichtsvollzieher erörtern und an Eides statt die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben versichern. Das Gericht kündigt danach die 6-jährige Wohlverhaltensperiode an. In dieser treffen den Schuldner die gleichen Obliegenheiten wie in einem normalen Restschuldbefreiungsverfahren. Gleichzeitig wird der Treuhänder bestellt. An ihn muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Einkommens abtreten. Gläubiger können der Restschuldbefreiung widersprechen. Macht dies ein Gläubiger nicht, kann er nach Ablauf der 6 Jahre seine Forderungen nicht mehr gegen den Schuldner durchsetzen.

2. Neues Vermögen des Schuldners (sog. Neuwerb)
In der 6-jährigen Wohlverhaltensperiode kann es nun dazu kommen, dass der Schuldner etwa durch Erbschaften zu neuem, unvorhergesehenem Vermögen kommt, das bei der Verteilung zu berücksichtigen ist.

Dann soll folgende Verfahrensweise gelten:
-Erzielt der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode pfändbare Einkünfte, die an den Treuhänder abgetreten wurden, so erfolgt die Verteilung an die Gläubiger bei Beträgen unter 1000 Euro entsprechend des Forderungsverzeichnisses.
-Bei Beträgen über 1000 Euro hat der Treuhänder dies öffentlich bekannt zu machen und die Gläubiger aufzufordern, ihre Forderungen anzumelden. Anhand dieses ergänzten Forderungsverzeichnisses erfolgt, sofern kein Widerspruch erhoben wird, die Verteilung.

3. Kostenbeteiligung des Schuldners
Es ist geboten und gerechtfertigt, den Schuldner, der eine umfassenden Schuldbefreiung erhalten will, in einem bescheidenen Umfang an den Verfahrenskosten zu beteiligen.

4. Vorteile dieses Verfahrens
Gegenüber alternativen Entschuldungsmodellen und gegenüber dem geltenden Recht, das eine Stundung der Verfahrenskosten kennt, hat dieses vereinfachte Entschuldungsverfahren erhebliche Vorteile:
-Das Verfahren ist in das geltende Recht eingebettet, ohne dass ein zusätzliches Sonderverfahren vorgesehen werden muss. Der regelungstechnische Aufwand ist überschaubar und löst keine neue Bürokratie aus.
-Über eine Kostenbeteiligung wird dem Schuldner deutlich gemacht, dass er nur über gewisse Eigenanstrengungen eine Entschuldung erreichen kann.
Eine Entschuldung zum Nulltarif soll es künftig nicht mehr geben.

 
VI. Schlussbemerkung und Empfehlung

Das Gesetz steht in seiner endgültigen Fassung noch nicht fest. Es kann noch Änderungen geben. Sicher ist nur, dass es eine Änderung geben wird. Es ist Zeit, dass Schuldner oder Gläubiger prüfen, welche Konsequenzen die Änderungen der Insolvenzordnung auf deren Rechte und Pflichten haben können. Nach der genauen Prüfung, die idealerweise von einem Fachanwalt für Insolvenzrecht durchgeführt werden sollte, kann entschieden werden, ob ein Zuwarten mit dem Insolvenzantrag Sinn macht oder nicht.


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