Dieselskandal / Musterklage

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Infolge der durch die Autokonzerne (insbesondere VW-Konzern) verursachten „Dieselaffäre“ sehen sich viele Betroffene immer häufiger gezwungen, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, da ernsthaftes Entgegenkommen seitens der Automobilindustrie bisher nicht erkennbar ist.

Ein Problem stellt die Frage der möglichen Verjährung der Ansprüche dar. Die rechtliche Klärung steht noch aus. Vor dem Hintergrund einer möglichen drohenden Verjährung entscheiden viele Betroffene, sich der sog. „Musterfeststellungsklage“ anzuschließen. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage der Konsequenzen und der Auswirkungen (Vorteile und Nachteile) eines solchen Schrittes.

Eine Musterfeststellungsklage hat für die sich ihm anschließenden Verbraucher den Vorteil der Unterbrechung der Verjährung ihrer etwaigen Ansprüche. Ein weiteres Ergebnis eines solchen Verfahrens ist außerdem im besten Fall (außer dem Effekt der Unterbrechung der Verjährung) die grundsätzliche Feststellung eines bestehenden Anspruchs bzw. der Voraussetzungen eines Anspruchs. Die Musterfeststellungsklage begründet allerdings keinen Anspruch des Einzelnen gegen den jeweiligen Autokonzern. Dieser Anspruch muss anschließend trotzdem individuell (außergerichtlich oder nötigenfalls gerichtlich) durchgesetzt werden. So führt z. B. Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich von der Universität Halle hierzu aus:

Der große Nachteil der Musterfeststellung besteht aber darin, dass sie zu nichts verpflichtet. Die Feststellung hat keine weiteren rechtlichen Konsequenzen, sodass weder die durch das festgestellte Verhalten Geschädigten entschädigt werden, noch die rechtswidrige Geschäftspraxis in Zukunft untersagt ist. Nur wenn ein Geschädigter im Anschluss an das Musterfeststellungsurteil eigenständig klagt, kann er Entschädigung erhalten. Deshalb können die trotz Musterfeststellung notwendigen Einzelprozesse mühsam und kostenträchtig sein.

 [Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich unter: https://verfahrensrecht.uni-halle.de/2018/03/16/musterfeststellungsklage-kritische-wuerdigung-von-zwei-zitaten-anlaesslich-de-weltverbrauchertags-am-15-3-2018/]

Der Anschluss an die Musterfeststellungsklage wird praktisch zu erheblichen Verzögerungen der Rechtsverfolgung der Verbraucher führen. Eine zeitraubende Einzelklage zur finalen Durchsetzung der eigenen Ansprüche könnte dann trotzdem erforderlich werden. Es ist mit Zeiträumen von 3 - 4 Jahren zu rechnen.

Welche praktischen Konsequenzen hat dieser lange Zeitlauf nun für den eigenen Anspruch?

Es ist zu beachten, dass die Ansprüche des Autoinhabers (sowohl evtl. deliktische als auch vertragliche) in der üblicherweise sinnvollen Variante letztendlich in eine Rückabwicklung münden. Das Fahrzeug wird zurückgegeben. Der Kaufpreis ist abzüglich einer Nutzungsentschädigung an den Kunden zu erstatten. Die Nutzungsentschädigung wird üblicherweise gemäß nachstehender Formel berechnet:

Bruttokaufpreis in Euro x gefahrene Kilometer

Gesamtlaufleistung

Beispielsweise bei einem Dieselauto, das zu einem Bruttokaufpreis von 40.000,- € erworben wurde, führt die vorgenannte Formel bei einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Autos von 250.000 km und einer tatsächlichen jährlichen Laufleistung von 20.000 km zu einer Erhöhung der vom Dieselkäufer zu zahlenden Nutzungsentschädigung von jährlich 3.200,- €.

Somit kostet in dem vorgenannten Beispielfall jedes Jahr der Verzögerung der Rechtsverfolgung den Dieselfahrer 3.200,- €.

Bei genauerer Betrachtung der Berechnungsformel ist daher festzustellen, dass die Zunahme der gefahrenen Kilometer zur Erhöhung der Nutzungsentschädigung führt, welchen der Autoinhaber zu zahlen hat. Dementsprechend gehört es auch zur erkennbaren Taktik der Autokonzerne und Autohändler, solche Verfahren in die Länge zu ziehen. Die vom Gesetzgeber eingeführte Musterfeststellungsklage spielt hierbei dem Hersteller/Verkäufer der Dieselautos hinsichtlich weiterer Verzögerungsmöglichkeiten in die Hände.

Im Ergebnis empfehlen wir unter Beachtung der Verjährungsfrist/en die direkte Geltendmachung Ihrer Ansprüche. Eine Musterfeststellungsklage lohnt sich im Normalfall nicht. Sie würde nur dann Sinn ergeben, wenn der Eintritt der Verjährung tatsächlich unmittelbar droht und aus zeitlichen Gründen der Eintrag des Käufers in dem entsprechenden Register schneller umzusetzen ist als die Erhebung einer individuellen Klage. Sofern Sie allerdings rechtzeitig einen kompetenten Rechtsanwalt mit der Verfolgung Ihrer Interessen beauftragen, dürfte die Erhebung einer individuellen Klage unproblematisch sein, welche selbstverständlich ebenfalls zur Unterbrechung der Verjährung führt.

Unser Team steht gerne bereit, Sie über Ihre Rechte aufzuklären und Ihre Ansprüche angemessen durchzusetzen.



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