Fahrlässige Körperverletzung nach einem Verkehrsunfall – was droht?

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Nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden sieht sich der Unfallverursacher schnell einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ausgesetzt. Schlimmstenfalls ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu rechnen. Hier erfahren Sie wie man sich verhalten sollte.

Typisches Fallbeispiel aus der anwaltlichen Praxis wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung

Stephan M. befährt mit seinem Pkw den in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf gelegenen Kurfürstendamm in Fahrtrichtung Halensee. Er biegt rechts in die Schlüterstraße ab und übersieht hierbei die Radfahrerin R. Diese bremst ihr Fahrrad stark ab und fällt hierbei hin. Glücklicherweise ist Sie nur leicht verletzt und stellt später auch keinen Strafantrag. Trotzdem bekommt Stephan drei Wochen später einen Beschuldigtenfragebogen der Berliner Polizei zugesandt. „Gegen Sie wird ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung geführt. Sie erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme“, heißt es in dem Schreiben. Stephan ist besorgt. Er ist nicht vorbestraft und hat keine Punkte im Fahreignungsregister (FAER) beim Kraftfahrzeug-Bundesamt.

Welche Strafe droht wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung?

Der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB sieht als Höchststrafe eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor. Die konkrete Verhängung der Strafe im Einzelfall hängt von den Umständen des Tatgeschehens ab. Zu berücksichtigen sind Umstände wie etwaige Vorstrafen, die Schwere der Verletzungen, das Maß der Fahrlässigkeit und etwaiges Mitverschulden des Geschädigten. Handelt es sich bei dem Personenschaden um kleinere Verletzungen und um eine geringe Pflichtverletzung ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Verfahren gegen den Verursacher eingestellt wird. Je schwerwiegender die Verletzungen und der Pflichtverletzung sind umso wahrscheinlicher ist hingegen eine strafrechtliche Verfolgung.

Wonach bestimmt sich das Strafmaß, wenn es zu einer Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung kommt?

Bei der Strafzumessung spielt u. a. neben der Schwere der Verletzungen auch das Maß der Fahrlässigkeit (z. B. das Überfahren eines Stoppschildes) eine entscheidende Rolle .Handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen  Ersttäter muss er bei einer normalen fahrlässigen Körperverletzung mit der Verhängung einer Geldstrafe rechnen. Bei schwereren Verletzungen oder schweren Verkehrsverstößen bzw. Pflichtverletzungen  kann auf den Beschuldigten ggf. auch eine Freiheitsstrafe zukommen.

Welche Folgen hat eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung üblicherweise?

Ein Ersttäter wird bei Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung in der Regel mit einer Geldstrafe bestraft, die einem Nettomonatsgehalt (30 Tagessätze) entspricht. Weiterhin kann ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten. Im besten Fall kann Ihr Anwalt eine Einstellung des Verfahrens mit oder ohne Geldauflage erreichen. Dann ist die Verhängung eines Fahrverbotes wegen Strafverfahrens nicht möglich. Eine Überleitung vom Strafverfahren in ein Bußgeldverfahren ist jedoch möglich. In diesem Fall, ist, abhängig vom genauen Vorfall dann auch die Verhängung eines Bußgeldes oder von Punkten in Fahrtenregister möglich.

Gibt es Umstände, die das Strafmaß bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung mildern?

Ja. Wurde der Unfallverursacher selbst verletzt, so kann sich dies strafmildernd auswirken. Auch eine Mitschuld des Geschädigten sowie das sogenannte Tatnachverhalten des Unfallverursachers (z. B. Ausdruck des Bedauerns in Form von Blumen) können sich sehr vorteilhaft auf den weiteren Verfahrensverlauf auswirken.

Wann wird wegem fahrlässiger Körperverletzung ermittelt?

Fahrlässige Körperverletzung ist ein sogenanntes relatives Antragsdelikt. Zur Strafverfolgung bedarf es daher eines Strafantrags, § 230 Strafgesetzbuch (StGB). Dieser ist von der verletzten Person innerhalb von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt, wenn der Antragsberechtigte Kenntnis von der Tat und der Person des Täters erlangt

Wird das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nur eingeleitet, wenn der Geschädigte einen Strafantrag gestellt hat?

Nein. Die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft leitet grundsätzlich ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ein, wenn der Geschädigte einen Strafantrag gestellt hat, aber auch, wenn sie davon ausgeht, dass die Tatverfolgung von öffentlichem Interesse sei. Deshalb kann es sein, dass ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet wird, ohne dass der Geschädigte einen entsprechenden Strafantrag gestellt hat. Das besondere öffentliche Interesse besteht regelmäßig bei Vorstrafen des Beschuldigten, bei vorangegangenem Genuss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln sowie bei erheblichen Tatfolgen für den Verletzten.

Wie verhält man sich, wenn wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt wird?

Zunächst empfiehlt es sich, sich gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft nicht zu dem Vorfall zu äußern und von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Es sollte umgehend ein Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht kontaktiert werden! Dieser wird zunächst Akteneinsicht bei der zuständigen Ermittlungsbehörde beantragen. Ziel wird sein, das Ermittlungsverfahren notfalls gegen Zahlung einer Geldauflage zur Einstellung zu bringen.

Werden wegen einer fahrlässigen Körperverletzung auch Punkte in das Fahreignungsregister (FAER) eingetragen?

Nein, seit dem 01.05.2014 werden keine Punkte mehr in das Fahreignungsregister (FAER) beim Kraftfahrzeug-Bundesamt eingetragen.

Was sollte man tun, wenn wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt wird?

Zunächst sollte man sich gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft nicht zu dem Vorfall äußern und von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Gegenüber der Polizei müssen nur die persönlichen Daten angegeben und die Fahrzeugpapiere vorgezeigt werden. Es sollte umgehend ein Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht eingeschaltet werden. Dieser wird zunächst Akteneinsicht bei der zuständigen Ermittlungsbehörde beantragen. Ziel wird sein, das Ermittlungsverfahren notfalls gegen Zahlung einer Geldauflage zur Einstellung zu bringen. Auch wenn Sie einen Anhörungsbogen der Polizei erhalten sind Sie nicht verpflichtet, ihn auszufüllen. Äußern Sie sich dennoch, kann Ihre Aussage Gegenstand des möglichen Ermittlungsverfahrens sein.

Was kann ein Anwalt beim Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung für mich tun?

Ihre Verteidigerin oder Ihr Verteidiger hilft Ihnen aufgrund seiner Fachanwaltsausbildung und der langjährigen Berufserfahrung dabei das Strafverfahren möglichst frühzeitig und kostengünstig zur Einstellung zu bringen und damit die Eintragung von Punkten sowie ein Fahrverbot bzw. den Entzug der Fahrerlaubnis zu vermeiden. Zunächst wird Ihr Anwalt Einsicht in die Ermittlungsakte fordern. Eine erfolgreiche Verteidigung setzt einen Blick in die Ermittlungsakte voraus, um die Lage richtig einschätzen zu können und festzustellen, welche Beweise vorliegen Ihr Anwalt wird den genauen Unfallhergang überprüfen und insbesondere ergründen, ob es einen Zusammenhang zu der Pflichtverletzung gibt und ob die Körperverletzung für den Verursacher vermeidbar war.. Danach wird der Anwalt darauf abzielen, dass ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen die Erfüllung von Auflagen (z.B. die Zahlung einer Spende) eingestellt wird, bevor es zu einer Anklage kommt. Das bringt den Vorteil dass keine Eintragung ins das polizeiliche Führungszeugnis oder das Bundeszentralregister erfolgt. Ist dies nicht möglich, wird Ihr Anwalt auf eine gute Verteidigung vor Gericht setzen.

Wodurch kann das Strafmaß beeinflusst werden?

Für das Strafmaß entscheidend sein können das Ausmaß der Sorgfaltspflichtverletzung und der entstandenen Verletzungen, sowie das Nachtatverhalten (z.B. ernsthaft gemeinte Entschuldigung) und eventuelle Vorstrafen und ein Einträge (Punkte) im Fahrerlaubnisregister in Flensburg sein. Ebenfalls eine Rolle spielen kann ein mögliches Mitverschulden des Verletzten (z.B. der Fahrer erhält 2/3 der Schuld).

Kann das Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung auch ohne Gerichtsverhandlung eingestellt werden?

Der mit der Verteidigung beauftragte Fachanwalt setzt alles darauf, damit das Verfahren eingestellt wird. Es gibt mehrere Möglichkeiten, warum ein solches Verfahren eingestellt werden kann, in etwa wegen Geringfügigkeit oder Unschuld des Beschuldigten. Es gibt auch die Möglichkeit, dass das Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt wird. Somit erfolgt keine Eintragung ins polizeiliche Führungszeugnis oder das Bundeszentralregister.

Übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Gebühren für die anwaltliche Vertretung wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung?

Grundsätzlich übernimmt die Verkehrsrechtsschutzversicherung neben den Rechtsanwaltsgebühren auch die Gerichtskosten sowie Auslagen. Selbst im Falle einer Verurteilung wegen fahrlässifer Körperverletzung bleibt die Rechtssschutzversicherung einstandspflichtig. 

Droht ein Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis?

Im Normalfall brauchen Ersttäter keinen Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis zu befürchten. Für alle Straftaten, die unter 90 Tagessätzen liegen gilt, dass sie nicht ins polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen werden, sofern keine Voreintragungen im Bundeszentralregister stehen. Im Bundeszentralregister wiederum werden alle Verurteilungen eingetragen. Bei Ersttätern liegt die Strafe in der Regel unter 90 Tagen. Bei Einstellung des Verfahrens erfolgt auch keine Eintragung in das Bundeszentralregister.

Muss bei einer Verurteilung wegen fahrläsiger Körperverletzung ein Schmerzensgeld gezahlt werden?

Im Strafverfahren geht es zunächst nur um das Strafmaß, d.h. es wird entschieden, ob und vor allem wie der Beschuldigte zu bestrafen ist. Dabei wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Geschädigte auch einen Schmerzensgeldanspruch hat. Zwar kann es sein, dass der Unfallverursacher am Ende des Strafverfahrens eine Geldstrafe zahlen muss. Diese kommt jedoch nicht dem Geschädigten zugute. Ob der Verursacher auch Schmerzensgeld zahlen muss auf zivilrechtlichem Wege geklärt werden. Der Geschädigte muss seine Verletzungen belegen und seine Ansprüche bei dem Verursacher bzw. dessen Versicherung gesondert einfordern.

Wann besteht ein Schmerzensgeldanspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung?

In der Regel wird eine gewisse Schwere der Verletzung erforderlich sein (z.B. reicht eine bloße Schürwunde nicht für einen Schmerzensgeldanspruch) und der Geschädigte muss seine Verletzung durch ein ärztliches Attest belegen. Wurde der Verursacher in einem Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt muss er nun auch im Schmerzensgeldprozess zahlen. Bei fahrlässiger Körperverletzung zahlt in der Regel die Haftpflichtversicherung. Zur Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes gibt es kein System, sondern es wird sich dabei an einer allgemeinen Schmerzensgeldtabelle orientiert. Liegen schweren Verletzungen vor fällt der Schmerzensgeldbetrag meist sehr hoch aus oder es wird eine Geldrente gezahlt. Auch wenn grundsätzlich zwischen dem Strafverfahren und dem Zivilprozess im deutschen Recht zu unterscheiden ist, besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen des sog. Adhäsionsverfahrens bereits im Strafprozess über Schmerzensgeld und andere zivilrechtliche Ansprüche entschieden wird.

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Rechtsanwalt Gregor Samimi ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Strafrecht in Berlin (Steglitz-Zehlendorf). Telefonnummer neben diesem Rechtstipp. ✩ Kontaktieren Sie uns über unsere Website. Wir helfen Ihnen gerne weiter!


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