Eigenbedarf - Kündigung bei Schwerbehinderung des Mieters - Eigenbedarfskündigung

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Immer häufiger liest man in den Medien von einer Zunahme von Eigenbedarfsküdigungen, gar von einer Trickserei mit Eigenbedarf. Auf Seiten der Vermieter und Mieter löst diese Berichterstattung Verunsicherung aus, insbesondere dann, wenn der Mieter schwerbehindert ist und es damit umso schwerer hat, eine andere bedarfsgerechte Wohnung zu finden.

Nach einer Eigenbedarfskündigung kann der Mieter selbst einer an sich wirksamen ordentlichen Kündigung widersprechen und sich auf einen Härtefall berufen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist der Widerspruch wegen eines Härtefalls in § 574 BGB geregelt. Es lautet u.a. wie folgt:

„Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.“

Ob ein Härtefall vorliegt, muss nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Ein hohes Alter oder eine Erkrankung bzw. Behinderung können beispielsweise nach Abwägung mit den Vermieterinteressen diese überwiegen und zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses führen. 

Nicht jede Krankheit oder Behinderung führt aber zu einem Härtefall. In der Regel ist ein Umzug für die Betroffenen mit Unannehmlichkeiten verbunden. Ein Härtefall bezeichnet die außerhalb der Regel liegenden Fälle mit besonderen Auswirkungen wie z.B. einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung oder gar Lebensgefahr durch den Umzug.

Orientierung für die Ermittlung der Vermieter und Mieterinteressen sowie die vorzunehmende Interessenabwägung bietet eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.3.2017, Az. VIII ZR 270/15. In diesem Fall war einem Ehepaar die Wohnung wegen Eigenbedarfs des Vermieters gekündigt worden. Der hochbetagte Mieter litt an mehreren Erkrankungen, unter anderem einer beginnenden Demenz. Die Eheleute hatten dargelegt, dass die Gefahr besteht, dass sich die Demenz durch einen Umzug verschlimmere und Orientierungslosigkeit drohe. Einzige Alternative zu dem Leben in der nun gekündigten Wohnung sei die Unterbringung des Ehemannes in einer Altenpflegeeinrichtung, was damit ein getrenntes Wohnen der Eheleute bedingen würde.

Zu der vom Gericht vorzunehmenden Beweiserhebung führt der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: Das Gericht muss sich „mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Erst dies versetzt die Gerichte in einem solchen Fall in die Lage, die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten“.

Bei derartigen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch einen erzwungenen Wohnungswechsel kann also – je nachdem welche Interessen auf Vermieterseite gegenüber stehen – ein überwiegendes Interesse des Mieters an dem Fortbestehen des Mietverhältnisses bejaht werden. Vermietern und Mietern ist insoweit zu raten, ihre Interessen und Beeinträchtigungen gründlich darzulegen und Beweismöglichkeiten zu erwägen.


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