Ein Testament ist abzuliefern - sonst kann es teuer werden

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Was viele nicht wissen und was für den Nichtwissenden teuer werden kann:

Wer das Testament einer anderen Person auffindet oder es in seinem Besitz hat, ist gesetzlich verpflichtet, das Testament unverzüglich nach Kenntnis vom Tod dieser Person beim Nachlassgericht abzuliefern. Zuständig ist das Nachlassgericht, in dessen Bezirk die verstorbene Person ihren letzten Wohnsitz hatte, notfalls auch das nächstgelegene Amtsgericht.

Warum eine Ablieferungspflicht besteht

In unserem Rechtssystem sind herrenlose Nachlässe unerwünscht – denn irgendwer muss sich um die Regelung des Nachlasses kümmern. Wenn also eine Person verstorben ist, haben nicht nur die Angehörigen oder nahestehenden Personen, sondern auch der Staat ein großes Interesse daran, die Erbfolge festzustellen.

Wie erkenne ich ein Testament?

Es ist unerheblich, ob das Dokument tatsächlich ein Testament im rechtlichen Sinn ist oder nur ein Entwurf oder gar eine Scherzerklärung. Unerheblich ist auch das Material. Entscheidend ist, dass es sich um eine Willenserklärung für den Fall des Todes handelt oder handeln könnte, die handschriftlich und mit einer wie auch immer gearteten Unterschrift  niedergelegt ist, auf welchem Material auch immer.

Ob das Dokument tatsächlich als Testament anzusehen ist, das zu entscheiden ist nicht Sache des Finders oder des Besitzers, sondern allein Sache des Gerichts. Daher ist der Finder oder Besitzer gut beraten, dem Gericht alles vorzulegen, was auch nur im Entferntesten wie ein Testament aussieht:

Die Gerichte machen ihre Beurteilung nicht abhängig davon, auf welchem Material der letzte Wille niedergelegt wurde, denn insofern wird den Erblassern die größtmögliche Entscheidungsfreiheit zugebilligt. Es wurden schon die skurrilsten Dokumente als rechtsgültige Testamente erachtet, angefangen beim Brieftestament über das Serviettentestament, einem Testament auf eingerissenem Notizzettel (OLG München, Beschluss vom 28.01.2020, Az. 31 Wx 229-231/19, NJW Spezial 2020, 263 f) bis hin zu einem Testament auf der Rückseite des Speiseplans eines Cafes (KG, Beschluss v. 09.05.2023, Az. 6 W 48/22, BeckRS 2023, 12548, NJW-Spezial 2023, 424). Selbst ein auf einer Holztischplatte mit Filzstift verfasster letzter Wille könne ein Testament darstellen, so das Amtsgericht Köln. In dem dort entschiedenen Fall allerdings hatte die Unterschrift gefehlt (AG Köln, Beschluss vom 25.05.2020, Az. 30 VI 92/20, NJW-Spezial 2020, 648).

Was geschieht, wenn ich ein Testament nicht oder nicht zeitnah abliefere

Die Norm im Erbrecht, die die Ablieferung anordnet, ist ein sogenanntes Schutzgesetz. Schutzgesetze enthalten Verbote oder Gebote zum Schutz des Lebens, der körperlichen, mentalen und persönlichen Integrität, des Eigentums oder des Vermögens anderer Personen. Und wer ein Schutzgesetz verletzt, der macht sich anderen gegenüber unter Umständen schadensersatzpflichtig.

Wer zum Beispiel inwieweit geschädigt werden könnte

Durch eine verzögerte Ablieferung geschädigt werden könnte zum Beispiel ein vermeintlicher Erbe, der einen – kostenpflichtigen und je nach Wert des Nachlasses durchaus kostspieligen - Erbschein beantragt.

Hierzu ein vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg entschiedener Beispielsfall:

Der Erblasser hinterließ eine Ehefrau und eine Tochter. Die Witwe hatte zwei Testamente von ihm in Verwahrung, nach denen sie allein erben sollte. Zusätzlich hatte der Erblasser später ein notarielles Testament errichtet, nach dem ebenfalls seine Ehefrau allein erben sollte. Nur dieses Testament wurde vom Nachlassgericht eröffnet.

Die – enterbte – Tochter stellte beim Amtsgericht einen Erbscheinsantrag mit der Begründung, der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments testierunfähig gewesen. Erst dann reichte die Witwe die beiden früheren, handschriftlichen Testamente zur Eröffnung ein. Die Tochter nahm den Erbscheinsantrag zurück und forderte von der Witwe Schadensersatz für unnötig aufgewandte Erbscheinskosten. Das OLG wies die Klage in zweiter Instanz allerdings ab, da die Witwe letztendlich nicht schuldhaft gehandelt habe (OLG Hamburg, Urt. v. 09.09.2021, Az. 2 U 9/21, NJW-Spezial 2022, 327).  

Die Witwe hatte Glück, denn die Entscheidung hätte auch anders ausfallen können.

Wie das Gericht mit dem Schriftstück verfährt

Beim Nachlassgericht wird das Testament „eröffnet“, das heißt offiziell in die Welt gesetzt. Der oder die Erben erhalten ein – kostenpflichtiges - Eröffnungsprotokoll, das für die Nachlassregelung wichtig ist, zum Beispiel im Verkehr mit der Hausbank des Erblassers.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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