eBay-Bieter-Masche vom OLG Frankfurt als rechtsissbräuchlich abgeurteilt

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Das Landgericht Darmstadt verneinte in 1. Instanz das Schadensersatzbegehren des Klägers, nachdem dieser - trotz der Vermutung, dass der Beklagte mittels eines zweiten Accounts versucht hatte, den Preis für das eigens eingestellte Angebot hochzutreiben - ein Angebot abgab und ihm als Höchstbietender der Zuschlag erteilt wurde. Dieses Urteil wurde in der 2. Instanz vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigt, sodass die Berufung des Klägers ohne Erfolg blieb.

Während auf der Internetverkaufsplattform Ebay vor allem der sog. „Abbruchjäger“ einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat und in der Vergangenheit regelmäßig die deutschen Gerichte beschäftigte, tritt nun eine neue Form des „Schnäppchenjägers“ in Erscheinung.

Diesem geht es dabei ähnlich wie dem Abbruchjäger vor allem um die erfolgreiche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und gerade nicht um die eigentliche Vertragserfüllung.

Anders als der Abbruchjäger beobachtet dieser eBay-Nutzer allerdings mehrmals eingestellte Artikel und sucht nach Anhaltspunkten, die auf eine Preismanipulation durch den Angebotsersteller schließen lassen, insbesondere in Form der Eigengebotsabgabe (sog. „shill bidding“) durch einen Zweitaccount oder unter Einschaltung eines Strohmanns.

Grundsätzlich verstößt das Shill Bidding gegen die Teilnahmebedingungen bei eBay, da das Eigengebot ausschließlich zum Schein abgegeben wird und löst somit einen Schadensersatzanspruch zugunsten des Höchstbietenden aus. Ist in der Suche nach Anhaltspunkten für eine Eigengebotsabgabe allerdings eine „Masche“ des Höchstbietenden zu erkennen, kann ein Schadensersatzanspruch unter bestimmten Umständen als rechtsmissbräuchlich zu werten sein und scheitern.

Doch wo zieht man die Grenze zwischen einem redlichen und einem rechtsmissbräuchlichen Bieter?

Mit dieser Frage  mussten sich das Landgericht Darmstadt und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem kürzlich zu entscheidenden Fall eingehend befassen. Die übereinstimmenden Ergebnisse dieser beiden Entscheidungen sollen im Folgenden näher betrachtet und die maßgeblichen Kriterien dargestellt werden.

1. Sachverhalt

Der Beklagte hatte im Mai 2015 auf der Internetauktionsplattform „eBay“ einen Pkw BMW E60 525D zu einem Startpreis von 1,- € eingestellt. Höchstbietender war der Kläger mit einem Maximalgebot von zuletzt 8.250,- €, sodass dieser mit Zeitablauf den Zuschlag erhielt. Das nächstniedrige Maximalgebot in Höhe von 8.200,- € war durch eine weitere Person abgegeben worden, die unter eigenem Pseudonym auftrat. Außer diesen beiden Geboten war noch ein drittes Gebot in Höhe von 2.498,- € das nächsthöchste Gebot eines Kaufinteressenten.

Der Kläger forderte den Beklagten unter Fristsetzung zur Herausgabe des Pkw zum Preis von 2.508,- € auf, was der Beklagte verweigerte. Daraufhin erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Schadensersatz in Höhe von 5.000,- €.

Diesen Schadensersatzanspruch stützte der Kläger darauf, dass es sich bei der Abgabe des nächstniedrigen Gebotes in Höhe von 8.200,- € um eine Manipulation des Bietgeschehens gehandelt habe, um die nachfolgenden Gebote Dritter in die Höhe zu treiben. Nach Auffassung des Klägers habe diese Person mit dem Beklagten kollusiv zusammengewirkt, was insbesondere daran zu erkennen sei, dass diese Person bereits in einer vorangegangenen Auktion mit dem Beklagten auf den streitgegenständlichen Pkw geboten und diesen zu einem Preis von 6.050,- € ersteigert, aber nicht abgenommen habe. Außerdem seien regelmäßige Auktionen auf beiden Mitgliedskonten über dieselbe IP-Adresse erfolgt.

Der Beklagte behauptete demgegenüber, ein Freund oder Verwandter des Klägers habe unter Verwendung dessen Nutzerkontos die Gebote auf den Pkw abgegeben und erklärte die Anfechtung des geschlossenen Vertrages wegen Täuschung.

2. Entscheidung des LG Darmstadt (Az. 23 O 97/18) und Bestätigung dieser Entscheidung durch das OLG Frankfurt am Main (Az. 13 U 209/18)

Das Landgericht Darmstadt erklärte die Klage für unbegründet und lehnte einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 280 Abs. 3, 281 i.V.m. § 325 BGB aufgrund der behaupteten eBay-Manipulation ab.

Nach Auffassung des Landgerichts sei vielmehr der Beklagte zur Verweigerung der Herausgabe des Pkw berechtigt gewesen, da der Kläger von Anfang an nicht bereit gewesen sei, den Kaufpreis in Höhe von 8.250,- € zu zahlen.

Auch sei der Kaufvertrag - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht zu einem Kaufpreis in Höhe von 2.508,- € zustande gekommen.

Die bloße Vermutung seitens des Klägers, dass der Beklagte das Gebot über 8.200,- € selbst abgegeben haben könnte, um den Kaufpreis in die Höhe zu treiben, sei nicht ausreichend, um eine Nichtigkeit dieses Gebots annehmen zu können.

Selbst wenn man davon ausginge, der Beklagte habe die Auktion manipuliert, wäre das abgegebene Gebot zwar gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig, jedoch zöge dies die Rechtsfolge des § 117 Abs. 2 BGB nach sich, sodass das verdeckte Rechtsgeschäft gelte. Der Inhalt dieses verdeckten Rechtsgeschäft könne wiederum nur unter Anwendung des § 162 BGB festgestellt werden, demzufolge aber gerade kein anderer Kaufpreis als 8.250,- € anzunehmen wäre.

Dies wird zum einen damit begründet, dass die dem Gebot in Höhe von 8.250,- € vorangegangenen Gebote des Klägers erloschen und durch dieses letzte Höchstgebot gegenstandslos geworden sind.

Darüber hinaus entspringt § 162 BGB zwar dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass niemand aus seinem rechtswidrigen Verhalten Vorteile ziehen darf, allerdings gilt diese Vorschrift grundsätzlich nur für Bedingungen (vgl. Palandt/Ellenberger, § 162 Rn. 1). Für den vorliegenden Fall bedeutete dies, dass nur ein Vertrag in Höhe von 8.250,- € den Bedingungen entspricht, unter denen der Beklagte zum Abschluss eines Kaufvertrages bereit war.

Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben könne keine Korrektur dieses Ergebnisses erzielt werden, da das Schadensersatzrecht dem Kläger grundsätzlich einen ausreichenden Ausgleich gewähre.

Dieser Schadensersatzanspruch wäre zwar zweifellos durch die Pflichtverletzung des Beklagten nach § 280 I BGB ausgelöst worden, jedoch erschöpft sich dieser Anspruch darin, den Geschädigten so zu stellen, als sei die Pflichtverletzung nicht erfolgt. Ein Anspruch auf Besserstellung, unter Annahme eines Vertragsschlusses zum Kaufpreis von 2.508,- €, bestünde im Allgemeinen nicht (BGH, Urteil vom 19.05.2006 – V ZR 264/05, Rn. 21).

Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn aufgrund besonderer Umstände zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass der Vertrag ohne die Täuschung unter denselben Vertragspartnern zu anderen, für den Getäuschten günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre. Hierfür waren nach Ansicht des Landgerichts allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Weiterhin gelangte das Gericht nicht zu der Überzeugung, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse am Erwerb des Pkw hatte. Dies konnte im Rahmen der Zeugenvernehmung gerade dadurch belegt werden, dass der als Zeuge vernommene Schwager des Klägers aufgrund eigener Recherchen zwar bereits vor Auktionsende einen Verdacht hinsichtlich einer möglichen Manipulation hegte, diesen aber nicht gegenüber dem Kläger mitteilte und somit von einer etwaigen Angebotsabgabe abhielt. Dieses Verhalten des Schwagers stünde nach Auffassung des Gerichts allerdings gerade im Widerspruch zu dem üblichen Bietverhalten und belege das mangelnde Erwerbsinteresse des Klägers.

Für das Gericht hatte es vielmehr den Anschein, dass der Kläger auf die Einleitung von Schadensersatzklagen abzielte, da sowohl der Kläger selbst als auch dessen Schwager bereits eine Vielzahl von Gerichtsverfahren in ähnlich gelagerten Fällen eingeleitet hatten.

Darüber hinaus waren sowohl der Kläger als auch dessen Schwager durch eBay selbst vom Handel ausgeschlossen und deren Benutzerkonten gesperrt worden. Auch diesen Umstand werteten die Gerichte dahingehend, dass es sich bei diesen Personen nicht um redliche Bieter handeln könne.

Auch die vom Kläger eingelegte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt, blieb ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main lehnte somit auch in 2. Instanz das Schadensersatzbegehren des Klägers ab und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts vollumfänglich.

3. Schlussbemerkung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Angebotsersteller, welcher Preismanipulationen vornimmt, zwar grundsätzlich zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist, die Gerichte in diesen Fällen aber nicht pauschal zugunsten des vermeintlich geschädigten Bieters entscheiden, sondern auch die genauen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen.

Zwar können seitens der Gerichte keine abstrakten, verallgemeinerungsfähigen Kriterien aufgestellt werden, jedoch soll ein Schadensersatzanspruch nach einhelliger, richterlicher Auffassung jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn das Verhalten des Geschädigten seinerseits als rechtsmissbräuchlich zu werten ist.

Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch kommt folglich nur dann in Betracht, wenn der Bieter redlich und schutzbedürftig ist. Von einer Redlichkeit des Bieters ist dementsprechend nur dann auszugehen, wenn diesem die Verfälschung des Auktionsverlaufs verborgen geblieben ist und er andernfalls - nämlich bei Kenntnis vom Manipulationsgeschehen - von der Auktion von vornherein Abstand genommen hätte ( vgl. BGH, Urteil vom 24.08.2006-VIII ZR 100/15-,BGHZ 211, 311-349, Rn 40).

Eine Gebotsabgabe trotz Kenntnis des Bieters von der Manipulation wird nach übereinstimmender Auffassung der Gerichte als rechtsmissbräuchlich betrachtet, da der Bieter in einem solchen Fall den Gegenstand gar nicht erwerben, sondern vielmehr Schadensersatzansprüche generieren will.

Ferner berücksichtigten die Gerichte im Rahmen der Entscheidungsfindung sowohl die unmittelbaren Auktionsumstände selbst als auch die lediglich in mittelbarem Zusammenhang zur Auktion stehenden Umstände, wie etwa die Beendigung der eBay-Mitgliedschaft der Beteiligten, das übermäßige Zuwarten des Klägers bis zur Klageerhebung oder die Prozessgeschichte der Beteiligten.

Im Ergebnis führt dieser Fall und dessen gerichtliche Beurteilung zu einer rechtlichen Stärkung der Position des Verkäufers und Angebotserstellers. Dies ist immerhin in solchen Fällen zu begrüßen, in denen der Käufer rechtsmissbräuchlich handelt und damit weniger schützenswert erscheint.

Demgegenüber ist den Bietern nahezulegen bereits bei dem kleinsten Verdacht einer Preismanipulation von weiteren Geboten abzusehen, um nicht den Verdacht rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf sich zu ziehen und somit einen möglichen Schadensersatzanspruch auszuschließen.

In jedem Fall ist allerdings zu raten, sich frühzeitig an einen versierten Rechtsbeistand zu wenden, da insbesondere der oben aufgezeigte Fall verdeutlicht, dass im Rahmen solcher Einzelfallentscheidung bereits der kleinste Fehler entscheidend sein kann. 



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