Eine Fertigstellungsgarantie eröffnet verschuldensunabhängige Ansprüche des AG

  • 1 Minuten Lesezeit

Der AN hatte sich dem AG gegenüber zur Fertigstellung mehrerer zu liefernder und zu montierender "schlüsselfertigen" Photovoltaik-Anlagen zum 31.12.2011 verpflichtet. Das Vertragswerk spricht von einer "betriebsfertigen Anlage, auf dem Dach montiert, die erforderlichen Anschlussleitungen verlegt und die Installation der erforderlichen Schalt- und Messanlagen erfolgt". Sodann erfolgte eine Bezeichnung des Vertragsgegenstands als "Photovoltaik-Komplettanlage mit Montage und Netzanschluss". Aufgrund erheblicher Schwierigkeiten mit der für die Einspeisung erforderlichen Trafostation, die erst 2014 behoben wurden, begann die Stromeinspeisung erst ab dem 5.8.2014. 

Der zuständige Senat des OLG München hat in der obigen Formulierung eine Vereinbarung gesehen, die in dem AG eine bestimmte Erwartungshaltung auslösen durfte. Ein verständiger Erwerber der Anlage, für den die zeitliche Weichenstellung der Einspeisungsvergütung ein zentrales Anschaffungsmotiv darstelle, verbinde mit der Fertigstellungsgarantie die Zusage, dass ab diesem Zeitpunkt die Anlage in Betrieb genommen und Gewinne erwirtschaftet werden könnten, was die vollständige Fertigstellung bedinge.   

Die Leistung der Beklagten erfolgte mithin deutlich verspätet. Vorliegend finde ein verständiger Erwerber die Garantie einer Leistungszeit vor und werde daher keinesfalls die Vertragsverhandlungen auf Zusicherung einer Leistungszeit lenken; Es sei nicht notwendig, dass der AG handschriftlich unter "garantierte Fertigstellung bis zum 31.12.2011" vermerke, dass darauf Wert gelegt werde und die Fertigstellung tatsächlich zum 31.12.2011 versprochen werde.

Mit der Fertigstellungsgarantie habe man das für Verzögerungsschäden grundsätzlich erforderliche Verschulden abbedungen. Untermauert wird das durch weitere Vertragsregelungen, in denen ausdrücklich Bezug genommen wird auf die Verantwortlichkeit des Subunternehmers des AN für mögliche Verspätungen sowie eine entsprechende Bestimmung für eine Verantwortung des AG. Aus einer Gesamtschau dieser Absätze ergebe sich für den objektiven Empfänger des Angebots, dass die Fertigstellung "unbedingt" versprochen worden sei. Damit sei das für den Verzögerungsschaden grundsätzlich erforderliche Verschulden keine Anspruchsvoraussetzung .  

(OLG München vom 28.01.2020, 28 U 452/19)

Dr. Thomas Gutwin

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht 

WEISS GLIMM GUTWIN Rechtsanwälte Partnerschaft 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Thomas Gutwin

Beiträge zum Thema