Elternzeit und Massenentlassung: Nachteil durch Sonderkündigungsschutz muss vermieden werden

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Eltern in Elternzeit bei unwirksamer Massenkündigung geschützt

Manchmal kommt es vor, dass Regelungen zum Schutz eines bestimmten Personenkreises sich unter bestimmten Umständen gerade für die zu Schützenden als Nachteil erweisen. Nicht nur das Bundesarbeitsgericht, sondern auch das Bundesverfassungsgericht hatte sich gerade mit einer derartigen Fallkonstellation zu befassen. Eine in Elternzeit befindliche Arbeitnehmerin fiel aufgrund des besonderen Erlaubnisvorbehalts, der sie eigentlich vor Kündigung schützen sollte, aus dem Schutzbereich einer Massenentlassung heraus. Ihre Kündigung blieb wirksam, weil sie, anders als die Kündigungen der weniger geschützten Arbeitnehmer, nicht mehr innerhalb der 30-Tage-Frist des § 17 KSchG erklärt wurde.

Der Begriff der Massenentlassungen in § 17 KSchG setzt voraus, dass mehrere Kündigungen innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen ausgesprochen werden. Die Mindestanzahl ist abhängig von der Gesamtanzahl der Beschäftigten in einem Betrieb (mehr als 5). Vor solchen Massenentlassungen sind die Unterrichtung des Betriebsrats und die Anzeige bei der Agentur für Arbeit erforderlich.

Die Entscheidung, die das Bundesarbeitsgericht am 26.01.2017 zum Aktenzeichen 6 AZR 442/16 verkündet hat, unterscheidet nun zwischen dem Entlassungsentschluss, der bereits durch Vorbereitung von Kündigungen deutlich wird, und dem jeweiligen Kündigungsausspruch. Um eine Benachteiligung von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz, beispielsweise Müttern in Elternzeit, zu vermeiden, gilt bereits der Antrag auf Sondererlaubnis zur Kündigung als Teil der Entlassung. Für sondererlaubnispflichtige Kündigungen für Schwerbehinderte und Schwangere gilt die Regelung entsprechend.

Eltern in Elternzeit, Schwerbehinderte und Schwangere können erst nach Einholen einer Erlaubnis gekündigt werden

Dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit liegt die Massenentlassung anlässlich der Betriebsstillegung einer griechischen Fluglinie zugrunde. Die Klägerin befand sich in Elternzeit. Vor der Kündigung musste deshalb zunächst die Sondererlaubnis des Gewerbeaufsichtsamtes eingeholt werden, sodass es zeitverzögert zur „Entlassung“ kam. Die übrigen Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz machten später die Unwirksamkeit der ihnen gegenüber ausgesprochenen Kündigungen geltend. Die innerhalb von 30 Tagen erklärten Kündigungen waren unwirksam, weil die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft war. Lediglich die Kündigung der Klägerin fiel aus der 30-Tage-Frist heraus, galt deshalb nicht als Teil der Massenentlassung und wurde rechtswirksam.

Die Klägerin fühlte sich den übrigen Arbeitnehmern gegenüber benachteiligt. Die als besonderer Schutz gedachte Erlaubnispflicht wurde für sie zum Nachteil, weil ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der zeitlichen Verzögerung als rechtswirksam gekündigt galt. Das Bundesverfassungsgericht entschied in diesem Fall, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden sei und deshalb auch die der Klägerin erteilte Kündigung als unwirksam angesehen werden müsste (1 BvR 3634/13). Das Bundesverfassungsgericht hatte der Klägerin Recht gegeben und das Bundesarbeitsgericht setzte die Rechtsauffassung der obersten Verfassungsrichter nun um.

Die Elternzeit und der damit verbundene Kündigungsschutz dürfen nicht zu einer Benachteiligung führen. Deshalb gilt schon der Zeitpunkt, in dem für Schwerbehinderte, Schwangere und Mütter in Elternzeit die Zustimmung zur Kündigung beantragt wird, als Kündigungszeitpunkt, wenn damit ein einheitlicher Entschluss zu einer Massenentlassung in die Tat umgesetzt wird.


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