Equidenpass – Darf dieser zurückbehalten werden?

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Kein Zurückbehaltungsrecht am Equidenpass

OLG Stuttgart, Urt. v. 16.03.2017 – 7 U 155/16

Sachverhalt:

Die Klägerin vereinbarte mit dem Beklagten, dass dieser ihr Pferd für sie verkaufen solle. Dazu wurden Pferd und Pferdepass an den Beklagten übergeben, der das Pferd in Beritt nahm und auf Turnieren vorstellte. Die Art der vereinbarten Vergütung und die weiteren Vertragsmodalitäten sind zwischen den Parteien umstritten. Eines Tages holte die Klägerin das Pferd spät abends aus dem Stall des Beklagten ab, ohne dass dieser dabei anwesend war oder zuvor darüber informiert wurde. Die Klägerin verkaufte das Pferd anschließend. Der Beklagte weigerte sich, den Equidenpass an die Klägerin herauszugeben, und machte ein Zurückbehaltungsrecht wegen eigener Forderungen gegen die Klägerin geltend. Trotz zwischenzeitlicher Ausstellung eines Ersatzpasses verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Herausgabe des Originalpasses.

Entscheidung:

Der Klägerin steht der geltend gemachte Herausgabeanspruch bezüglich des Pferdepasses aus § 667 BGB oder aus einer dem Vertrag immanenten Nebenpflicht zu.

Bei der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung handelt es sich um einen gemischten Vertrag mit Elementen des Verwahrungs-, Dienst-, Makler-, Kommissions- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrages. Ein Herausgabeanspruch folgt daher nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses aus § 675 I i.V.m. 667 Alt. 1 BGB.

Gemäß § 44b S. 1 ViehVerkV darf ein Tierhalter ein Pferd nur in seinen Bestand übernehmen, soweit das Pferd von einem Equidenpass begleitet wird. Der Beklagte hat den Pass daher zur Ausführung seines Vertrages erhalten. Die Herausgabe wird damit spätestens mit Beendigung des Vertragsverhältnisses fällig. Dieses wurde hier durch Fristablauf zumindest jedoch konkludent beendet. Des Weiteren ergibt sich ein Herausgabeanspruch unter dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Nebenpflicht.

Dem Beklagten steht ein Zurückbehaltungsrecht bereits aus Rechtsgründen nicht zu. Ein Zurückbehaltungsrecht gewährt dem Schuldner das Recht, die von ihm geschuldete Leistung zu verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, § 273 I BGB. Ein solches scheitert bei einem Equidenpass jedoch bereits daran, dass dieser sich nach seiner Eigenart und Rechtsnatur nicht als Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts eignet.

Bei dem Pferdepass handelt es sich um ein Identifikationsdokument für Pferde, das vielfältige Funktionen zu erfüllen hat und stets mit dem Pferd zu führen ist. Er gibt als Urkunde mit öffentlich-rechtlicher Zweckbestimmung insbesondere Auskunft über die persönlichen Daten des Pferdes, er hat sofort und stets zur Verfügung zu stehen, anderenfalls macht sich der Pferdehalter einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 46 I Ziff. 24 ViehVerkV schuldig. Ohne den Pass gilt das Pferd somit als nicht verkehrsfähig.

Daher kommt dem Pferdeeigentümer zu Lebzeiten des Tieres auch das automatische Besitzrecht an dem Equidenpass zu, ein vom Pferd losgelöstes Recht an der Urkunde – mithin auch ein Zurückbehaltungsrecht – kann nicht begründet werden. Es kommt somit nicht darauf an, ob dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zusteht noch auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin dem Beklagten den Besitz am Pferd durch verbotene Eigenmacht entzogen hat, als sie dieses unangemeldet abholte.

Dass zwischenzeitlich eine Zweitschrift des Passes durch den Zuchtverband ausgestellt wurde, ändert nichts an der Verpflichtung des Beklagten, den Originalpass herauszugeben.


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