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Entfernung einer Kameraattrappe

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Das Amtsgericht Wedding hat zugunsten der klagenden Nachbarn entschieden, dass eine Kameraattrappe durch den beklagten Nachbarn zu entfernen ist (Urteil des Amtsgerichts Wedding vom 20.08.2013, Az.: 16 C 240/13). Das Amtsgericht bejahte eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß §§ 823, 1004 BGB.

Die Kläger sind Mieter einer Wohnung in einem straßenseitig gelegenen Mehrfamilienhaus. Der Beklagte ist Mieter eines dahinter gelegenen Einfamilienhauses, von wo aus er auch eine Firma betreibt. Die Firmenautos parken regelmäßig am Straßenrand vor dem Mehrfamilienhaus. Dort kam es in der Vergangenheit zu häufigen Einbrüchen in die Firmenfahrzeuge, wobei wenigsten dreimal die Airbags gestohlen wurden. Die Polizei riet daher zur Anbringung einer Kameraattrappe, desgleichen die Kaskoversicherung zur Aufrechterhaltung des Versicherungsverhältnisses.

Der Beklagte brachte mit Zustimmung des Vermieters des Mehrfamilienhauses, aber ohne Zustimmung des Klägers, an der straßenseitigen Fassade des Mehrfamilienhauses in Höhe des ersten Obergeschosses eine Videokameraattrappe an. Diese ist auf den Bereich der vor dem Haus an der Straße parkenden Autos gerichtet und mit Elektrokabeln versehen und blinkt. Die Attrappe erfasse jeden, der das Grundstück betrete oder verlasse, dort klingele oder Post einwerfe, und jeden, der am Grundstück vorbeilaufe.

Das Gericht stellte fest, dass eine Videoüberwachung ohne Einverständnis des anderen, auch wenn keine Verbreitungsabsicht hinsichtlich der Bilder besteht, grundsätzlich einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung darstellt. Bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück müsse deshalb sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch andere Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann (BGH NJW 2010, 1533).

Ob eine Kamera tatsächlich mit einem so großen Aufnahmewinkel eingestellt ist, dass die Bilder all das erfassen würden, was dem Kamerawinkel nach möglich erscheint, ist nicht ausschlaggebend, denn schon durch den äußeren Anschein des Kamerawinkels entsteht ein dauerhafter „Überwachungsdruck“, gegen den ein Anwohner grundsätzlich vorgehen kann (BGH a.a.o.). Darüber hinaus haben die Kläger, wenn sie ihr Grundstück verlassen, immer auch den unstreitig vom Kamerawinkel erfassten Teil des Bürgersteigs zu passieren. Auch die ständige private Überwachung öffentlicher Wege stellt aber gegenüber demjenigen, der den Weg immer wieder benutzen muss, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BGH NJW 1995, 1955).

Ein Entfernungsanspruch besteht nach Auffassung des Amtsgerichts auch dann, wenn es sich lediglich um eine Kameraattrappe handelt, denn auch hierdurch kann beim Nachbarn und seinem persönlichen Umfeld der Eindruck erweckt werden, dass das Gerät funktionsfähig sein könnte und damit Aufzeichnungen gemacht werden könnten (LG Bonn NZM 2005, 399; AG Wedding WuM 1998, 342; AG Charlottenburg MM 204, 77; AG Aachen NZM 2004, 339).

Wer ständig eine Kamera auf sich gerichtet sieht, kann hierdurch auch dann schwer beeinträchtigt werden, wenn er weiß, dass es sich lediglich um eine Attrappe handelt. Allein der optische Eindruck, das Kommen und Gehen des Mieters und der ihn begleitenden Personen sei bereits geeignet, einen Überwachungsdruck zu erzeugen und sein Verhalten zu beeinträchtigen.

Eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts der Kläger gegen das Eigentumsgrundrecht des Beklagten führt nach Aussage des Gerichts nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn gegenüber den Klägern als gänzlich Unbeteiligte könnte ein derartigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht höchstens dann zulässig sein, wenn schwerwiegende Beeinträchtigungen der Rechte des Beklagten, z.B. Angriffe auf seine Person oder seine unmittelbare Wohnsphäre, nicht in anderer Weise zumutbar begegnet werden könnte (BGH NJW 1995, 1955). Das Eigentumsrecht, auf das sich der Beklagte beruft, ist nicht in seinem Wohnbereich zu schützen, sondern im öffentlichen Bereich. Nicht jeder, der sein Fahrzeug im öffentlichen Straßenland als gefährdet ansieht, kann dazu Kameras installieren.

Jemand, der in einem Haus wohnt, hat auch dann, wenn es schon mehrere Aufbrüche gab, sicher nicht hinzunehmen, dass ein Fremder im Eigeninteresse den Eingangsbereich dieses Grundstück überwachen oder scheinbar überwachen lässt. Dass der Vermieter dem zugestimmt hat, ist dabei nicht relevant. Der Vermieter, sofern dort nicht selbst wohnhaft, ist überhaupt nicht betroffen, und kann auch nicht zu Lasten der Grundrechte der anderen Genehmigungen dieser Art erteilen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem durch den Beklagten angeführten Urteil des AG Brühl vom 11.1 2010, Az 23 C 435/09. Dort ging es darum, dass auf den PKW des Beklagten mehrere Anschläge mit Leuchtspurmunition gegeben hatte und zusätzlich die Steuerleitung des ABS durchgetrennt worden war. Es handelte sich also i.S.d Entscheidung des BGH a.a.0. um schwerwiegende Gefährdungen sogar des Lebens des Beklagten. Dass das AG Brühl hierbei, zumal in Verbindung mit der Tatsache, dass es sich nur um eine Kameraattrappe handelte, zu dem Ergebnis der Klageabweisung gekommen ist, widerspricht, nach Auffassung des Amtsgerichts Wedding, den in der hiesigen Entscheidung anzuwendenden Grundsätzen nicht.


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