Eine Bewerberin darf nicht wegen ihres Kopftuches abgelehnt werden

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Wird eine Muslima aus dem Kreis der in Betracht zu ziehenden Bewerberinnen ausgeschlossen, weil sie auf Nachfrage angibt, auch während der Arbeitszeit das Kopftuch nicht ablegen zu wollen, wird sie wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit diskriminiert, meint das Arbeitsgericht Berlin.

Eine Muslima suchte eine Ausbildungsstelle als Zahnarzthelferin. Sie fand im Internet ein Ausbildungsangebot einer Zahnarztpraxis. Sie bewarb sich mit einem Bewerbungsfoto, auf welchem sie mit einem Kopftuch abgebildet war. Die Zahnarztpraxis bat die Muslima zu einem Bewerbungsgespräch. Bei diesem Bewerbungsgespräch trug die Muslima ein Kopftuch. Der das Gespräch führende Zahnarzt fragte die Muslima, ob sie bereit wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Dies verneinte die Muslima.

Einige Tage später wandte sich eine Mitarbeiterin der Zahnarztpraxis an die Muslima und fragte per E-Mail nach, ob sie es sich vielleicht doch noch anders überlegt habe, wobei nicht ausdrücklich gesagt worden sei, dass mit „es"  die Frage nach dem Ablegen des Kopftuches gemeint gewesen sei.

Die Muslima gab hierauf keine Antwort sondern erbat schlicht eine schriftliche Absage. Diese bekam sie jedoch nicht. Sodann wandte sich die Muslima über das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin an die Zahnarztpraxis und forderte eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Religion ein. Die Zahnärzte wiesen die Forderung zurück und zeigten auf, dass die Ausbildungsstelle  gar nicht mehr besetzt worden sei. Von einer Diskriminierung könne somit keine Rede sein.

Die Muslima erhob daher Klage vor dem Arbeitsgericht und  beantragte, die Zahnärzte wegen  Diskriminierung ihrer Person aufgrund ihrer Religion auf Schadensersatz verurteilen

Die Zahnärzte wiesen darauf hin, dass im Bewerbungsgespräch der Muslima lediglich erläutert worden sei, dass in der Zahnarztpraxis eine einheitliche Kleidung getragen werde und es sich um eine Kleiderordnung handele, die in Zahnarztpraxen so üblich sei. Die Praxis werde so geführt, dass niemand dort religiöse oder politische Zeichen tragen dürfe. Die Kleiderordnung sei Ausfluss der unternehmerischen Betätigungsfreiheit. Die Bitte nach dem Ablegen des Kopftuches sei nicht diskriminierend, da die Bitte wegen der Kleiderordnung erfolgt sei und die Auszubildende jederzeit Gewähr dafür bieten müsse, bei Operationen Haube und Mundschutz zu tragen. In dem Bewerbungsgespräch und danach sei es somit zu keinerlei Diskriminierung der Muslima wegen ihrer Religion gekommen. Im Übrigen gehöre es auch zur unternehmerischen Freiheit, von einer Stellenausschreibung Abstand zu nehmen, ohne dass es auf die Motive hierfür ankäme. Hierin könne keine Diskriminierung irgendeines Bewerbers gesehen werden.

Das Gericht gab der Muslima Recht. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens sei von Seiten der Zahnärzte gegen ein Diskriminierungsverbot verstoßen worden. Die Muslima habe eine Diskriminierung aufgrund ihrer Religion erfahren. Solch eine Benachteiligung sei untersagt.

Die konkrete Diskriminierung habe darin bestanden, dass die Muslima  nach ihrem Bewerbungsgespräch und ihrer abschlägigen Antwort auf die Nachfrage der Zahnärzte per E-Mail aus dem Kreis der weiterverfolgten Bewerbungen ausgeschlossen wurde und dies auf dem Motiv beruhte, sie komme für den ausgeschriebene Ausbildungsplatz deswegen nicht in Betracht, weil sie nicht bereit sei, während der Arbeit ihr Kopftuch abzulegen. Das Kopftuch stelle nicht ein gewöhnliches Kleidungsstück dar, bei dem der Ausbilder aus Gründen der Arbeitssicherheit, der Gleichbehandlung oder der Normsetzung im Rahmen einer Kleiderordnung das Ablegen begehren könnte. Vielmehr stelle das Kopftuch den unmittelbaren Ausdruck der eigenen Religiosität gegenüber der Umwelt dar, und sein Tragen ist Akt der Religionsausübung. Das Tragen des Kopftuches steht nicht im Belieben einer Muslima, sondern ist Bestandteil ihres Bekenntnisses.

Dass die Zahnärzte letztendlich gar niemanden eingestellt haben ändere an der Diskriminierung der Muslima nichts, denn ihre Diskriminierung bestehe letztendlich in ihrer gedanklichen Vorab-Aussortierung.

Das Gericht sprach der Muslima als Entschädigung drei Brutto-Monatsgehälter zu, die sie theoretisch als Auszubildende bekommen hätte.

(Quelle: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.03.2012;  55 Ca 2426/12)

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